Ex-AIG-Chef Maurice Greenberg:Der Krake kehrt zurück

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Er machte den US-Konzern AIG erst groß, dann trieb er ihn in den Abgrund. Nun baut Maurice Greenberg mit 84 Jahren einen AIG-Konkurrenten auf und wirbt von seinem Ex-Arbeitgeber Führungskräfte ab.

Maurice "Hank" Greenberg wirft so schnell nichts aus der Bahn. Als Fünfjähriger muss er den Tod seines Vaters verkraften, mit 17 Jahren fälscht er sein Geburtsdatum, um im Zweiten Weltkrieg kämpfen zu können. Greenberg erlebt den D-Day - die Landung der Alliierten an der französischen Normandieküste im Jahr 1944 - vor Ort mit, gehört kurze Zeit später zu den Befreiern des Konzentrationslagers Dachau, dient später noch im Korea-Krieg und baut dann 38 Jahre lang als Chef die American International Group zum weltweit größten Versicherer auf.

Schaut her, ich lebe noch: Der ehemalige AIG-Chef Maurice Greenberg hat seinen Abgang beim Versicherungskonzern gut überstanden - jetzt treibt er den Aufbau der Starr-Gruppe voran. (Foto: Foto: AP)

Wie ein Krake beherrscht Greenberg die wichtigen Schaltstellen in der US-Finanzwelt. Der Manager ist erfolgreich, gefürchtet - und bestens verdrahtet. Greenbergs Verbindungen zu Washington sind so eng, dass er bei Verhandlungen im Notfall mit Handelssanktionen der Vereinigten Staaten drohen kann.

Einer wie er lässt sich nur schwer durch die Fast-Pleite ebenjenes Konzerns und dem damit verbundenen erzwungenen Abgang erschüttern. Greenberg kommt immer wieder zurück. Auch mit 84 Jahren. Kein Alter, sagt der Manager. "Ich überlebe." Es ist nur eine Frage der Zeit.

Denn ein Standbein hat Greenberg auch nach seinem unrühmlichen Abgang bei AIG im Juni 2005 behalten - den Vorsitz bei den beiden Finanzunternehmen C.V. Starr & Co und Starr International. Und genau mit diesem Firmenkonglomerat macht Greenberg nun seinem ehemaligen Arbeitgeber das Leben schwer.

Geld - ein überzeugendes Argument

Heimlich, still und leise hat Greenberg aus C.V. Starr einen Versicherungskonzern gebaut, der mit AIG in etlichen Feldern konkurriert - und besonders in einem: der Suche nach talentiertem Personal. In der letzten Zeit hat Maurice Greenberg etliche hochkarätige Angestellte von AIG abgeworben, berichtet die New York Times. Im März machte er Charles D'Angelo, den ehemaligen Chef des weltweiten AIG-Risikomanagements, zum Chef von Starr Indemnity & Liability. Nur wenige Monate später heuerte Starr den AIG-Top-Manager Jim Vendetti an. Mit Alex Pittignano arbeitet inzwischen auch eine weitere ehemalige AIG-Führungskraft für Greenberg.

Die Starr-Gruppe wächst und wächst. Kürzlich bezog das Unternehmen drei Etagen in einem der ehemaligen Hauptgebäude von Lehman Brothers in der noblen Park Avenue von Manhattan. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Wert von dem, was er jetzt baut, höher ist als der Wert von AIG", sagt Andrew Barile, ein Berater für Versicherungs-Unternehmen.

"Greenberg baut AIG II auf und holt dafür Mitarbeiter von AIG I", sagt Douglas Love, ein US-Versicherungs-Manager. Und dafür hat Greenberg vor allem ein überzeugendes Argument: Geld. Denn anders als die staatlich gestützte AIG kann Starr Mitarbeiter auch mit hohen Gagen locken. Bei dem ehemals weltgrößten Versicherer ist das anders. Erst am Donnerstag hatte die US-Regierung bekanntgegeben, die Gehalts- und Bonuszahlungen an Spitzenmanager von Krisenunternehmen künftig begrenzen zu wollen.

Demnach müssen die 175 bestbezahlten Manager der sieben Unternehmen, welche die höchsten Staatshilfen in Anspruch genommen haben, mit Einbußen von 50 Prozent rechnen. Betroffen sind unter anderem offenbar Manager der Bank of America, von Citigroup, General Motors, Chrysler - und eben AIG.

Inzwischen erkennt jedoch selbst das amerikanische Finanzministerium, das ein zu harter Kurs gegen die Top-Verdiener kontraproduktiv sein könnte. Kenneth Feinberg, der "Gehälter-Zar" der US-Regierung, fürchtet, zu harte Gehälter-Vorgaben könnten den Krisenfirmen am Ende schaden, weil talentierte Manager das Weite suchen könnten. Feinberg habe sich daher um den Fall AIG speziell gekümmert, sagte ein Sprecher der Behörde der New York Times.

Jetzt wurde bekannt: Am Freitag hat AIG vier Millionen Dollar an vier Führungskräfte ausgeschüttet - darunter Finanzvorstand David Herzog, der mit einer Million Dollar bedacht wurde. Eine weitere Gruppe von Mitarbeitern habe zusammen 8,1 Million Dollar erhalten.

"Keine Verantwortung"

Und dennoch: Die lukrativen Angebote des ehemaligen AIG-Patriarchen locken. In den USA herrscht Argwohn über die Aktivitäten Greenbergs. Zwar liebt die Nation Geschichten von Unternehmern, die Rückschläge wegstecken und ein Comeback schaffen - im Fall von Greenberg ist das jedoch anders. Zu nahe sind noch die Auftritte des Patriarchen, zu laut klingen seine Aussagen noch in den Ohren der Nation. Er übernehme "keine Verantwortung" für den Kollaps von AIG, sagte Greenberg dereinst. Das Geschäftsmodell sei auch nicht gescheitert. "Das Management ist gescheitert. Ich glaube, sie sind gierig geworden und haben sehr viel mehr CDS ausgeschrieben, als sie hätten tun sollen."

Und was sagt Greenberg zu den jüngsten Vorwürfen gegen seine Person? Nicht viel. "Mr. Greenberg baute AIG auf und möchte, dass der Konzern Erfolg hat", ließ der Patriarch seinen Anwalt Lee Wolosky über die New York Times ausrichten. C.V. Starr würde in der Tat ehemalige AIG-Angestellte beschäftigen, jedoch weitaus weniger als andere Versicherungskonzerne, die mit dem staatlich gestützten Giganten konkurrierten.

In der Tat dürfte Greenberg an einem geschäftlichen Erfolg von AIG viel gelegen sein. Nach dem amerikanischen Staat ist der ehemalige Chef noch immer der größte Anteilseigner des Versicherers.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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