Europa: Staaten in Finanznot:Das Paradies der Kapitalanleger

Die Beteiligung privater Gläubiger an den Kosten einer Krise ist richtig, löst das Problem aber nicht. Die Euro-Staaten müssen endlich lernen, mit dem Geld auszukommen, das sie einnehmen.

Claus Hulverscheidt

Wer allein in Kategorien wie Sieg oder Niederlage denkt, könnte Angela Merkel für die Verliererin der EU-Finanzminister-Runde vom Wochenende halten. Schon frühzeitig hatte die Bundeskanzlerin landauf, landab die frohe Botschaft verkündet, dass bei künftigen Schuldenkrisen in Euro-Land nicht mehr allein die Steuerzahler haften müssen, sondern zuvorderst die bösen Spekulanten. Nun kommt es ein wenig anders: Zwar sollen private Gläubiger generell einen Teil der Krisenkosten bezahlen - aber nur "von Fall zu Fall" und erst, wenn das betreffende Euro-Land finanziell gesehen wirklich am Ende ist. Da ist Skepsis angebracht, ob es jemals zu einer Haftung von Banken, Versicherungen und Investmentfonds kommen wird.

Europa: Staaten in Finanznot: Kippt nach Irland demnächst Portugal? Das Foto zeigt den Schriftzug für eine Wechselstube in Lissabon.

Kippt nach Irland demnächst Portugal? Das Foto zeigt den Schriftzug für eine Wechselstube in Lissabon.

(Foto: AP)

Dennoch muten Schlagzeilen, Merkel und ihr Mitstreiter Nicolas Sarkozy seien "eingeknickt" und hätten nur eine "Gläubigerbeteiligung light" durchsetzen können, ein wenig verwunderlich an. Zum einen hätte es ohne die beiden überhaupt keine Einbeziehung der Banken gegeben. Und zum anderen zielte die Kritik vieler Kommentatoren ja ursprünglich in die genau entgegengesetzte Richtung: Von einem deutsch-französischen Diktat war da die Rede, das die Finanzmärkte verunsichere, die ärmeren Euro-Länder damit noch tiefer ins Unglück stürze und die eigentlich zuständige EU-Kommission desavouiere. Die Frage hingegen, ob die Vorschläge denn inhaltlich vernünftig sind oder nicht, spielte in der öffentlichen Debatte bislang kaum eine Rolle. Dabei ist diese Kategorie - bei aller Bedeutung, die Stilfragen auf der internationalen Bühne zweifellos zukommen - die einzig entscheidende.

Mit der Einführung des Euro haben die beteiligten EU-Staaten ihr Schicksal unauflöslich miteinander verwoben. Früher etwa hätte Deutschland bei einer Pleite Irlands nur einen unbedeutenden Absatzmarkt verloren. Heute hingegen sind nicht nur die Menschen in Dublin, sondern auch die Bürger von Berlin betroffen, denn sie alle zahlen mit der gleichen Währung. Das bedeutet, dass die Bundesregierung aus purem Eigeninteresse dazu gezwungen ist, den Iren zur Seite zu springen - aus Sicht des Kapitalanlegers ein paradiesischer Zustand: Er kann einerseits von Irland hohe Zinsen verlangen, sich zugleich aber darauf verlassen, dass er sein Geld am Ende zurückbekommt. Anders ausgedrückt: hohe Rendite bei null Risiko - ein perverser Mechanismus, der die Gesetze der Marktwirtschaft außer Kraft setzt.

Es ist also nicht nur recht und billig, sondern ökonomisch zwingend geboten, dass die Investoren künftig auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen, wenn die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank ein Land für zahlungsunfähig erklären. Dazu ist allerdings eine Einzelfallprüfung notwendig, wie die völlig unterschiedlich gelagerten Fälle Irland und Griechenland gezeigt haben. Eine sofortige, zwangsweise Beteiligung der Finanzhäuser, wie sie die Bundesregierung auch ins Spiel gebracht hatte, wäre hingegen zwar populär, zugleich aber unangemessen und auch gefährlich. Unangemessen, weil die "Spekulanten" zwar Nutznießer, nicht aber Verursacher der Schuldenmisere sind. Und gefährlich, weil die meisten Regierungen bei einem Rückzug der privaten Investoren aus dem Geschäft mit Staatsanleihen umgehend zahlungsunfähig wären. Sie nämlich sind es, die sich durch ihre jahrzehntelange Verschuldungspolitik erst angreifbar gemacht haben: Allein die Bundesregierung muss sich im kommenden Jahr mehr als 200 Milliarden Euro auf den Märkten beschaffen.

Insofern ist es richtig, dafür zu sorgen, dass auch und gerade im Finanzgeschäft das Prinzip erhalten bleibt, wonach analog zur Rendite stets das Ausfallrisiko steigt. Wirklich beseitigen aber können die Euro-Staaten die Misere nur selber: Indem sie endlich lernen, mit dem Geld auszukommen, das sie einnehmen.

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