Erbschaft- und Schenkungssteuer:Bundesfinanzhof mit Zweifeln

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Die höchsten Steuerrichter stellen günstige Bewertung von Grundbesitz und Betriebsvermögen in Frage.

Thomas Wachter

(SZ vom 7.12.2001) Die Diskussion um eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer kommt nicht zur Ruhe. Erst vor wenigen Wochen hat die Bundesregierung eine Erhöhung der derzeit geltenden Grundbesitzwerte für Immobilien abgelehnt.

Zweifel am geltenden Maßstab

Doch der Bundesfinanzhof will nunmehr die Steuervorschriften insgesamt auf den Prüfstand des Verfassungsrechts stellen. Die höchsten deutschen Steuerrichter äußern in ihrem Beschluss vom 24.10.2001 (II R 61/99) erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der derzeitigen Besteuerung.

Sollten sich die Bedenken als begründet erweisen, wäre eine steuergünstige Übertragung von Vermögen auf die nächste Generation künftig nur noch eingeschränkt möglich.

Niedriger Maßstab für Häuser und Wohnungen

Die derzeitige Bewertung von Grundbesitz ist erst seit 1996 in Kraft. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Bewertung auf der Grundlage der alten Einheitswerte für verfassungswidrig erklärt hatte, wurden die Bewertungsvorschriften neu gefasst.

Heute werden unbebaute Grundstücke mit etwa 80 Prozent ihres tatsächlichen Marktwertes besteuert. Bei bebauten Grundstücken und Eigentumswohnungen wird der Besteuerung dagegen im Durchschnitt nur rund die Hälfte des Verkehrswerts zugrunde gelegt. Die niedrigen Werte gelten selbst dann, wenn der Erwerber die Immobilie unmittelbar nach der Übertragung veräußert.

Geerbte Schulden voll abzugfähig

Erben von Immobilienvermögen können zudem die auf dem Grundbesitz lastenden Schulden in vollem Umfang in Abzug bringen, obwohl die Immobilie nicht mit dem vollen Verkehrswert versteuert werden muss.

Aus Sicht der Richter am Münchener Bundesfinanzhof haben die derzeitigen steuerlichen Wertansätze mit einer realitätsgerechten Bewertung nichts mehr zu tun und sind daher möglicherweise verfassungswidrig.

Schutz für kleinen Firmen

Im Interesse der Erhaltung von kleinen und mittelständischen Unternehmen ist die Übertragung von Betriebsvermögen heute auf vielfältige Weise begünstigt. So wird bei der Bewertung von den niedrigen Steuerbilanzwerten und nicht von den tatsächlichen Sachwerten ausgegangen. Daneben wird ein zusätzlicher Freibetrag in Höhe von 500.000 Mark gewährt.

Die verbleibenden Vermögenswerte werden schließlich nur zu 60 Prozent erfasst. Schulden können gleichwohl in vollem Umfang und nicht nur anteilig in Abzug gebracht werden.

Der Bundesfinanzhof hat Zweifel, ob eine derart weit reichende Privilegierung von Betriebsvermögen sachlich noch gerechtfertigt ist. Die bestehenden Steuervorteile für Betriebsvermögen lassen sich auch für die Übertragung von privaten Vermögen nutzen. Dazu müssen die Vermögenswerte lediglich in eine Gesellschaft eingebracht werden.

Steuerfreiheit

Auf diese Weise kann beispielsweise selbst ein Mietshaus im Wert von drei Millionen Mark in der Regel steuerfrei von den Eltern auf die Kinder übertragen werden. Möglichkeiten zur Steuerersparnis ergeben sich in diesen Fällen aber auch dadurch, dass der Erwerb stets nach der günstigen Steuerklasse I besteuert wird.

Kluge Erbfolge senkt Steuerlast

Dies kann sich insbesondere bei der Übertragung von Vermögen auf nicht verheiratete Lebenspartner vorteilhaft auswirken, denen derzeit lediglich ein Freibetrag von 10.000 Mark zusteht und zur ungünstigen Steuerklasse III gehören.

Auch diese Möglichkeiten der Rechtsformwahl sollen indes darauf hin überprüft werden, ob sie nicht einen "verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang" aufweisen.

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer bietet wie kaum ein anderes Steuergesetz zahlreiche Möglichkeiten, die Höhe der Steuerlast durch eine individuelle Gestaltung der Vermögensnachfolge zu beeinflussen.

Fazit

Auch wenn der Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof derzeit noch nicht abgesehen werden kann, muss doch damit gerechnet werden, dass die derzeit bestehenden Gestaltungsspielräume langfristig zumindest zum Teil eingeschränkt werden.

Die Entscheidung sollte daher Anlass sein, die eigene Vermögensnachfolge frühzeitig und umfassend zu planen. Neben den steuerlichen Fragen kommt der Sicherung der Versorgung des Übergebers und seines Ehegatten dabei eine besondere Bedeutung zu.

Eine mögliche Verfassungswidrigkeit der günstigen Bewertung von Grundbesitz und Betriebsvermögen könnte auch Auswirkungen auf die Bewertung von anderen Vermögensgegenständen haben.

So muss der Erwerb von Aktien beispielsweise stets mit dem vollen Kurswert im Zeitpunkt des Todes des Erblassers versteuert werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Kurs der Aktien danach erheblich gesunken ist und der Erbe keinerlei Möglichkeit hatte über das Wertpapierdepot zu verfügen. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, gegen den Steuerbescheid Einspruch einzulegen.

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