Eurokrise:Warten auf den griechischen Knall

Wie schlimm steht es um Griechenland? Eine Aussage von Euro-Gruppen-Chef Juncker dürfte ein Hinweis darauf sein, dass die internationalen Prüfer mit den hellenischen Sparbemühungen unzufrieden sind. Jetzt ist auch noch der wichtige Krisengipfel in Athen geplatzt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Johannes Aumüller und Bastian Brinkmann

Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker gilt als Mann der eindeutigen Worte, doch am Donnerstag hat er mit einem verschwurbelten Satz für ziemliche Aufregung gesorgt. "Wenn die Europäer zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Auszahlung vom IWF am 29. Juni nicht operativ gestaltet werden kann, ist die Erwartung des IWF, dass dann die Europäer an die Stelle des IWF treten müssen und den Ausfall des IWF-Finanzierungsanteils auf ihre Kappe nehmen", sagte Juncker.

Eurokrise: Ein Blitz über der Akropolis in Athen.

Ein Blitz über der Akropolis in Athen.

(Foto: AP)

Der IWF droht also damit, die Zahlungen für Griechenland auszusetzen, die Eurostaaten müssen womöglich mit zusätzlichen Belastungen rechnen. Die Märkte reagierten sofort, der Euro gab nach - und die Finanzwelt debattiert nun Junckers Aussagen.

Dazu kommt: Der Spargipfel in Athen, der Opposition und Regierung am Freitag zusammenbringen sollte, ist gescheitert. Doch nur bei einem überparteilichen Konsens will die EU zusätzliche Hilfszusagen für das kommende Jahr machen - und der IWF würde seine für Juni geplante Kredittranche über 3,3 Milliarden Euro zurückhalten. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wieso droht der IWF, die Zahlungen auszusetzen?

Seit Wochen gibt es zwischen den Vertretern des Internationalen Währungsfonds (IWF), den Politikern der Euro-Zone und der Europäischen Zentralbank einen heftigen Streit über den Umgang mit Griechenland. Haircut, sanfte Umschuldung und Reprofiling heißen die Varianten derer, die sich in irgendeiner Form für eine Schuldenreduzierung des Mittelmeerstaates starkmachen; auf mehr Privatisierungen und größere Sparanstrengungen drängen die Gegner eines solchen Schrittes. Der IWF sieht das Geld seiner 187 Mitgliedsländer in Gefahr. Er sorgt sich um die mittelfristige Finanzierung Griechenlands. Seine Statuten sehen vor, dass die Finanzierung eines Landes für die nächsten zwölf Monate gesichert sein muss. "Wir leihen nie Geld, solange wir nicht sicher sind, dass es keine Lücke geben wird", sagte eine Sprecherin.

Wie ist die Zahlung überhaupt geregelt?

Die Gesamtsumme für den griechischen Rettungsschirm beträgt 110 Milliarden Euro. Rund zwei Drittel davon entfallen auf die Euro-Zone beziehungsweise die Europäischen Unio, ein Drittel auf den Internationalen Währungsfonds. Allerdings erhalten die Griechen die komplette Summe nicht auf einen Schlag, sondern in Tranchen. Die nächste Tranche über zwölf Milliarden Euro ist für Ende Juni geplant. Das Geld gibt es allerdings nur, wenn das Land Fortschritte macht. Seit dem 10. Mai prüft eine Kommission der sogenannten Troika (EZB, IWF, EU-Kommission), ob es zu diesen auch kommt.

Dürfen auch die Mitglieder der Euro-Zone die Zahlung verweigern?

Theoretisch natürlich, wenn die Kommission bei ihrer Untersuchung zu dem Schluss kommt, dass die griechischen Sparbemühungen unzureichend sind. Doch was in einem solchen Fall mit Griechenland passieren würde und welche Folgen das für die Euro-Zone hätte, ist kaum kalkulierbar.

Welche Auswirkungen haben die IWF-Drohung und die Juncker-Aussage auf die Diskussionen um eine Umschuldung?

Für kommende Woche wird der Abschlussbericht der Kommission erwartet. Die Aussage von Juncker ist ein deutliches Signal darauf, dass der Bericht schlecht ausfallen dürfte. Noch ist unklar, wie sich die Lage konkret entwickelt. Die Zusage der deutschen Kanzlerin an die Hilfspakete beispielsweise war stets an die IWF-Zahlungen gekoppelt. Aber klar ist: Die Diskussion gewinnt dann noch einmal an Fahrt, die Kritiker des Rettungsschirmes dürften an Selbstvertrauen und Zustimmung gewinnen.

Wie schlimm ist die wirtschaftliche Lage Griechenlands?

Einerseits hat Griechenland einen akuten Refinanzierungsbedarf von 13,4 Milliarden Euro und insgesamt rund 340 Milliarden Euro Schulden. Seit Jahrzehnten lebt das Land über seine Verhältnisse und weist nur deutlich negative Leistungsbilanzen auf.

Krisentreffen in Athen platzt offenbar

Griechenland macht allerdings schon erhebliche Sparfortschritte, urteilt zumindest die OECD. Demnach drückte das südeuropäische Land sein um konjunkturelle Einflüsse bereinigtes Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr um 7,5 Punkte auf noch 6,5 Prozent der Wirtschaftsleistung: "Diese Defizitreduktion ist enorm. Kein OECD-Land hat in den letzten 25 Jahren sein strukturelles Defizit binnen eines Jahres so stark gesenkt", sagte der Chef-Ökonom der OECD.

Wie groß sind die Sparanstrengungen Griechenlands?

Griechenland gibt sich durchaus Mühe, zu sparen. Das Renteneintrittsalter wurde auf 65 Jahre erhöht, die Mehrwertsteuer stieg von 19 auf 23 Prozent, für Beamten gilt ein Einstellungsstopp, außerdem mussten diese auf ihr 13. und 14. Monatsgehalt verzichten.

Zuletzt gab die Regierung ein neues, sechs Milliarden Euro schweres Sparpaket bekannt. Strittig ist aber vor allem der Punkt, wie Griechenland mit seinem Staatsbesitz umgeht. Angeblich verfügt es über Immobilien-Reserven in Höhe von 280 Milliarden Euro. Erst zu Wochenbeginn verkündete das Land nach langem Zögern eine Reihe an Privatisierungen: Staatsunternehmen, Immobilien, die großen Häfen und Flughäfen sollen rund 50 Milliarden Euro einbringen, nur die Inseln sind tabu.

Wie reagiert die griechische Politik?

Am Freitag kam es in Griechenland zu einem großen Krisentreffen, zu dem Staatspräsident Karolos Papoulias eingeladen hatte. Das Ziel: Er wollte überparteilichen Konsens über das neue Sparpaket herstellen. Doch die Gespräche verliefen erfolglos: Die Regierung und die Opposition haben sich nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen können - das sagte der Chef der kleinen Rechtspartei LAOS, Giorgos Karatzaferis, am Freitagnachmittag in einem Fernsehinterview. Auch die Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Alekas Papariga, kritisierte eine Erpressung seitens der Regierung und der Kreditgeber, um die Unterstützung der Griechen für ihren Plan zur Sanierung zu erhalten.

Die Opposition wirft der Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou vor, sie würge mit ihren Plänen die Wirtschaft ab. Die internationalen Geldgeber haben auf ein solches Treffen gedrängt, denn sie möchte sicherstellen, dass im Falle eines Regierungswechsels Vereinbarungen nicht neu verhandelt werden müssten. In Portugal und Irland war das gelungen.

Wie ist die Kommunikationspolitik zu bewerten?

Es ist schon etwas irritierend, welchen Kurs der langjährige Vorzeige-Europäer und Vorzeige-Politiker Jean Claude Juncker eingeschlagen hat. Vor knapp drei Wochen dementierte der Euro-Gruppen-Chef Medienberichte über ein Krisentreffen wichtiger Eurostaaten, obwohl in Luxemburg schon die Teilnehmer eintrudelten. Er habe gelogen, um eine fatale Reaktion der Finanzmärkte zu vermeiden, rechtfertigte er sich später. Nun thematisiert ausgerechnet Juncker die Möglichkeit, dass der IWF seine Zahlungen aussetzen könnte - und verschreckte damit die Finanzmärkte; der Euro zum Beispiel verlor im Vergleich zum US-Dollar fast zwei Cent.

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