EU-Finanzaufsicht:Ein Behörden-Trio für die Krisen-Prävention

Der Auftrag lautete: Eine kraftvolle Finanzaufsicht für Europa muss her. Nun sollen sich drei Behörden die Mammutaufgabe teilen.

Cerstin Gammelin

Über Europas Banken, Börsen und Versicherungen soll künftig eine schlagkräftige Finanzaufsicht wachen. Drei neue europäische Aufsichtsgremien werden die nationalen Institutionen kontrollieren. Die europäischen Aufseher sollen das Recht bekommen, im Falle einer absehbaren Krise direkt in den Finanzmarkt eingreifen zu dürfen.

Frankfurt am Main, Foto: AFP

Die EU hat künftig ein stärkeres Auge auf die Finanzszene: Auch die Banken in Frankfurt am Main sollen von einer neuen Finanzaufsicht überwacht werden.

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Das geht aus einem Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Ein Jahr nach Ausbruch der weltweiten Finanzkrise setzt die Europäische Kommission nun den Auftrag der EU-Mitgliedsstaaten um, eine effiziente und kraftvolle europäische Finanzaufsicht aufzubauen. Die Behörde soll nationalen Institutionen auch direkte Anweisungen geben dürfen, falls die heimischen Aufsichtsbehörden nicht entschieden genug durchgreifen oder die Stabilität des Finanzmarktes gefährdet wird.

Drei Agenturen für die Kontrolle

Die neuen Aufsichtsgremien werden von 2011 an einsatzbereit sein. Sie sollen auch verhindern, dass sich dramatische Wirtschaftskrisen wie die derzeitige wiederholen. Der europäische Binnenmarkt müsse ungestört wachsen, schreiben die Beamten in dem Entwurf. Dazu sei "ein wirksames und gleichbleibendes Maß kluger Regulierung und Aufsicht" nötig. Die EU-Kommission will die insgesamt vier Verordnungsentwürfe am 23. September offiziell vorstellen.

Die europäische Finanzaufsicht wird als Netzwerk aufgebaut. Ein bei der Europäischen Zentralbank angesiedelter Systemrisikorat soll über den Finanzmarkt wachen, um sich abzeichnende Gefahren so früh wie möglich zu erkennen und notwendige Maßnahmen anzuordnen. Geplant sind zudem drei neue Agenturen für die Kontrolle von Banken, Börsen und Versicherungen. Banken sollen durch die in London ansässige European Banking Authority (EBA) überwacht werden. Den Handel mit Wertpapieren wird die Börsenaufsicht European Security and Markets Authority (ESMA) in Paris kontrollieren. Die Geschäfte der Versicherungen und Pensionsfonds werden aus Frankfurt von der European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) begutachtet.

Die drei neuen Agenturen sollen "verbindliche technische Aufsichtsstandards" entwickeln, die die nationalen Aufseher anwenden müssen sowie "Leitlinien und Empfehlungen für Finanzgeschäfte" geben. Für die alltägliche Kontrolle der Finanzgeschäfte bleiben zwar die heimischen Behörden zuständig. Im Falle sich abzeichnender Notfälle sind die europäischen Aufseher jedoch ausdrücklich ermächtigt, den nationalen Behörden oder einzelnen Finanzinstitutionen direkt Anweisungen zu geben. Die Agentur dürfe "Entscheidungen treffen, die auf einzelne Finanzinstitute anwendbar sind", schreiben die Beamten.

Warnung vor höheren Staatsschulden

Direkte Eingriffe sind ausdrücklich erlaubt, wenn sich die nationalen Aufseher eines notleidenden Finanzinstituts, das grenzüberschreitend tätig ist, nicht auf geeignete Maßnahmen verständigen können. Im Falle solcher Streitigkeiten darf die EU-Agentur dann Anweisungen geben. Dies ist auch erlaubt, wenn sich eine nationale Aufsichtsbehörde wiederholt weigert, europäische Aufsichtsregeln umzusetzen.

Grundsätzlich beschränkt sich das Weisungsrecht der europäischen Aufsichtsagenturen jedoch auf solche Maßnahmen, die "keine Auswirkung auf die finanziellen Verantwortlichkeiten der Mitgliedsstaaten" haben. Mit dieser Einschränkung setzen die Brüsseler Beamten einen Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs um. Vor allem Großbritannien, aber auch die Bundesregierung, hatte auf ihrem Gipfel im Juni darauf bestanden, dass sich die Entscheidungen der europäischen Aufsichtsbehörden nicht auf die nationalen Haushalte auswirken dürften. Der Verordnungsvorschlag räumt EU-Mitgliedsstaaten nun ein Widerspruchsrecht ein. Bei Streitigkeiten sollten die EU-Finanzminister oder die Kommission entscheiden.

Inzwischen warnen hohe Kommissionsbeamte vor dem dramatischen Anstieg der Staatsschulden. Einer unveröffentlichten EU-Studie zufolge werde das öffentliche Defizit in Irland im Jahr 2020 etwa 200 Prozent des Bruttosozialprodukts betragen. In Großbritannien liege der Wert bei 180 Prozent, in Frankreich und Italien noch immer bei 125 Prozent. Deutschland schneide mit 100 Prozent vergleichsweise gut ab.

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