Europas größte Mitfahrzentrale:Volle Karre

Teures Benzin und Umweltbewusstsein machen die alte Idee der Mitfahrzentrale attraktiver - nicht nur für Studenten. Wie die Firma hinter mitfahrgelegenheit.de von München aus die Welt erobern will.

Thomas Fromm

Europas größte Mitfahrzentrale liegt versteckt in einem Hinterhof in München: langer Flur, Parkettfußböden, erbsengrüne Stoffsessel, Altbau-Loft-Ambiente. So sieht es in Start-ups aus, junge Firmen mit jungen Menschen, die irgendwas mit Internet machen. Dabei ist das Unternehmen Carpooling.com kein Start-up mehr. Dafür ist die Firma, die vor mehr als zehn Jahren gegründet wurde, inzwischen zu groß. Über Umsatz und Ergebnis wollen die Macher der Internet-Plattform nicht reden. Nur so viel: Man ist mit seinen Angeboten wie www.mitfahrgelegenheit.de längst Marktführer in Europa. Weil immer mehr Menschen keine Lust mehr haben, mit leeren Autos von A nach B zu fahren. Und deshalb Mitfahrer suchen.

Opel GT

Ein Opel GT in voller Fahrt. Wer hier in den 1970ern mitfuhr, hat sich sicherlich nicht im Internet verabredet.

(Foto: dpa)

40 Mitarbeiter in München genügen für das simple Geschäftsmodell. 40 Mitarbeiter, von denen nur einige Deutsche sind. Carpooling.com kommt aus München, ist aber international. Über Internet-Plattformen bringen die Macher von Carpooling Menschen für gemeinsame Autofahrten zusammen. Die, die ein Auto besitzen, Plätze frei haben und sich gerne das Spritgeld teilen wollen. Und die anderen, die kein eigenes Auto haben und eine Mitfahrgelegenheit suchen.

Die Idee der Mitfahrzentralen ist Jahrzehnte alt. Doch in Zeiten des Internets, in denen jeder Mitfahrer nur einen Klick entfernt ist, selbst das Handy zur Reisebörse geworden ist, haben sich die Dimensionen enorm erweitert: 45 Länder, 5000 Städte und täglich im Schnitt an die 650.000 Fahrt-Angebote. Das Unternehmen Carpooling.com profitiert von steigender Mobilität, steigenden Benzinpreisen und steigendem Umweltbewusstsein. Das Geschäft wächst rasant, das Unternehmen plant daher die nächsten großen Sprünge. "Wir wollen in der nächsten Zeit international kräftig expandieren", sagt Geschäftsführer Markus Barnikel. Schon in der zweiten Jahreshälfte werde man Aktivitäten in den USA aufnehmen; derzeit bereitet ein Mitarbeiter dort den Markteinstieg vor. "Im nächsten Jahr wollen wir dann Asien und Südamerika erobern."

Anders als früher, als weder Fahrer noch Mitreisender wussten, auf wen sie sich da bei einer langen Reise einlassen, wird heute alles im Vorfeld geklärt. Online, versteht sich. Das Auto, die Reisebegleitung, der Preis. Keine unangenehmen Überraschungen während der Fahrt. "Das macht es für viele Kunden leichter, eine Mitfahrgelegenheit zu buchen", sagt Barnikel. Die Zeiten, in denen vor allem Studenten solche Angebote nutzten, sind längst vorbei. Selbst Manager sind unter den Kunden, sie suchen möglichst komfortable Autos mit viel Platz und Arbeitsmöglichkeit für das Laptop. "Einige Leute wollen lieber auf dem breiten Rücksitz eines 7er BMW fahren als vorne in einem Kleinwagen", sagt Barnikel. "Das können wir ihnen vermitteln - und es kostet natürlich etwas mehr als die Golf-Klasse."

3,7 Millionen registrierte Fahrer hat das Unternehmen derzeit. Wer einen Platz im Auto anbietet, überweist Carpooling.com fünf Prozent seiner Einnahmen. Dies ist nur eine Geldquelle. Die Münchner verdienen ihr Geld auch damit, dass sie mit Partnern wie dem ADAC, der Deutschen Bahn, Air Berlin und Autovermietern zusammenarbeiten. Seit etwa einem Jahr. Und: Sie bieten Unternehmen betriebsinterne Mitfahrzentralen an.

So hat Carpooling.com beispielsweise für den Energiekonzern Eon eine Plattform gebastelt, die vor einem Jahr freigeschaltet wurde. Mitarbeiter können dort für Dienstfahrten zwischen den einzelnen Standorten nach Mitfahrern suchen - und umgekehrt. Das soll die eigene Flotte von etwa 5500 Fahrzeugen ergänzen. Aber auch Berufspendler sollen hier Fahrgemeinschaften gründen. Das Angebot werde gut genutzt, heißt es bei Eon. Monatlich kommen etwa 20 neue Anmeldungen hinzu - und zwar von Mitarbeitern aller Hierarchie-Ebenen.

Auch Carpooling.com selbst hält stets Ausschau: "Wir sind immer auf der Suche nach strategischen Partnerschaften", betont Barnikel. Zurzeit ist das Unternehmen in festen Händen: Dem Investor Earlybird gehören 45 Prozent, der Rest liegt bei den drei Firmengründern. Ob dies so bleibt, ist offen. "Ein Börsengang ist eine Option, die wir uns offenhalten."

Linktipp: Vom Preis über den Treffpunkt bis zur Haftung - die SZ hat zusammengestellt, worauf Reisende bei Mitfahrgelegenheiten achten sollten.

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