Euro-Länder:SOS-Paket nach Athen

Die Euro-Länder werden Griechenlands Staatspleite abwenden - auch ohne einen Währungsfonds. Im Stillen haben die Finanzminister längst ein SOS-Paket geschnürt.

Cerstin Gammelin

Ablenkungsmanöver sind gut, wenn sie funktionieren. Dass das nicht immer gelingt, ist dieser Tage in Europa zu besichtigen. Da schlägt ausgerechnet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor, einen Europäischen Währungsfonds (EWF) zu gründen, was ihm natürlich viel Aufmerksamkeit garantiert. Denn bisher argumentierte der Deutsche stets überzeugend gegen finanzielle Nothilfen unter den Euro-Ländern.

Sein Credo: Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Und in der Tat, warum sollte ein Land, das ausdauernd ausschweifender lebt als die Verhältnisse es hergeben, plötzlich diszipliniert sparen, wenn ihm Geld versprochen wird?

Aber offensichtlich geht es Schäuble gar nicht darum, einen europäischen Schuldenverwaltungstopf zu schaffen, denn nichts anderes wäre der EWF. Um den hellenischen Fall zu lösen, käme er ohnehin viel zu spät. Schon deshalb, weil zu dessen Gründung die europäischen Verträge geändert werden müssten, was angesichts der jüngsten Erfahrungen mit Volksabstimmungen und Verfassungsgerichtsurteilen schlicht aussichtslos ist.

Davon abgesehen, sind sich die Europäer keineswegs einig, einem solchen Topf zuzustimmen, auch wegen der von Schäuble vorgeschlagenen strikten Sanktionen, die im Rauswurf säumiger Schuldner aus der Eurozone gipfeln.

Der EWF-Vorschlag soll nur von einem drohenden Fiasko ablenken. Denn während die Politiker öffentlich Argumente für und gegen den virtuellen Topf austauschen, haben die Finanzminister der 16 Euro-Länder ganz im Stillen ein handfestes SOS-Paket für Griechenland geschnürt. Sie wollen dem schlimmsten anzunehmenden Fall - eine Staatspleite der Hellenen - mit zwischenstaatlichen Krediten und Garantien vorbeugen. An diesem Montag werden sie sich in Brüssel treffen und letzte Details abstimmen.

Offiziell will das freilich keiner der Mitwirkenden bestätigen. Stoisch verweisen sie darauf, dass es der Regierung in Athen in den vergangenen Monaten ja stets gelang, Geld am Markt aufzutreiben, um ihre Schulden zu refinanzieren. Das ist weniger als die halbe Wahrheit. Sie verschweigen die dramatisch hohen Zinsen, mit denen Athen die Geldgeber locken musste. Und dass das Land schon im April so viel neues Geld braucht wie nie zuvor, weshalb die europäische Währungsunion tatsächlich nur noch einen winzigen Schritt davon entfernt ist, erstmals einen der ihren vor dem finanziellen Aus zu retten.

Der Anruf aus Athen mit der Bitte um finanzielle Hilfe kann also jeden Tag kommen. Dann werden auch die Deutschen zahlen. Schäuble weiß, dass er das glaubwürdig nur vertreten kann, wenn er gleichzeitig darauf dringt, künftig kompromisslos gegen Sünder vorzugehen. Wer sich dauerhaft nicht an die Regeln hält, muss den Euro wieder hergeben. Gut möglich, dass der strategisch erfahrene EU-Politiker genau diesen Passus durchsetzen will, und die EWF-Idee lediglich ablenkendes Beiwerk ist.

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