Falschberatung bei Medienfonds:VIP-Anleger müssen sich beeilen

Die Zeit wird knapp: Klagen wegen Falschberatung bei Medienfonds verjähren zum Jahresende. Doch aktuelle Urteile gegen die Commerzbank lässt Sparer hoffen.

M. Zydra

Prognosen sind immer ein Wagnis, doch glaubt man Rechtsanwälten, die schon lange im Anlegerschutz tätig sind, dann stehen die Klagechancen von Käufern der VIP Medienfonds mittlerweile recht gut. 11.000 Anleger sind betroffen. Sie haben 2003 und 2004 insgesamt 650 Millionen Euro in die beiden Fonds VIP3 und VIP4 gesteckt. Die Produkte wurden als Steuersparmodell mit Kapitalgarantie verkauft - beides trifft nicht zu, was Investoren durch hohe Steuernachforderungen teuer bezahlen.

Falschberatung bei Medienfonds: Andreas Schmid, Gründer des VIP Medienfonds, wurde 2007 zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Andreas Schmid, Gründer des VIP Medienfonds, wurde 2007 zu sechs Jahren Haft verurteilt.

(Foto: Foto: obs/VIP Medienfonds)

Bei der Schuldfrage haben sich viele Juristen nun auf die Commerzbank fokussiert. In den Filialen des zweitgrößten deutschen Kreditinstituts wurde das Gros der Fondsanteile vermarktet. Der Vorwurf: Angestellte der Commerzbank hätten die Kunden falsch beraten und damit zum Kauf verleitet.

In jüngsten Fall wurde dem Kläger vom Commerzbankberater damals ein Faltblatt zur Risikoeinschätzung des VIP Medienfonds gegeben. Demnach riskierte der Anleger bei einer Anlagesumme von 100.000 Euro angeblich nur rund 12.400 Euro. Das OLG München hat nachgerechnet und schrieb in ihrem Urteil, dass im ungünstigsten Fall ein Totalverlust zu befürchten war. Die Richter verurteilten die Commerzbank deshalb zu 33.000 Euro Schadenersatz (Aktenzeichen: 5 U 4018/07).

Viele Vergleiche

Beratungsfehler verjähren drei Jahre nach Kenntnis, und die Zeit wird knapp. Die Commerzbank hatte jahrelang auf den Verjährungseinwand bei VIP Medienfonds verzichtet. Doch damit ist nun Schluss, weil man davon ausgehe, dass die Bank ihren Verpflichtungen nachgekommen sei, so ein Sprecher. "Die VIP-Anleger können das Institut noch bis 31.Dezember 2008 verklagen", sagt Rechtsanwalt Dietmar Kälberer, der das jüngste OLG-Urteil erstritten hat.

Der Fall VIP Medienfonds hat viele Facetten. Fonds-Gründer Andreas Schmid wurde 2007 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er kam aber gegen eine Kaution von vier Millionen Euro frei. Sein Fall liegt zur Revision beim Bundesgerichtshof.

Derweil fordern die Finanzämter von der VIP-Anlegern Steuerschulden in Höhe von 270 Millionen Euro ein. Das Finanzamt MünchenII hat Anfang 2007 die steuerlichen Grundlagenbescheide gegenüber dem VIP Medienfonds 4 und den Vorgänger VIP 3 geändert. Der Status als Steuersparmodell war fortan passé, da für Verlustanrechnung die unternehmerische Zielsetzung des Fonds fehlte. Der Grund: 80 Prozent der Gelder flossen damals nicht in die Filmproduktion sondern in die Absicherung der Schuldübernahmen von Dresdner Bank und der HypoVereinsbank. Auch gegen diese beide Banken laufen Klagen.

VIP-Anleger müssen sich beeilen

Die Rechtsprechung zu VIP divergiert, je nach Kammer. Die relevanten Urteile des Bundesgerichtshof zur Beraterhaftung sind noch nicht sehr alt. Anleger brauchen gerade deshalb einen erfahrenen Rechtsanwalt, der die Argumentationskette richtig aufbaut.

"Oftmals versuchen Banken bei einer drohenden Verurteilung durch Vergleichsangebote mit Stillschweigensklauseln negative Musterurteile zu verhindern. Wir müssen im Interesse des Mandanten bei hohen Vergleichsangeboten zuraten," sagt Rechtsanwalt Kälberer. "Auf ein gewonnenes Verfahren kommen oft Dutzende von verglichenen Verfahren", so Kälberer. Auch andere Anwälte bestätigen diese Taktik.

Hoher Vertriebsdruck

Eine Falschberatung seitens der Commerzbank lässt sich auch über das Verschweigen von Kickbacks beweisen. Kickbacks sind Zahlungen an die beratende Bank von der Fondsfirma, als Gratifikation für den Verkauf. Das muss nach aktueller Rechtsprechung dem Kunden mitgeteilt werden.

"Die Commerzbank argumentiert, dass die Kickbacks nicht offengelegt werden mussten, weil es sich bei VIP um eine Vermittlung und keine Beratung gehandelt habe", sagt Rechtsanwalt Jens Graf, der viele Prozesse gewonnen hat. Allerdings wirbt die Commerzbank mit dem Slogan "Besser beraten mit der TÜV-geprüften Fondsauswahl". Man sei im Kundengeschäft eben in unterschiedlichen Rollen unterwegs, kommentiert ein Banksprecher.

Gegen eine Vermittlung könnte folgender Aufruf sprechen: "Machen Sie VIP Medienfonds3 zum Mittelpunkt ihrer Vertriebsgespräche", heißt es in einem internen Schreiben an Commerzbankfilialen, das der SZ vorliegt. "Vertriebsaktivität setzt eine Beratung voraus", so Graf.

In einem Verfahren vor dem LG München (Az. 28 O 11023/07) sagte ein ehemaliger Berater aus, dass der Vertriebsdruck für den VIP Medienfonds hoch war. "Wenn es schlecht lief, hat der Vorgesetzte gefragt, ob man immer noch nicht begriffen hatte, wie gut das Produkt sei", so der Zeuge in dem Prozess, den die Commerzbank verloren hat.

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