Ex-Finanzminister Theo Waigel:Der Stolz des Vaters

Werden tatsächlich schon wieder D-Mark-Noten gedruckt? Ex-Finanzminister Waigel wird mit kuriosen Gerüchten konfrontiert. Aber der Namensgeber für den Euro strotzt vor Zuversicht.

Ulrich Schäfer

Es war im Stadion des FC Augsburg. Gemeinsam mit seinem Sohn und dessen Freunden stand Theo Waigel am vergangenen Sonntag im gegnerischen Fanblock, inmitten von Anhängern des FC Nürnberg. 0:2 lagen die Augsburger kurz vor Abpfiff hinten, der Traum von der Fußball-Bundesliga war ausgeträumt, als die Nürnberger Fans den Mann erkannten, der den Deutschen einst den Euro gebracht hat.

Theo Waigel, Foto: Getty

Es gibt "keinen Weg zurück in eine vermeintlich heile Welt der achtziger Jahre", erklärt der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel.

(Foto: Foto: Getty)

"Seien wir mal ehrlich, wir sind schließlich beim Fußball", fragt ihn einer der Nürnberger Fans: "Stimmt es, dass an diesem Wochenende die D-Mark wieder eingeführt wird?" Waigel konterte: "So sicher wie Nürnberg dieses Spiel gewinnt, so sicher wird die D-Mark nicht wieder eingeführt."

Der ehemalige Bundesfinanzminister bekommt solche Geschichten in diesen Tagen immer wieder zu hören. Im Volk, das spürt er, wächst die Angst um das eigene Geld.

Vor ein paar Tagen drückte ihm eine ältere Dame ein Pamphlet in die Hand, das behauptete, bei Giesecke & Devrient, der Notenpresse im Münchner Osten, würden bereits bündelweise D-Mark gedruckt. Das lasse sich, so die krude Begründung, daran ablesen, dass derzeit besonders viele Geldtransporter das Firmengelände verließen.

Die Krise im milderen Licht

Waigel nimmt solche falschen Gerüchte mit der Gelassenheit eines Vaters zu Kenntnis, der stolz ist auf sein Kind. Wie kein anderer deutscher Politiker ist Waigel in der Lage, die historischen Geschichten rund um die gemeinsame Währung zu erzählen.

Bei jeder Gelegenheit versucht er derzeit, die jetzige Krise dadurch in ein anderes, milderes Licht zu rücken. Der Mann, der dem Euro den Namen gab, verbreitet eine eindeutige Botschaft: Die Staaten Europas haben schon andere Währungskrisen durchlitten; sie werden auch diese überstehen.

Auch andere Nationen fürchteten den Absturz

Und so vergleicht Waigel auch an diesem Abend in der Hanns-Seidel-Stiftung in München die Ereignisse des Jahres 2010 mit denen von 1992. Damals attackierten einige Hedgefonds das britische Pfund, die Briten mussten daraufhin das Europäische Währungssystem EWS, den Verbund fester Wechselkurse mit D-Mark, Lira oder Franc, verlassen. Sie waren pleite.

Auch andere Nationen fürchteten damals den Absturz, und so pumpte die Bundesbank - unbemerkt von der Öffentlichkeit - einer anderen europäischen Notenbank 95 Milliarden D-Mark, um die Spekulanten abzuwehren. Welche Notenbank das war, mag Waigel auch heute nicht verraten. Nur soviel: "Wir haben das Geld bis auf den letzten Pfennig zurückbekommen."

Ein Jahr später sei das EWS erneut unter Druck geraten, erzählt Waigel kurz darauf, und da habe der französische Finanzminister den Deutschen sogar mehr oder weniger deutlich nahegelegt, mit ihrer harten D-Mark den Währungsverbund zu verlassen - eine Lösung, die sich manch einer jetzt auch für Griechenland gewünscht hätte.

Aber dann sagte er "Non!"

Die Franzosen wollten mit ihrem Franc damals offenbar die geldpolitische Führung in Europa übernehmen. Ein Ansinnen, das Waigel rundweg ablehnte. Überhaupt die Franzosen. Mit ihnen war es in Geldfragen nie leicht.

So zeigte sich die Regierung in Paris wenig begeistert, als die Deutschen auf dem EG-Gipfel im Dezember 1996 in Dublin den Stabilitätspakt präsentierten. Ein Regelwerk, das die Mitglieder der Euro-Zone zu haushaltspolitischer Disziplin zwingen sollte.

Stundenlang verhandelte der deutsche Finanzminister mit seinem französischen Kollegen Jean Arthuis. Am Ende war Waigel überzeugt, ihn für den Pakt gewonnen zu haben. Aber dann sagte der Franzose "Non!".

"Mon ami, Sie habe ich gar nicht gemeint."

Waigel war konsterniert. Arthuis erklärte ihm halb entschuldigend, er müsse erst die Rede von Präsident Jacques Chirac abwarten. Der aber schimpfte über "ein Werk deutscher Technokraten". Technokrat - dieser Vorwurf erzürnte wiederum Waigel.

Theo Waigel, Jacques Chirac, Foto: dpa

Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel (rechts) mit dem damaligen französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac (links) beim EG-Gipfel in Dublin im Dezember 1996. In der Mitte: Der frühere Kanzlerberater Joachim Bitterlich.

(Foto: Foto: dpa)

So dürfe man mit einem deutschen Finanzminister nicht umspringen, ließ er Kanzler Helmut Kohl wissen, der sich bei Chirac über den rüden Ton beschwerte. Der Präsident gab sich charmant und rief Waigel zu: "Mon ami, Sie habe ich gar nicht gemeint." "Wen aber dann?", wollte Waigel wissen.

Ohne den Euro wäre es schlimmer gekommen

Wenn er es, entgegnete der Präsident, niemandem verrate: Er habe Jean-Claude Trichet gemeint. Der heutige Präsident der Europäischen Zentralbank leitete damals die französische Nationalbank. Trichet war, so muss man Waigels Erzählungen deuten, die Haushaltsdisziplin in Europa damals noch wichtiger als dem deutschen Finanzminister.

Auf den Stabilitätspakt lässt Waigel nichts kommen. Ohne dessen strenge Kriterien, da ist er überzeugt, wären die Schulden der meisten EU-Staaten noch viel höher. Ohne den Euro, meint er, hätte die Finanzkrise in Europa weit dramatischere Folgen gehabt.

Dann gäbe es keine europäische Währung, die dem Dollar, dem Yen oder dem Renminbi ebenbürtig wäre; die Spekulanten hätten es viel leichter gehabt. 20mal hätten die Staaten des Europäischen Währungssystems in den achtziger und neunziger Jahren ihre Wechselkurse anpassen müssten, fast jedes Mal sei die D-Mark aufgewertet worden.

Es gibt keinen Weg zurück

Dies habe den deutschen Exporteuren geschadet. "Auch die bayerischen Milchbauern haben das gespürt, weil sie einen bedeutenden Teil ihrer Milch ins Ausland verkaufen", sagt Waigel.

Von daher ist für ihn klar: Es gibt "keinen Weg zurück in eine vermeintlich heile Welt der achtziger Jahre". Nur Waigels Sohn wäre es manchmal wohl recht, wenn es einen Weg zurück gäbe in eine Welt vor dem Euro.

Vor ein paar Jahren, so Waigel, habe sein Sohn ihn mal gefragt: "Papa, bist Du der Vater des Euro?" Ja, habe er geantwortet. Worauf sein Sohn spitz angemerkt habe: "Ich möchte aber nicht sein Bruder sein."

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