Fannie Mae und Freddie Mac:"Das ist ein Befreiungsschlag"

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Fannie Mae und Freddie Mac unter staatlicher Zwangsverwaltung: Warum die Entscheidung der US-Regierung Unsicherheit aus dem Markt nimmt, erklärt der Ökonom Volker Wieland.

Melanie Ahlemeier

Professor Volker Wieland lehrt Geldtheorie und -politik an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er ist außerdem Direktor des Center for Financial Studies. In den Jahren 1995 bis 2000 war als Economist und Senior Economist bei der US-Notenbank (Fed) in Washington, DC. tätig.

US-Finanzminister Henry Paulson hat's entschieden: Die angeschlagenen US-Hypothekenversicherer Fannie Mae und Freddie Mac werden vorübergehend vom Staat verwaltet. (Foto: Foto: AP)

sueddeutsche.de: Die US-Regierung nimmt die beiden Hypothekenversicherer Fannie Mae und Freddie Mac vorübergehend in staatliche Zwangsverwerwaltung. Ist das der einzige Ausweg aus der Misere?

Volker Wieland: Das ist ein Befreiungsschlag. Die USA garantieren für Fannie Mae und Freddie Mac, und damit für die Hälfte des US-Hypothekenmarktes. Das sind fünf Billionen Dollar. Oder anders formuliert: rund 36 Prozent des Bruttoinlandprodukts.

sueddeutsche.de: Aber ist der Eingriff des US-Finanzministeriums wirklich sinnvoll? Hätte man beide Institute nicht lieber in die Pleite schicken sollen?

Wieland: Die Art des jetzigen Eingriffs halte ich für sehr sinnvoll. Wenn das Ministerium einfach nur Kapital zur Verfügung gestellt hätte, würde das risikosuchende Verhalten der Institute nur honoriert. Die US-Regulierungsbehörde hat bereits die Kontrolle übernommen. Beide Institute werden - soweit notwendig - mit neuem Kapital versorgt.

sueddeutsche.de: Die US-Regierung will über den Kauf von Aktien bis zu 200 Milliarden Dollar für die Stabilisierung von Fannie und Freddie ausgeben. Am Ende zahlt wieder einmal der Steuerzahler die Zeche.

Wieland: Die Aktionäre tragen etwaige Verluste zuerst, das ist durchaus sinnvoll. Der Staat hat die Kontrolle und trägt Verluste als Letztes.

sueddeutsche.de: Trifft die staatliche Finanzspritze nicht letzten Endes auch uns? Die US-Finanzkrise ist längst zu einer weltweiten Krise geworden.

Wieland: Weder Sie noch ich zahlen in den USA Steuern. Das, was die US-Regierung macht, trifft den US-Steuerzahler. Wenn deutsche Institute allerdings in Fannie Mae und Freddie Mac investiert haben, ist es auch deren Schuld, wenn sie dadurch Verluste einfahren. Wir können nicht erwarten, dass bestimmte Institute als Erstes ausbezahlt werden. Somit müssen auch etwaige deutsche Aktionäre mögliche Verluste mittragen.

sueddeutsche.de: Was ist die positive Seite der staatlichen Rettungsaktion in Milliardenhöhe?

Wieland: Die US-Regierung nimmt eine Menge Unsicherheit aus dem Markt. Das hilft auch allen anderen Marktteilnehmern.

Lesen Sie weiter, wie lange möglicherweise die vorübergehende Zwangsverwaltung dauern könnte und welche Lehren Deutschland aus der US-Finanzkrise ziehen sollte.

sueddeutsche.de: Die US-Regierung hat gesagt, dass es sich um eine vorübergehende Zwangsverwaltung handeln soll. Wie sieht ein realistischer Zeithorizont aus?

Professor Volker Wieland unterrichtet in Frankfurt und war mehrere Jahre für die Fed tätig. (Foto: Foto: oH)

Wieland: Der Staat wird möglicherweise solange die Kontrolle behalten, bis klar ist, dass die Finanzkrise dem Ende zugeht. Zum anderen muss er sicherstellen, dass die jetzt gemachten Zusagen eingehalten werden. Die jetzige Entscheidung gibt der nächsten Regierung nach der Wahl die Möglichkeit, das endgültige Schicksal der Institute zu gestalten.

sueddeutsche.de: Ist die staatliche Zwangsverwaltung von Fannie und Freddie der letzte große Schlag innerhalb der seit gut einem Jahr dauernden Finanzkrise?

Wieland: Das zu sagen, ist zu früh. Aber 50 Prozent des US-Hypothekenmarktes und damit der Löwenanteil sind jetzt gesichert, denn beide Institute werden durch den Staat kontrolliert.

sueddeutsche.de: Mehrere kleinere US-Banken sind in den vergangenen Wochen pleitegegangen. Sind die Amerikaner im Vergleich zu den Deutschen skrupelloser?

Wieland: In Deutschland ist keine Bank in der Weise in Gefahr geraten wie in den USA. Bei der IKB hatten wir einen anderen Fall, das war eine verfehlte Politik des IKB-Managements, dass die Eigentümer der IKB, zu denen ja vor allem die staatliche KfW gehört, möglicherweise nicht ausreichend überwacht haben. Auch bei den Landesbanken hat die Politik entschieden, den öffentlichen Sektor die Verluste tragen zu lassen.

sueddeutsche.de: Welche Konsequenzen müssten in Deutschland aus der Finanzkrise gezogen werden?

Wieland: Wir müssen uns fragen, ob wir weiterhin so einen großen öffentlichen Sektor wollen, und prüfen, ob das Geschäftsmodell der jeweiligen Landesbank wirklich tragfähig ist.

sueddeutsche.de: Die US-Finanzkrise hat auch private deutsche Institute ins Schlingern gebracht.

Wieland: Aber die Schwierigkeiten waren nicht so groß, dass man sie retten musste. Private Institute mussten zwar abschreiben, aber das hat nicht den Steuerzahler getroffen. Ein positiver Nebeneffekt der Krise ist ein Anstoß zur Konsolidierung der deutschen Bankenlandschaft.

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