Eon-Chef Reutersberg:"Russland ist ein zuverlässiger Partner"

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Eon-Ruhrgas-Chef Bernhard Reutersberg über den Georgien-Konflikt, die Beziehungen zur Gazprom und die weiter steigenden Gaspreise.

Hans-Willy Bein

Im März hat Bernhard Reutersberg, 54, die Führung von Eon Ruhrgas übernommen. Der neue Chef will die Gasbeschaffung des Marktführers auf eine breitere Basis stellen. Russland bleibe trotz des Georgien-Konflikts ein sicherer Lieferant: "Ich habe an der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit Russlands keinen Zweifel." Konzernkunden müssten im Herbst mit Gaspreiserhöhungen rechnen.

Seit März führt Bernhard Reutersberg Eon Ruhrgas. (Foto: Foto: oH)

SZ: Herr Reutersberg, der Westen geht im Georgien-Konflikt politisch auf Distanz zu Russland. Gleichzeitig sorgt sich Westeuropa um seine künftige Energieversorgung. Dürfen wir weiter auf russische Gaslieferungen bauen?

Reutersberg: Ich habe an der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit Russlands keinen Zweifel. Ich bin mir sehr sicher, dass Gazprom alles unternehmen wird, um den Lieferverpflichtungen nachzukommen. Über Konflikte wie unlängst in der Ukraine gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Richtig ist aber, das Russland nicht versucht hat, uns das Gas abzudrehen, sondern für die Ukraine bestimmte Mengen gekürzt hat. Ich sehe diese Situation daher entspannt.

SZ: Auch mit Blick auf Georgien?

Reutersberg: Hier geht es um geopolitische Fragen. Ich habe den Eindruck, dass die russische Seite bemüht ist, Politik und Wirtschaft zu trennen.

SZ: Lässt sich das so leicht trennen? Sind in der Krise normale Geschäfte möglich?

Reutersberg: Ich finde schon, dass man Politik und Geschäft differenzieren muss. Das heißt ja nicht, dass wir keine klare politische Meinung hätten. Eon Ruhrgas bezieht seit 35 Jahren russisches Gas. In dieser Zeit ist in Russland politisch unglaublich viel passiert: vom Kalten Krieg, Glasnost, der Jelzin-Ära bis zu Putin. Trotzdem ist die russische Gaswirtschaft ihren Lieferverpflichtungen immer komplett nachgekommen. Sie ist ein äußerst zuverlässiger Partner.

SZ: Was kann, was muss die Wirtschaft in der gegenwärtigen Lage tun?

Reutersberg: Wir müssen alles daran setzen, die Partnerschaft mit Russland fortzusetzen. Wir brauchen gute wirtschaftliche Beziehungen. Denn wir müssen schlichtweg anerkennen, dass wir die russischen Energieressourcen brauchen. Natürlich muss die EU aufpassen, dass es keine einseitige Abhängigkeit wird. Durch eine beidseitige Partnerschaft, wie zum Beispiel der Beteiligung von Eon am Kraftwerksbetreiber OGK4 wird unser Verhältnis zu Russland deutlich gestärkt.

SZ: Deswegen kommt der Eon-Konzern trotzdem seit Jahren bei den Verhandlungen um die zugesagte Beteiligung am sibirischen Gasfeld Juschno Russkoje nicht voran. Wie lange reicht Ihre Geduld?

Reutersberg: So lange, wie es noch sinnvolle Gespräche gibt und beide Seiten das klare Interesse haben, zu einer Lösung zu kommen.

SZ: Das kann ewig dauern...

Auf der nächsten Seite: Reutersberg über den Punkt, an dem seine Geduld zu Ende ist

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Reutersberg: Ich habe den Zeitdruck erhöht und erklärt, dass ich nichts von endlosen Verhandlungen halte.

SZ: Dann verraten Sie doch, wann Ihre Geduld zu Ende ist.

Reutersberg: Wie gesagt, solange es sinnvolle Gespräche gibt, habe ich Geduld.

SZ: Das kältere Klima zu Russland gefährdet auch das Projekt Ostseepipeline.

Reutersberg: An dem Projekt werden viele politische Themen festgemacht. Klar ist, Nord Stream ist ein europäisches Projekt. Die Leitung dient der Versorgung Europas. Das zu verdeutlichen und all die aufgeworfenen Fragen zu klären, dazu führen Nord Stream und auch wir Gespräche mit allen Beteiligten.

SZ: Gibt es denn noch Realisierungschancen?

Reutersberg: Davon gehe ich fest aus. Wir haben einen sehr straffen Zeitplan, doch ich halte es immer noch für realistisch, ihn einzuhalten.

SZ: Trotz Ihrer guten Erfahrung: Ist es nicht gefährlich, sich einseitig von russischen Lieferungen abhängig zu machen?

Reutersberg: Das kann man Eon Ruhrgas nicht vorwerfen. Kein anderes Unternehmen in Europa hat breiter gefächerte Bezugsquellen. Unsere größten Lieferanten sind Norwegen und Russland mit jeweils mehr als 25 Prozent. Insgesamt beziehen wir Gas aus sechs Ländern. Das schafft eine hohe Versorgungssicherheit.

SZ: Und in der Zukunft?

Reutersberg: Wir sind auch in anderen Regionen aktiv und befassen uns schon lange mit zusätzlichen Optionen. Um unsere Bezüge weiter zu diversifizieren, bauen wir eine eigene Förderung auf und entwickeln das Geschäft mit LNG, das heißt Erdgas, das in den Förderregionen verflüssigt wird und das dann statt in Pipelines in Tankschiffen transportiert werden kann. Langfristige Lieferverträge wie mit Norwegen bis zum Jahr 2029 und Russland bis zum Jahr 2036 bleiben das Herzstück einer Eon Ruhrgas. Aber die Bereiche Eigenförderung und LNG sollen zu neuen Standbeinen ausgebaut werden, um die Versorgung auch künftig abzusichern. Dies sind quasi der zweite und dritte Pfeiler unserer Beschaffungsstrategie.

SZ: Welche Bedeutung hat das?

Auf der nächsten Seite: Reutersberg über den Rückgang der Ölpreise

Reutersberg: Beide sollen auf mittlere Sicht je zehn Milliarden Kubikmeter Gas beisteuern. Bei einem Absatz der Eon Ruhrgas 2007 von etwa 65 Milliarden Kubikmetern ist das ein signifikanter Anteil und keine Alibiveranstaltung.

SZ: Eon Ruhrgas startet spät in dieses Geschäft. Andere sind weiter.

Reutersberg: Das liegt schlicht an der Tatsache, dass die früheren Aktionäre der Ruhrgas die großen Öl- und Gaskonzerne waren. Diese betrachteten die Suche nach Gas und die Förderung als ihr ureigenes Geschäft und ließen entsprechende Aktivitäten der Ruhrgas nicht zu. Für uns ergab sich erst nach Übernahme durch den Eon-Konzern eine ganz neue Perspektive. So konnten wir erst 2003 anfangen, das Explorationsgeschäft aufzubauen. Doch wir haben schnell Fortschritte gemacht: Inzwischen haben wir allein in Norwegen zwei Feldbeteiligungen, fünf Lizenzen und sind als Betriebsführer anerkannt. Wir sehen darin auch einen Vertrauensbeweis der Regierungsbehörden.

SZ: Nur Norwegen?

Reutersberg: Nein, wir haben mit dem Upstream-Geschäft in der britischen und norwegischen Nordsee angefangen. Wir schließen aber auch Aktivitäten in Russland nicht aus. Dabei muss nicht alles über Gazprom gehen. Es gibt auch unabhängige Firmen, an denen man sich beteiligen kann. Es wird auch Möglichkeiten geben, in Russland Lizenzen zu erwerben. Eine eigene Niederlassung in Moskau kümmert sich nur um dieses Geschäft. Dann blicken wir in Richtung Afrika. Hier beginnen wir, in verschiedenen Ländern Nord- und Westafrikas Beziehungen aufzubauen.

SZ: Zum Thema Gaspreise: Bei Öl ist der Preisauftrieb zunächst gestoppt. Bei Gas auch?

Reutersberg: Gas reagiert mit einer Verzögerung von sechs Monaten auf den Ölpreis. Ich gehe deswegen davon aus, dass es für unsere Kunden, das sind Großabnehmer wie Stadtwerke und Industrieunternehmen, zum 1. Oktober nochmals eine Preiserhöhung geben wird.

SZ: In welchem Umfang?

Reutersberg: Das wird die weitere Entwicklung zeigen.

SZ: Wie geht es im Januar weiter?

Reutersberg: Das ist noch offen. Keiner weiß, wie nachhaltig jetzt der Rückgang der Ölpreise sein wird.

© SZ vom 04.09.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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