Erdbeben in Japan: wirtschaftliche Folgen:Börsen trotzen der Katastrophe

Die Börsen sind vom schweren Erdbeben geschockt - Japan ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und einer der größten Exporteure. Die Auswirkungen der Katastrophe sind von New York bis Frankfurt zu spüren. Eine Panik bleibt allerdings aus.

Die Weltbörsen kannten am Freitag nur eine Richtung: nach unten. Das schwere Erdbeben in Japan löste Schockwellen an den Handelsplätzen aus. Nach den Unruhen in Nordafrika steigerte die Katastrophe in Asien die Verunsicherung der Anleger.

Die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind in ihrer ganzen Breite noch unklar. Fest steht nur, dass die Schäden enorm sind. Etliche Fabriken stehen still, Felder sind überflutet, die Energieversorgung ist teils zusammengebrochen. Auf Versicherer wie die Munich Re (die frühere Münchener Rück) könnten erhebliche Kosten zukommen.

Der europäische Leitindex EuroStoxx 50 stand gegen Mittag ein Prozent im Minus, genauso wie das wichtigste deutsche Börsenbarometer Dax, das unter die psychologisch wichtige Marke von 7000 Punkten rutschte. Auch London und Paris verloren, genauso wie Hongkong, Schanghai und vorbörslich die großen US-Börsen NYSE und Nasdaq. Am stärksten traf es den Nikkei-Index in Tokio, der um fast zwei Prozent auf 10.254 Punkte abrutschte.

Die Naturkatastrophe könnte die Märkte weiter verunsichern, urteilte die Commerzbank in einer Studie. Die Anleger sind ohnehin nervös wegen der Unruhen im Nahen Osten und der hohen Staatsverschuldung im Euroraum und den Vereinigten Staaten. Erst jüngst hatte sich der weltgrößte Anleiheinvestor Pimco aus US-Staatspapieren verabschiedet. Hedgefonds-Titan Carl Icahn hatte angekündigt, den Anlegern ihr Geld auszuzahlen und seine Entscheidung auch mit der Sorge um neue wirtschaftliche Turbulenzen begründet.

Und nun das Erdbeben in Japan. Fernsehbilder von einer explodierenden Erdölraffinerie außerhalb Tokios flimmerten über die Fernsehschirme; in einem Turbinengebäude eines Atomkraftwerks brach ein Feuer aus, das nach Behördenangaben aber gelöscht werden konnte ohne dass Radioaktivität ausgetreten sei; fünf Reaktoren in der am schwersten betroffenen Region im Nordosten der Hauptinsel Honshu wurden automatisch heruntergefahren.

Die Bänder stehen still

Der Elektronikkonzern Sony schloss nach Angaben des Finanzdienstleisters Bloomberg vorübergehend sechs Werke, der weltgrößte Autohersteller Toyota machte drei Fabriken dicht und auch die Wettbewerber Honda und Nissan hielten die Bänder an. In einem Honda-Entwicklungszentrum wurde nach Angaben von Bloomberg eine Mitarbeiterin durch eine einstürzende Wand erschlagen und 30 Kollegen verletzt.

Der Hauptflughafen in Tokio wurde zwischenzeitlich geschlossen, genauso wie Häfen in Erwartung einer Tsunami-Welle. Öl verbilligte sich, weil in Japan die Fabriken stillstehen. Der Ölbedarf dürfte durch das Erdbeben zumindest vorübergehend niedriger ausfallen, erwartet die Commerzbank. Das Land ist nach China und den USA der weltweit drittgrößte Verbraucher von Rohstoffen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Auslieferung im April kostete im Tagesverlaufl 112,62 US-Dollar und damit 2,81 Dollar weniger als am Vortag. Zuletzt hatten die Unruhen im Nahen Osten die Preise kräftig getrieben.

Die Bank of Japan (BoJ) teilte mit, sie werde alles tun, um die Stabilität der Finanzmärkte zu sichern und Liquidität bereitzustellen. Es sei eine Arbeitsgruppe zur Beobachtung der Folgen auf die Banken gebildet worden. Der Yen schwächelte dann auch nur kurz und fing sich schnell wieder. Auch Dollar und Euro blieben stabil. "Der nur kurzzeitige Rückgang des japanischen Yen zeigt, dass die Märkte die wirtschaftlichen Folgen nicht so skeptisch beurteilen", sagte Wolfgang Leim, Japan-Experte der Commerzbank, der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.

Die größte Unsicherheit herrscht derzeit bei Rückversicherern wie Munich Re und Hannover Rück, die Nummer eins und drei der Branche. Gerade verdauen sie noch die Auswirkungen des Erdbebens in Neuseeland und der Überflutungen in Australien, da richtete der Erdstoß in Japan mit der Stärke 8,9 Japan neuerliche Milliardenschäden an. Die deutschen Rückversicherer haben etliche Kunden in der Region, soviel konnten Unternehmenssprecher am Freitag bestätigen. Konkretere Angaben zu Schäden seien aber noch nicht möglich.

Die Aktien der Versicherer litten dann auch am stärksten unter dem Beben. Papiere von Munich Re und Hannover Rück verloren bis zum Nachmittag fast fünf Prozent an Wert und auch die Allianz büßte im Tagesverlauf zwei Prozent ein. Weitere deutsche Unternehmen waren nach ersten Erkenntnissen nur in geringem Umfang von dem Beben betroffen.

Der Chemiekonzern BASF etwa berichtete von kleineren Schäden an seinen Standorten. Es sei aber kein Mitarbeiter verletzt worden. Beim Daimler-Konzern mit rund 1. 800 Beschäftigten und Standorten in Tokio und Kawasaki sind nach Aussagen des Unternehmens nach ersten Erkenntnissen keine Mitarbeiter zu Schaden gekommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: