Energie:Intelligente Stromzähler

Das Ding ist das langweiligste Elektrogerät, das man sich vorstellen kann: Es hängt im Keller, in seinem Inneren drehen sich eine Scheibe und ein Zählwerk - und einmal im Jahr wird abgelesen. Dann kommt die Rechnung.

Christopher Schrader

Das alles soll sich nach dem Willen der Bundesregierung ändern. Dabei geht es nicht um Spaß im Sicherungskasten - die Verbraucher sollen mit sogenannten intelligenten Stromzählern, die den aktuellen Verbrauch melden, Energie und Geld sparen. Solche Geräte müssen darum von 2010 an angeboten und in Neubauten eingebaut werden, hat das Kabinett am Mittwoch in seinem Klimaschutzpaket beschlossen.

Energie: Alles für die Umwelt: Techniker Thomas Lerg verplompt einen intelligenten Stromzähler.

Alles für die Umwelt: Techniker Thomas Lerg verplompt einen intelligenten Stromzähler.

(Foto: Foto: AP)

"Eine Win-Win-Situation"

Erste Voraussetzung, um tatsächlich Strom zu sparen, sind Elektronik im Zähler und ein Anschluss an das Internet. Das Gerät meldet dann alle Viertelstunde an den Lieferanten, wie viel Energie der Haushalt genutzt hat. Daneben können die Menschen im Haus sekundengenau am Computer verfolgen, wie viel Watt sie gerade verbrauchen. Schon jetzt laufen etliche Modellversuche. Der Energieversorger EnBW und seine Tochterfirma Yello Strom erproben die Technik mit jeweils 1000 freiwilligen Testkunden. RWE möchte ab 1. Juli dieses Jahres 100.000 Haushalte in Mülheim an der Ruhr mit den Geräten ausstatten und damit auch die Erfahrung sammeln, wie sie angenommen werden. In Italien, Kanada und den Niederlanden sind elektronische Zähler zum Teil flächendeckend verbaut; in Italien diente das vor allem dazu, den Stromdiebstahl einzudämmen.

"Für Stromversorger und Kunden ist das eine Win-Win-Situation", sagt Hans-Jörg Groscurth von EnBW. Schon die zeitnahe Kontrolle hat bei den bisherigen Versuchen im In- und Ausland die Rechnungen etwa um zehn Prozent gesenkt. Doch der Kunde spart nur dann Geld, wenn er sich tatsächlich auf die Suche nach Stromfressern macht. Versorger können das fördern, indem sie wie zum Beispiel Yello eine Software bereitstellen, die den aktuellen Stromverbrauch aufzeichnet. Schaltet der Kunde dann den Standby-Betrieb der Espressomaschine ab, liest er am Verlauf der Kurven ab, wie der Stromverbrauch sinkt. Das Programm rechnet die Ersparnis pro Jahr hoch. "Diese Informationen bleiben beim Kunden", sagt Eva Heringhaus von Yello; kein Kunde müsse um seine Privatsphäre fürchten. "Wir brauchen und wollen die detaillierten Daten gar nicht."

Allerdings ändert sich die Abrechnung. Manche Energieversorger erstellen anhand der 15-Minuten-Meldungen der Stromzähler monatliche statt jährliche Rechnungen. Ihr volles Potential entfaltet die Technik aber erst, wenn die Strompreise für Privatkunden von Stunde zu Stunde schwanken. "Den Strom intelligent zu messen, reicht nicht, man muss auch Konsequenzen daraus ziehen", sagt Christian Bendel von der Universität Kassel. Anhand der einen Tag im Voraus festgelegten variablen Preise, die sich an der Leipziger Strombörse orientieren, können die Verbraucher große Geräte gezielt steuern. "Man kann die Waschmaschine erst abends starten oder die Kühltruhe zwar höher stellen, aber mittags vom Netz nehmen, wenn die Preise besonders hoch sind", sagt Bendel.

Automatisches System entwickelt

Weil diese Regulierung den meisten Verbrauchern zu mühselig sein dürfte, hat Bendels Arbeitsgruppe ein automatisches System entwickelt. Zurzeit nutzen die Kasseler Forscher dafür Zwischenstecker, die ein zentraler Computer per Funk schaltet, später könnten solche Module in Haushaltsgeräte eingebaut werden - Kühlschrank und Waschmaschine hätten dann praktisch Internetanschluss. Am Computer gibt der Nutzer zum Beispiel an, wann die Wäsche spätestens fertig sein soll, das System sucht dann den günstigsten Zeitpunkt.

Ergänzen ließe sich das System mit Messfühlern, die Peter Heusinger vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen entwickelt. Sie melden für jedes einzelne Gerät den momentanen Verbrauch. So lässt sich im Langzeittrend erkennen, ob die Dichtung am Kühlschrank kaputt ist, weswegen er immer mehr Watt frisst. "Wichtig ist natürlich, dass die Sensoren nicht mehr Strom verbrauchen, als sich einsparen lässt", sagt Heusinger. Für die intelligenten Zähler ist diese Forderung bereits erfüllt, wie eine Studie für das Bundeswirtschaftsministerium ausgerechnet hat. Die elektronischen Geräte benötigen etwa ein Siebtel des Stroms, den Drehscheiben-Zähler verbrauchen.

Die variablen Preise, die den Gedankenspielen von der automatischen Regelung zugrundeliegen, machen die neuen Zähler auch für die Stromerzeuger interessant. Bisher sehen sie die Geräte als Mittel, ihre Kunden zu binden - schließlich helfen sie ihnen, weniger für Strom zu bezahlen. Sobald aber viele Verbraucher Zähler und Regelungselektronik haben, könnten die Produzenten das Verhalten ihrer Kunden über den Preis steuern. So glätten sie im Tagesverlauf die Last in ihrem Netz und müssen nicht plötzlich teure - und besonders schmutzige - Kraftwerke anschalten, um einen kurzzeitigen Spitzenbedarf zu bedienen. Die Firmen würden so den Bedarf dem Angebot anpassen.

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