Fehlstart der neuen Steuernummer:Plötzlich Multikulti

Panne zum Start der neuen Steuernummer: Im niedersächsischen Stade haben viele Einwohner falsche Namen und Nationalitäten erhalten - nun ist auf dem Meldeamt die Hölle los.

Daniela Kuhr

Eigentlich heißt Dirk Kraska Dirk Kraska und ist in Celle geboren. Doch am Freitag vergangener Woche erhielt der 48-Jährige einen Brief vom Bundeszentralamt für Steuern aus Bonn, das ihm seine neue Steuer-Identifikationsnummer mitteilte. Hunderttausende Bürger bekommen in diesen Tagen ähnliche Schreiben.

Fehlstart der neuen Steuernummer: Peinliche Datenpanne beim Einwohnermeldeamt in Stade: Zahlreiche Einwohner haben Bescheide mit falschen Geburtsnamen erhalten.

Peinliche Datenpanne beim Einwohnermeldeamt in Stade: Zahlreiche Einwohner haben Bescheide mit falschen Geburtsnamen erhalten.

(Foto: Foto: AP)

Kraska erfuhr, dass sein Geburtsname Solonin sei und er aus dem Libanon stamme. "Zuerst musste ich schallend loslachen", sagt er, doch dann wurde ihm ziemlich schnell die Tragweite dieses Versehens klar.

80 Millionen Briefe sind nötig

Kraska ist Erster Stadtrat im niedersächsischen Städtchen Stade. Von den 48.000 Einwohnern sei er nicht der einzige, der über Nacht die Identität gewechselt habe: "Bei uns auf dem Meldeamt ist die Hölle los."

Am 1. August hat das Bundeszentralamt für Steuern damit begonnen, die neue Steuer-Identifikationsnummer an sämtliche Einwohner Deutschlands zu verschicken. 80 Millionen Briefe sollen bis zum Jahresende raus. Die Nummer mit elf Ziffern wird nach einer Übergangszeit die klassische Steuernummer ersetzen, die bislang jeder von seinem örtlichen Finanzamt zugeteilt bekam.

Die neue Nummer bleibt ein Leben lang gleich, unabhängig davon, ob jemand den Wohnort wechselt. Nach Aussage des Bundesfinanzministeriums wird mit der Identifikationsnummer vieles leichter. Doch der Auftakt ist offenbar wenig geglückt, zumindest in Stade.

"Ich weiß nicht, wie viel Prozent unserer Einwohner betroffen sind, aber gefühlt sind es 100 Prozent", sagt Kraska. "Jeder kennt jemanden, bei dem eine Angabe falsch ist." Ein in Deutschland geborener Arzt, seine Frau und ein Sohn stammen plötzlich aus Großbritannien, der zweite Sohn soll dagegen Russe sein.

In einem anderen Fall erfuhren zwei deutsche Brüder, dass der eine in Pakistan, der andere in Eritrea geboren ist. Eine Elfjährige wird in ihrem Anschreiben zur Russin und ist zudem bereits verheiratet.

Weil das Bundeszentralamt in den Schreiben darauf hinweist, dass die Bürger sich bei Fehlern an ihre jeweilige Meldebehörde wenden sollen, haben sich vor dem Amt in Stade Schlangen gebildet. "Allein am Montag hatten wir 600 Leute hier", sagt Kraska. "Und knapp 1000 weitere haben uns geschrieben."

Täglich eine Million Briefe

Wo der Grund für die Panne liegt, ist noch offen. Kraska sagt, auch in diversen anderen Gemeinden habe es große Probleme gegeben. Doch beim Bundesfinanzministerium, dem das Bundeszentralamt unterstellt ist, weist man das zurück.

"Natürlich war hier und da mal ein Name falsch geschrieben, oder die Adresse stimmte nicht, aber das waren alles nur Einzelfälle", sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch.

Die Meldeämter hatten in den vergangenen Monaten landauf, landab die Daten über die bei ihnen gemeldeten Einwohner an das Bundeszentralamt geschickt. Im Fall von Stade ist das mittels einer CD geschehen.

Das Zentralamt vergab anhand der zugesandten Daten die Identifikationsnummern. "Das geschieht alles automatisch, die Angaben werden nicht mehr geprüft", sagte der Ministeriumssprecher.

Er vermutet, dass Stade eine falsche Software verwendet hat. "Täglich verschickt das Bundeszentralamt etwa eine Million Briefe", sagte er. "Da die Fehler in dieser Häufigkeit nur in Stade aufgetreten sind, spricht viel dafür, dass die Ursache dort zu suchen ist."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: