EU-Haushaltskommissar fordert eigene Steuer:Direkter Griff in die Tasche der Bürger

EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski will Abgaben für den europäischen Haushalt ab 2014 direkt bei den Bürgern kassieren - und erwartet bereits Protest. Denn: Es geht um 40 Milliarden Euro.

Cerstin Gammelin, Gödöllö

Die Bürger sollen künftig einen Teil des europäischen Haushaltes über Steuern direkt finanzieren. Entsprechende Pläne will EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski zu Beginn dieser Woche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Berlin vorstellen.

European Budget Commissioner-designate Lewandowski of Poland talks to reporters after addressing the European Parliament Budget Committee in Brussels

EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski sieht sich noch nicht am Ziel.

(Foto: REUTERS)

"Ungefähr ein Drittel des europäischen Haushaltes sollte aus eigenen Einnahmen stammen", sagte Lewandowski der Süddeutschen Zeitung beim EU-Finanzministertreffen im ungarischen Gödöllö.

Bisher werden 88 Prozent des EU-Budgets von jährlich etwa 120 Milliarden Euro direkt aus den nationalen Hauptstädten überwiesen. Der Rest sind sogenannte Eigenmittel, die über Zölle auf Handelsgeschäfte eingenommen werden. Lewandowski betonte, er wolle "nicht mehr Geld einnehmen, sondern nur die Proportionen des Haushaltes verändern". Die 27 Länder sollten anteilig weniger überweisen.

"Eine europäische Steuer funktioniert so, dass sie in allen Ländern auf bestimmte Waren erhoben und direkt nach Brüssel abgeführt würde", erklärte der polnische Ökonom, der gelegentlich als Gast an der Havard Universität unterrichtet. Die EU-Kommission habe umfangreiche technische Studien gemacht, um Machbarkeit und Nachhaltigkeit einer europäischen Steuer zu prüfen. "Jetzt müssen die politischen Entscheidungen getroffen werden", forderte Lewandowski.

In Berlin wolle er mit der Bundesregierung klären, "was machbar ist und was dem Bürger vermittelt werden kann". Die deutsche Position sei "besonders wichtig". Im Juni will er dann einen ersten offiziellen Vorschlag präsentieren. Die EU-Steuer solle mit der nächsten mehrjährigen Finanzplanung von 2014 an eingeführt werden. Sie würde zunächst 40 Milliarden Euro umfassen.

Drei "heiße Favoriten"

In der EU-Kommission gelten drei Steuern als "heiße Favoriten". Zunächst die Mehrwertsteuer: Die Behörde hält es für machbar, einen Prozentpunkt der nationalen Mehrwertsteuer als EU-Steuer zu deklarieren und die Einnahmen daraus an den EU-Haushalt abzuführen. Das Verfahren sei transparent und nachvollziehbar, heißt es. Dagegen spreche, dass eine bereits bestehende Steuer verändert werden müsse.

Für durchsetzbar halten die Beamten zudem die sogenannte Flugprämie, eine Abgabe auf Flugzeuge. Vorteilhaft sei, dass die Prämie neu und ökologisch nachhaltig sei. Aus politischen Gründen gilt die Einführung einer Steuer auf Finanzgeschäfte am ehesten als durchsetzbar. Die Mitglieder könnten diese Abgabe schlecht ablehnen, heißt es.

Im Gespräch mit der SZ betonte Lewandowski, es sei falsch zu glauben, eine europäische Steuer wäre eine ganz neue Idee. "Das sind Vorurteile und Empfindlichkeiten in den Ländern, vor allem in Deutschland. Schon die Gründer der Europäischen Union dachten daran. In den frühen Jahren wurde der Haushalt zu 80 Prozent über eigene Einnahmen finanziert", sagte der Kommissar. Mit der Liberalisierung des Handels und der Einführung des europäischen Binnenmarktes wurden diese Einnahmen durch Überweisungen aus den Hauptstädten ersetzt.

Der Pole sieht sich noch nicht am Ziel. "Ich bin Realist und kenne die Missverständnisse und den Streit, als zum ersten Mal die Idee einer europäischen Steuer besprochen wurde." Lewandowski verspricht sich von direkten Einnahmen nicht nur eine bessere Planbarkeit des Haushaltes. Zudem würden auch die jährlichen aufwändigen Verhandlungen mit dem EU-Parlament und den nationalen Regierungen vereinfacht.

Weniger Geld für die Bauern

Europas Bauern müssen mit weniger Geld rechnen. Das Agrarbudget soll von 2014 an "tendenziell sinken". Bisher beträgt es 40 Prozent des EU-Haushaltes. Lewandowski will auch die direkten Zahlungen an Landwirte in den Ländern angleichen. "Lettischen Bauern bekommen 95 Euro Unterstützung pro Hektar, belgische Bauern 460 Euro. In Deutschland sind es mehr als 300 Euro." Dies sei politisch nicht mehr zu rechtfertigen.

Am 20. April wird Lewandowski den Haushalt 2012 vorlegen. Etwa drei Prozent mehr Geld als 2011 wird er fordern. "Der Anstieg wird höher sein als die Inflationsrate." Das Geld sei nötig für fällige Rechnungen. "Wir sind fast am Ende des siebenjährigen Finanzplanes. Die Projekte, die 2007 oder 2008 begonnen wurden, werden reif, die Rechnungen kommen. Ich muss sie zahlen, sie wurden ja seit Jahren zugesagt."

Zudem sei da noch ein anderes Problem: "Wir sparen, wo es geht. Aber die Länder wollen, dass wir immer mehr Infrastruktur-Projekte fördern, Pipelines, Telefonkabel, Straßen und Schienen finanzieren, um die Wirtschaft anzukurbeln", sagte Lewandowski. "Das geht nicht zusammen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: