Eurokrise: China investiert in Krisenländern:Ein Retter mit Makel

Die Chinesen sehen in der Eurokrise eine Chance, mit relativ wenig Einsatz große Gewinne für ihre staatlichen Industriekonzerne zu erzielen. Der Einsatz sind warme Worte oder ohnehin nötige Veränderungen der Währungsreserven.

Henrik Bork, Peking

Der Weihnachtsmann aus China hat dem Euro ein Geschenk gebracht. Sein Land unterstütze "finanzielle Stabilität" in der Eurozone, sagte Vizepremier Wang Qishan kurz vor Weihnachten in Peking. China habe "konkrete Maßnahmen" unternommen, um einigen Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) bei ihrem Kampf gegen die Schuldenkrise zu helfen, so Wang. Da es derzeit nicht viele Menschen gibt, die so warm über den Euro reden, rasten Wangs Worte schneller um die Welt als der berühmte Schlitten aus Finnland.

Euro- und chinesische Yuan-Banknoten

"Kann China Santa Claus für den Euro spielen?", fragte das US-Magazin Fortune auf seiner Webseite. Bislang ist Pekings Beitrag zur Lösung europäischer Probleme zwar signifikant, aber doch sehr überschaubar.

(Foto: REUTERS)

Am Tag darauf, zwei Tage vor Heiligabend, berichtete eine portugiesische Zeitung, China wolle vier bis fünf Milliarden Euro für portugiesische Staatsanleihen ausgeben. Der Euro unterbrach daraufhin kurz seine Talfahrt gegenüber dem Dollar, und auch die Börsen reagierten positiv. "Kann China Santa Claus für den Euro spielen?", fragte das US-Magazin Fortune auf seiner Webseite.

Als Retter nur bedingt tauglich

Die Antwort ist ernüchternd. Weihnachtsgeschenk hin oder her, China taugt nur bedingt zum Retter für strauchelnde Länder wie Griechenland oder Portugal. Zwar hat Peking seit einigen Jahren mit einer Diversifizierung seiner Währungsreserven begonnen. Doch die Investitionen in europäische Anleihen seien bislang eher gering, sagen Experten. "Die Chinesen haben einen kleinen Betrag griechischer Anleihen gekauft, mehrere hundert Millionen Euro - das ist eher unbedeutend -, und vielleicht ein paar Milliarden Euro portugiesische Schuldpapiere", zitiert die Nachrichtenagentur AFP Patrick Artus, Chefvolkswirt der französischen Bank Natixis.

Auch der Bericht der portugiesischen Wirtschaftszeitung Jornal de Negocios, demzufolge China im ersten Quartal 2011 auf Auktionen oder dem sekundären Markt portugiesische Schuldscheine im Wert von vier bis fünf Milliarden Euro erstehen wolle, blieb zunächst unbestätigt. Weder Chinas Zentralbank noch die chinesische Regierung äußerten sich zu dem Bericht. Was China in Zukunft tun oder lassen wird, weiß niemand so recht. Bislang ist Pekings Beitrag zur Lösung europäischer Probleme zwar signifikant, aber doch sehr überschaubar.

Medienwirksame warme Worte

Auffallend ist jedoch, wie medienwirksam chinesische Spitzenpolitiker die Eurokrise zur Imagepflege nutzen. Ein Paradebeispiel für die schlaue Regierungs-PR lieferte Chinas Premier Wen Jiabao Anfang Oktober in Athen. Neben seinem griechischen Kollegen George Papandreou stehend, der gerade von EU-Sparpaketen und gewalttätigen Demos gebeutelt wurde, bot der Chinese viele warme Worte. "Wenn Griechenland Probleme hat, dann steht China bereit, jede mögliche Art von Hilfe zu leisten", sagte Wen Jiabao. Auch damals raste seine Ankündigung, in dieser dunklen Stunde griechische Anleihen zu kaufen, wie ein Lauffeuer durch Europas Medien.

Die Chinesen sehen in der Eurokrise eine Chance, mit relativ wenig Einsatz große Gewinne für ihre staatlichen Industriekonzerne zu erzielen. Der Einsatz sind warme Worte oder die zur Risikostreuung ohnehin nötige Diversifizierung der chinesischen Währungsreserven weg vom Dollar und hin zu mehr europäischen Titeln. Auf 2648 Billionen Dollar belaufen sich die Währungsreserven, das ist fast so viel wie das gesamte deutsche Bruttoinlandsprodukt 2009.

Chinesische Waren "Made in Greece"

Der angestrebte Gewinn Chinas ist bislang am besten in Griechenland zu studieren, wo sich Premier Wen von einer großen chinesischen Wirtschaftsdelegation begleiten ließ. China, dessen Wirtschaft noch immer stark vom Export abhängig ist, investiert seit Beginn der Eurokrise verstärkt in griechische Häfen und andere Infrastrukturprojekte und baut sich so einen eigenen Brückenkopf für den Vertrieb seiner Waren in Europa auf. Lagerhäuser, Piers und Kräne in den Häfen von Piräus, Thessaloniki und Volos, Eisenbahn-Linien, Werften und Reedereien standen auf dem griechischen Einkaufszettel von Wei Jiafu, dem Chef der staatlichen chinesischen China Ocean Shipping Company (Cosco), der seinen Premier im Oktober nach Europa begleitet hatte.

Doch die Chinesen verknüpfen ihre "Hilfe in der Not" nicht bloß an den billigen Kauf von strategischer Infrastruktur, von der übrigens auch Portugal viel zu bieten hat. Sie denken wie immer langfristig, und - wer könnte es ihnen verübeln - vorwiegend an ihren eigenen wirtschaftlichen Vorteil. So werden die Hafenprojekte in Europas Süden den Chinesen nach Einschätzung mehrerer Analysten die Möglichkeit eröffnen, einen Teil ihrer Waren mit dem Label "Made in Greece" zu vertreiben, womit sie in Europa lästige Wettbewerbshindernisse eliminieren. Vor allem aber kaufen sie sich politischen Einfluss in Europa. "Die Motivation scheint eher geopolitisch und strategisch als finanziell zu sein", urteilt Patrick Artus. Fazit: Nur wer noch an den Weihnachtsmann glaubt, darf auch von China als selbstlosem Retter des Euro träumen.

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