Europa in der Krise:Gut überwachte Transferunion

Die EU will die Mitgliedsstaaten künftig scharf überwachen. IWF-Chef Strauss-Kahn regt unterdessen "Steuertransfers" zwischen den EU-Ländern an. Eine Region könne so eine andere unterstützen.

Die EU versucht, aus Schaden klug zu werden. Nach dem Scheitern der Währungsunion in der bisherigen Form sollen die EU-Mitgliedsstaaten künftig stärker überwacht werden.

Euro, dpa

"Was man benötigt ist eine stärkere Überwachung sowie Instrumente, um Transfers von einem Teil der Zone in andere Teile zu organisieren" - sagt IWF-Chef Strauss-Kahn.

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Konkret will die Kommission schon von Anfang 2011 an im Rahmen eines "Europäischen Semesters" noch vor Verabschiedung über die nationalen Budgets informiert werden, berichtet die Tageszeitung Die Welt unter Berufung auf einen Gesetzesplan.

EU-Kommission und der Europäische Rat würden damit in die Lage versetzt, zu einem frühen Zeitpunkt die "wirtschaftlichen Herausforderungen für die EU und für die Eurozone zu identifizieren". Bisher informierten die EU-Staaten Brüssel erst nach Verabschiedung des Haushalts.

"Durch die Einrichtung eines Europäischen Semesters für die wirtschaftspolitische Koordination würden die Mitgliedsstaaten bei einer frühzeitigen Absprache auf europäischer Ebene profitieren", zitiert die Zeitung aus dem Entwurf. Zugleich soll die Eurogruppe über nationale Haushalte im Vorfeld beraten und damit eine "ausschlaggebende Rolle im neuen System erweiterter Koordination" spielen.

Transfers organisieren

Zugleich hat IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn ein System grenzüberschreitender Haushaltskoordinierung in den Euro-Ländern vorgeschlagen.

In einem Interview der Financial Times regte er auch kurzfristige Steuertransfers zwischen den Euro-Staaten an, um künftig Finanzkrisen zu vermeiden.

"Was man benötigt ist eine stärkere Überwachung sowie Instrumente, um Transfers von einem Teil der Zone in andere Teile zu organisieren", sagte Strauss-Kahn.

Außerdem müsse die wirtschaftliche Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten verbessert werden, um die Bildung großer Ungleichgewichte innerhalb des Systems zu vermeiden.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, hat unterdessen Inflationsängste wegen des Rettungspakets von EU und IWF zur Stützung des Euro als unbegründet zurückgewiesen. "All das Geld, all die Liquidität, die wir dadurch in die Märkte hineinbringen, ziehen wir auch wieder ab", versicherte Trichet.

Insgesamt werde sich deshalb die im Umlauf befindliche Geldmenge nicht ändern. Trichet verteidigte die Entscheidung der EZB, Staatsanleihen der Euro-Länder zu kaufen.

Rettungspaket gegen EZB-Chefposten

Es sei nicht darum gegangen, die Aktienmärkte zu beeinflussen, sondern darum, die normale Funktion der europäischen Währungspolitik sicherzustellen. Die Krise in Griechenland hatte in der Euro-Zone die Angst vor einer Ansteckung anderer Länder mit Haushaltsproblemen geschürt.

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Rettungspaket gegen EZB-Chefposten

Da ein Notfallpaket für Athen die Euro-Zone nicht beruhigen konnte, hatten die EU-Länder und der IWF in der Nacht auf Montag einen weiteren Notfallplan zur Sicherung der europäischen Gemeinschaftswährung beschlossen.

Der Rettungsschirm sieht Kredite über bis zu 750 Milliarden Dollar als mögliche Hilfen für angeschlagene Euro-Länder vor, Deutschland beteiligt sich mit mindestens 123 Milliarden Euro.

Gleichzeitig griff die EZB zu einem bislang verpönten Mittel: Erstmals seit Gründung der EZB kauften europäische Notenbanken am Montag europäische Staatsanleihen, um massiven Spekulationen gegen die europäische Gemeinschaftswährung vorzubeugen.

Die Bundesregierung hat einem Zeitungsbericht zufolge im Gegenzug zu ihrer Zustimmung zum milliardenschweren Rettungspaket für den Euro den Chefposten bei der Europäischen Zentralbank (EZB) gefordert.

Die deutschen Vertreter hätten bei den Verhandlungen in der Nacht zu Montag darauf gedrängt, dass Bundesbankpräsident Axel Weber die Nachfolge von EZB-Chef Jean-Claude Trichet antritt, berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Regierungskreise.

Nach Angaben des Handelsblatts schaltete sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Verhandlungen ein - mit Erfolg. "Mehrere Euro-Länder haben dem Wunsch der Bundesregierung zugestimmt", zitierte die Zeitung einen Regierungsvertreter.

Die Amtszeit Trichets endet im Oktober 2011. Die Bundesregierung drängt seit längerem auf Weber als Nachfolger. Ihm macht bislang unter anderem der italienisch Zentralbank-Gouverneur Mario Draghi Konkurrenz.

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