Gemeinschaftswährung: Contra:Der Euro ruiniert Europa

Die Politiker sollten endlich zugeben, dass die Währungsunion nicht als Wegbereiter für eine politischen Vereinigung taugt. Vielmehr ist der Euro ein unsägliches ökonomisches Abenteuer. Ein Plädoyer für die D-Mark.

Wilhelm Hankel

Die Debatte um den Euro nimmt immer bizarrere Formen an, leider beteiligen sich daran auch Fachleute. So behauptete kürzlich der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel in der Süddeutschen Zeitung eine "explosive Mischung aus hysterischen Spekulationen...zwinge die Gesamtwirtschaft in den Krisenstaaten endgültig in die Knie". Dadurch "gerät der Euro-Raum immer tiefer in die Krise".

Gemeinschaftswährung: Contra: Maschinelle Zählung von Banknoten der europäischen Gemeinschaftswährung: "Geradezu ungeheuerlich und unter Fachleuten der Gipfel der Unredlichkeit ist es, wenn immer wieder behauptet wird, der Euro stütze Deutschlands Export und sei für unsere Volkswirtschaft ein Segen."

Maschinelle Zählung von Banknoten der europäischen Gemeinschaftswährung: "Geradezu ungeheuerlich und unter Fachleuten der Gipfel der Unredlichkeit ist es, wenn immer wieder behauptet wird, der Euro stütze Deutschlands Export und sei für unsere Volkswirtschaft ein Segen."

(Foto: AP)

Welch groteske Verdrehung von Fakten und Einsichten. Die Krisenstaaten haben sich selbst durch ihre Politik ins Bodenlose gewirtschaftet, noch dazu durch eine höchst unsolidarische "Schädige-Deinen-Nachbar-Politik", denn sie lassen sich ihre Defizite über den Kapitaltransfer der Euro-Märkte von Dritten bezahlen: den vertragstreuen Euro-Mitgliedern, allen voran Deutschland.

Und die hysterischen Spekulanten? Sie treten auf, wenn Geldwert und Sachwert auseinanderklaffen und tatsächlich droht eine Bereinigung dieses Missverhältnisses: entweder durch einen Konkurs oder eine Währungsabwertung. Genau das ist in der Euro-Zone seit langem der Fall. Ob Griechenland, Irland, Spanien, Portugal oder andere künftige Krisenländer: Sie alle haben durch ihre Binnen-Inflation und ihr verantwortungsloses Über-die Verhältnisse-Leben, abzulesen an ihren eskalierenden Leistungsbilanzdefiziten (die zu veröffentlichen sich die EZB bis heute weigert) den Euro bei sich zu Hause entwertet.

Gewaltiger Entzugseffekt für unsere Wirtschaft

Das hindert sie freilich nicht, mit diesen im Fall Griechenland um 40 Prozent entwerteten Euro munter bei ihren soliden Währungspartnern einzukaufen und Billig-Kredite aufzunehmen - bis der Verlust der Kreditwürdigkeit ihnen einen dicken Strich durch diese unbillige Rechnung macht.

Geradezu ungeheuerlich und unter Fachleuten der Gipfel der Unredlichkeit ist es, wenn immer wieder behauptet wird, der Euro stütze Deutschlands Export und sei für unsere Volkswirtschaft ein Segen. Denn diese Leute verschweigen, um welchen Preis das geschieht. Das zur Bezahlung der Defizite in die Euro-Krisenländer exportierte deutsche Kapital - es summiert sich inzwischen auf gut und gerne 1000 Milliarden Euro - stellt einen gewaltigen Entzugseffekt für unsere Volkswirtschaft dar.

Mit diesem Geld hätte man unseren Bundeshaushalt und Sozialstaat sanieren, die verrottende Infrastruktur unseres Landes reparieren, den Mittelstand fördern und Zehntausende neuer Arbeitsplätze schaffen können. Stattdessen streckt Deutschland das Geld vor, mit dem die Griechen hierzulande einkaufen, die Spanier ihre Immobilienpreise steigern und die Iren ihren Finanzsektor aufblasen.

Spekulanten zeigen auf, wo es stinkt

Deutschland könnte es ohne den Euro so gut gehen wie der Schweiz, Schweden oder Dänemark, die sich dieses Abenteuer erspart haben. Nach zehn Jahren von der Politik genährter Euro-Illusion, dass ein griechischer, irischer, spanischer oder sonst wo in Euroland intern entwerteter Euro genau so werthaltig sei wie ein deutscher, sind die Finanzmärkte aufgewacht. Jetzt zeigen die "bösen Spekulanten" gnadenlos auf, wer diese Risiken für den Euro produziert, nämlich die Währungssünder selbst, und was sie inzwischen ihre Verursacher kosten. Sollte nicht ein Professor der Ökonomie wissen, dass sich Währungsrisiko, Finanzierungskosten und Renditen nicht voneinander trennen lassen?

Wilhelm Hankel

Der Ökonom und frühere Landesbanker Wilhelm Hankel hat zusammen mit einigen Mitstreitern vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Klage gegen die Griechenland-Finanzhilfen der EU eingereicht.

(Foto: DPA)

Man kann die an den Finanzmärkten tätigen Spekulanten durchaus mit Aasgeiern vergleichen. Nur sollte man bedenken, dass diese aufzeigen, wo es "stinkt" und die Umwelt von den Folgen der Kadaver-Fäulnis befreien. Mit der gegenwärtigen Euro-Krise schlägt die Stunde der Wahrheit.

Europas Politiker und ihre medialen Lautverstärker sollten den Mut und die Redlichkeit haben, zerknirscht zuzugeben, dass sie sich mit dem Euro als Wegbereiter der politischen Vereinigung Europas verrannt haben. Weder ist aus Europa über die Währung ein Staat zu machen, denn dafür müssten nicht Regierungen befragt werden, sondern die Völker Europas, so wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil rechtsverbindlich für jede deutsche Regierung festgelegt hat. Noch steht die Währung im Dienst politischer Ziele, schon gar nicht von Obsessionen.

Die Währung ist für den Bürger da

Die Währung ist nicht dazu da, überschuldete Staaten oder von Insolvenz bedrohte Banken zu retten. Und wenn letztere an den Kosten des von ihnen mitverschuldeten Debakels beteiligt werden sollen (was sogar ein Muss ist), dann bitte, Frau Merkel, sofort handeln und nicht auf Termin. Denn diese Ankündigung treibt die Kosten der Sanierung nur noch weiter in die Höhe.

Die Währung ist für den Bürger da. Sie ist das Instrument seiner Freiheit, der Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz und der Zukunft seiner Kinder. Ohne stabiles Geld gedeihen weder Rechts- noch Sozialstaat, weder unsere Marktwirtschaft noch überhaupt eine intakte Bürgergesellschaft.

An diesen Werten versündigen sich diejenigen, die einem Euro das Wort reden, der durch Milliarden neu und inflatorisch gedruckten Geldes und die Steuergroschen der Bürger gerettet werden soll. Glaubt denn eine Zentralbank wie die Europäische ernstlich, sie könne die ihr anvertraute Währung stabilisieren und die Finanzmärkte beruhigen, indem sie immer neues Öl in ein glimmendes Inflationsfeuer gießt? Glaubt denn der deutsche Finanzminister wirklich, er könne zu Hause sparen und zugleich Europa immer neue Steuerkredite zur Stützung des Euro bewilligen? Ist man ein "erbitterter DM-Nationalist" - so der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium zum Verfasser - wenn man für das Ende dieses unsäglichen Abenteuers plädiert? Der Euro ruiniert nicht nur Deutschland, sondern Europa - und das muss aufhören.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: