Entmietung:Selbstjustiz der Vermieter eindämmen

Ein Mieter kommt nach Hause, aber er hat gar kein Zuhause mehr: Das Türschloss ist ausgewechselt, die Wohnung leer geräumt. Bei der Münchner Polizei gibt es nun Leitlinien, damit die Beamten auf Mieter-Mobbing besser reagieren können.

Von Bernd Kastner

Ein Mieter kommt nach Hause - und stellt fest, dass er kein Zuhause mehr hat: Das Türschloss ist ausgewechselt, die Wohnung leer geräumt. Der Eigentümer hat vollendete Tatsachen geschaffen, ohne Gerichtstitel. Mehrere solcher spektakulärer Fälle von Selbstjustiz wurden in den vergangenen Monaten bekannt, bis hin zu jener Wohnung, wo der Vermieter die Tür zumauern ließ.

Seither sorgt die Forderung nach "Sensibilisierung" von Justiz und Polizei im Kampf gegen rabiate Spekulanten behördenintern für Wirbel.

Das bayerische Justizministerium hat die Staatsanwälte auf Entmieter angesetzt und die Richter zu mehr Sensibilität ermahnt, was im Amtsgericht für Empörung sorgte. Nun ist auch bei der Polizei von "Sensibilisierung" die Rede - ausgerechnet auf Initiative der Münchner CSU-Landtagsabgeordneten Joachim Unterländer und Georg Eisenreich.

Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer räumt ein, die zugemauerte Tür sei Anlass zur Frage gewesen, ob die Beamten "ausreichend vorbereitet" seien auf solche Situationen. Offenbar konnte man die Frage nicht mit einem klaren Ja beantworten, schließlich sind seinerzeit die Beamten dem obdachlosen alten Ehepaar nicht zur Seite gestanden.

Schmidbauer ließ daraufhin "Leitsätze" entwickeln, die inzwischen fester Bestandteil der Fortbildung seien. Ziel: Eine bessere "Sensibilisierung".

Das begrüßt auch die Deutsche Polizeigewerkschaft. "In dieser Qualität und Quantität hat es Entmietung bisher nicht gegeben", sagt Hermann Vogelgsang, ihr stellvertretender Landeschef. Bislang hätten die herbeigerufenen Polizisten den eskalierenden Konflikt zu oft für einen Privatstreit gehalten und mögliche Straftaten nicht erkannt.

Den größten Handlungsbedarf sieht Vogelgsang im Bereich des Mieter-Mobbings, etwa in Sanierungshäusern. Er fordert spezielle Seminare für Polizisten zu diesem Thema.

Die neuen Leitsätze konzentrieren sich jedoch auf Selbstjustiz. Erwischen Beamte einen Vermieter auf frischer Tat, wie er gerade die Möbel wegschafft, sollen sie die "Lage einfrieren", also die Räumung stoppen. Es sei denn, der Eigentümer kann einen Rechtstitel oder eine andere Vereinbarung vorlegen. "Wir können nicht den Schiedsrichter spielen", schränkt Schmidbauer ein.

Das sei Sache der Gerichte. Sind vollendete Tatsachen geschaffen, werde die Polizei Anhaltspunkte für Straftaten wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung bei der Staatsanwaltschaft anzeigen.

"Solche Fälle müssen konsequent verfolgt und geahndet werden", fordert MdL Unterländer. Sein Kollege Eisenreich sieht den "Rechtsstaat herausgefordert", auch wenn Selbstjustiz selten vorkomme. Die Abgeordneten brachten mit ihrem Vorstoß auch die Mieterorganisationen ins Spiel.

Schmidbauer erklärte sich bereit, die Leitsätze mit Mieterverein, städtischem Mieterbeirat, aber auch Haus- und Grundbesitzer-Verein zu diskutieren. Außerdem sollen die Mietervertreter der Polizei Hinweise geben auf Entmietungs-Anwesen. "Wir sind interessiert an Informationen über solch systematisches Vorgehen", sagt Schmidbauer.

Viel zu weit geht Polizeichef Schmidbauer dann aber der Vorschlag der CSU-Abgeordneten, gleich eine eigene "Entmietungs-Abteilung" im Präsidium einzurichten. "Wir müssen die Kirche im Dorf lassen", sagt Schmidbauer. Schließlich griffen nur ein paar wenige schwarze Schafe unter den Vermietern zur Selbstjustiz.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: