Finanzamt:Wenn der Steuerprüfer gar nicht klingelt

Nach SZ-Informationen müssen vor allem Firmen in Baden-Württemberg und Bayern nicht so oft mit einem Besuch des Steuerprüfers rechnen. Auch Hamburg kontrolliert lax und schont seine Millionäre.

C. Hulverscheidt

Firmen in Bayern und Baden-Württemberg müssen nicht mehr so oft mit einem Besuch des Steuerprüfers rechnen. Das ergibt sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus einer Aufstellung der Grünen-Bundestagsfraktion, die den Umgang der Finanzämter mit Bürgern und Unternehmen in allen 16 Bundesländern untersucht hat.

Finanzamt: Die Zahl der Steuerprüfer ist in einigen Bundesländern zu niedrig, sagt Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick.

Die Zahl der Steuerprüfer ist in einigen Bundesländern zu niedrig, sagt Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick.

Danach haben Bayern und Baden-Württemberg die Zahl ihrer Betriebsprüfer in den vergangenen Jahren systematisch zusammengestrichen. Zudem zeigt sich, dass ausgerechnet Hamburg besonders häufig auf eine gesonderte Prüfung von Einkommensmillionären verzichtet. Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick sagte, das Vorgehen der reichen Länder habe Methode. Hier werde gezielt um Unternehmen und Spitzenverdiener gebuhlt.

Laut Übersicht haben Bayern und Baden-Württemberg ihre gesamten Steuerverwaltungen seit 2005 kräftig ausgedünnt. In Baden-Württemberg kommen auf 100.000 Einwohner noch 123 Finanzbeamte, in Bayern gar nur 118. Beide Länder sind damit bundesweit Schlusslichter, es führt Niedersachsen mit 298 Mitarbeitern.

In Baden-Württemberg sank die Zahl der Betriebsprüfer um 8,2 Prozent, obwohl jeder Fahnder dem Land durchschnittlich 1,4 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich einbringt. Auch Bayern baute 2,6 Prozent der Stellen ab, obwohl die Prüfer im Freistaat mit einem Mehrergebnis von 2,4 Millionen sogar an der Spitze aller Länder liegen. Hessen und Schleswig Holstein stockten ihr Personal dagegen um mehr als 20 Prozent auf.

Schick sagte der SZ, die Regierungen in Stuttgart und München betrieben eine unverantwortliche Standortpolitik. Das zeige sich an der Personalausstattung der Steuerverwaltung, die seit 2005 bewusst heruntergefahren worden sei. "Es profitieren vor allem unehrliche Spitzenverdiener: Sie haben Gestaltungsmöglichkeiten und fliegen mangels Prüfung nicht auf, während Arbeitnehmer im Regelfall dem Lohnsteuerabzug unterliegen", sagte Schick.

Scharfe Kritik äußerte er auch an Hamburg, wo 2009 nur jeder zwanzigste Spitzenverdiener einer Sonderprüfung unterzogen wurde. In Baden-Württemberg und Sachsen war es dagegen mehr als jeder Dritte. "Wenn gerade die Millionärshauptstadt Hamburg nur fünf Prozent aller Einkommensmillionäre prüft, dann gilt in Deutschland ganz offensichtlich nicht gleiches Recht für alle", sagte der Grünen-Politiker.

Länder berufen sich auf Qualität vor Quantität

Die Länder selbst wiesen die Kritik zurück. Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) sagte der SZ, trotz knapper Personalausstattung funktioniere der Steuervollzug gut - auch weil bayerische Beamte erfolgreicher arbeiteten als ihre Kollegen in manch anderen Ländern.

Ein Sprecher des Stuttgarter Finanzministeriums sagte: "Beim Personal gilt gerade nicht: Viel hilft viel. Das Personal muss an der richtigen Stelle eingesetzt werden." Die Hamburger Finanzbehörde bezeichnete die Vorwürfe der Grünen gar als "absurd und lächerlich".

Rückendeckung erhielt Schick dagegen vom Experten der Gewerkschaft Verdi, Werner Stupka, der selbst Steuerfahnder ist. In Bayern würden sogar Betriebe mit Millionenumsatz so selten geprüft, dass Steuerdelikte meist verjährt seien, sagte er. Angelica Dullinger, Personalrätin im Finanzamt München, sagte, vor allem der Ballungsraum München sei "für Vermögende und Konzerne ein Steuerparadies".

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