Euro-Konflikt mit Bundesregierung:EU-Kommission beharrt auf Rettungsschirm-Reform

Barroso gegen die Bundesregierung - wer hat Recht? Nach dem Alarmruf des EU-Kommissionspräsidenten sind die Märkte aufgeregt, Deutschland reagiert genervt, doch die Europapolitiker bleiben hart. Währungskommissar Rehn weist jede Kritik zurück und beharrt darauf, den Rettungsschirm zu vergrößern.

EU-Währungskommissar Olli Rehn stärkt Kommissionspräsident José Manuel Barroso den Rücken. Der für den Euro zuständige Politiker deutet Bereitschaft an, den europäischen Rettungsschirm (EFSF) zu verändern: "Wir stehen bereit, unseren Kurs im Krisenmanagement anzupassen, um mehr Glaubwürdigkeit und Effizienz zu erreichen", sagte Rehn dem Radiosender BBC Radio 4. Damit der EFSF effektiv bleibe, müsse der Rettungsschirm von den Finanzmärkten respektiert werden. Allerdings äußerte sich Rehn nicht dazu, wann und um welche Summe der Fonds aufgestockt werden könnte. Er werde in dieses Zahlenspiel nicht einsteigen, erklärte Rehn.

European Leaders Meet To Resolve The EU Debt Crisis

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso: Europa streitet über den richtigen Umgang mit der Schuldenkrise, Unterstützung erhält Barroso nun von EU-Finanzkommissar Rehn.

(Foto: Bloomberg)

Außerdem verteidigte Rehn den jüngsten Brief von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Der Portugiese hatte in dem Schreiben vom Vortag überraschend eine erneute Aufstockung des 440 Milliarden Euro schweren Krisenfonds ins Gespräch gebracht, um einen Flächenbrand zu verhindern. Das löste - zusammen mit Ängsten vor einer Eskalation der Schuldenkrisen in Europa und den USA - neue Erschütterungen an den Finanzmärkten aus. Auf die Frage, ob Barrosos Brief die Schuldenkrise verschärft habe, sagte Rehn dagegen: "Ich denke nicht."

In Deutschland hatten das Kanzleramt und das Finanzministerium höchst ungehalten auf Barrosos Vorstoß reagiert. Sie verwiesen darauf, dass die Regierungschefs bei ihrem jüngsten Treffen in Brüssel ja bereits Reformen für den Rettungsfonds beschlossen hätten. Diese müssten nun rasch umgesetzt werden. Zwar räumt man in Berlin ein, dass insbesondere der Umgang der Finanzmärkte mit Italien und Spanien Anlass zur Sorge gibt. Allerdings dürfe man die jüngsten Kursbewegungen bei den Staatsanleihen beider Länder auch nicht überinterpretieren.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sagte, die Debatte komme zur Unzeit. "Es ist gerade einmal zwei Wochen her, da wurden weitreichende und gute Beschlüsse gefasst", sagte der Vizekanzler. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle machte Barroso indirekt für die aktuellen Börsenturbulenzen mitverantwortlich: "Um den Euro zu festigen, brauchen wir einen wirksamen und durchsetzungsstarken Stabilitäts- und Wachstumspakt II - und keinen leichtfertigen Brief aus Brüssel", sagte er zu Bild.

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou dagegen drängt die Euro-Zone in einem Brief an Barroso zum Handeln, um der wachsenden Skepsis an den Märkten zu begegnen. Die jüngsten Entwicklungen reflektierten im Wesentlichen die Zweifel an den Fähigkeiten der Euro-Zone, auf die Schuldenkrise zu reagieren, schreibt Papandreou darin. Die EU und die entsprechenden Institutionen müssten nun handeln und die Gipfel-Beschlüsse umsetzen. Die Euro-Zone müsse vorausschauend handeln und nicht den Entwicklungen hinterherlaufen, so Papandreou.

In Zypern soll unterdessen ein neuer Finanzminister die drohende Staatspleite abwenden. Der Ökonom Kikis Kazamias gehört zu sechs neuen Ministern, die Präsident Demetris Christofias am Freitag ernannte. Ende Juli war die Regierung wegen Kritik nach einer massiven Explosion in einem Munitionsdepot zurückgetreten. Die wirtschaftlichen Probleme des hoch verschuldeten Euro-Landes werden durch seine engen Beziehungen zu Griechenland verschärft.

Am Donnerstag schickte unter anderem die Schuldenkrise in Italien die Börse weltweit auf Talfahrt, auch am Freitag kam es an den Aktienmärkten zu Kursstürzen. Wie schwer sich Italiens Wirtschaft tut, aus der Krise zu kommen, zeigen auch die jüngsten Daten: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg zwischen April und Juni lediglich um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das italienische Statistik-Institut in Rom mitteilte. Im ersten Quartal war das BIP um 0,1 Prozent gestiegen. Die Industrieproduktion sank um 0,6 Prozent zum Vormonat.

Auch in Spanien verläuft die wirtschaftliche Erholung nur schleppend: Sie ist im zweiten Quartal um 0,2 Prozent gestiegen, wie die Notenbank in Madrid mitteilte. Im ersten Quartal dieses Jahres war ein Wachstum von 0,3 Prozent vermeldet worden. Die Angaben der Notenbank sind eine Schätzung. Offizielle Zahlen wird das Nationale Statistikinstitut in etwa einer Woche veröffentlichen. Der Regierung zufolge wird das Wachstum in diesem Jahr 1,3 Prozent betragen. Diese Prognose halten die Notenbank und andere Experten allerdings für zu optimistisch.

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