Energetische Maßnahmen:Sanierung ohne Opfer

Land erweitert Förderprogramm zur Wohnungssanierung

Vorher, nachher: links eine sanierte, rechts eine unsanierte Hausfassade.

(Foto: Jens Wolf/dpa)

Eine neue Heizung wertet eine Immobilie auf. Doch dann steigt die Miete, zuweilen so stark, dass der Mieter ausziehen muss. Eine Lösung könnten Contracting-Modelle sein.

Von Ralph Diermann

Seit zwölf Jahren wohnen Thomas und Andrea Peters mit ihren beiden Kindern nun schon in dem Vierparteienmietshaus am Rande der Altstadt von Erlangen. Das Haus ist etwas heruntergekommen, der Heizkessel ineffizient, die Fenster sind ohne Wärmeschutz. Aber die Lage ist perfekt, die Miete günstig - und: "Wir haben eine tolle Hausgemeinschaft", sagt Thomas Peters. Doch damit ist es bald vorbei. Vor einigen Monaten hat ein privater Investor das Gebäude gekauft. Und sofort eine umfassende energetische Modernisierung angekündigt: Eine dicke Dämmung soll her, neue Fenster und Türen, ein sparsameres Heizungssystem. Mit der Sanierung steigen die Mieten. "Wir sollen künftig gut dreißig Prozent mehr zahlen", berichtet Peters. Zu viel für die Familie, sie muss jetzt wohl ausziehen. Und mit ihr zwei weitere Parteien, die sich den Aufschlag ebenfalls nicht leisten können.

Ein typischer Fall von Gentrifizierung: Der Eigentümer vertreibt mit einer baulichen Aufwertung die alteingesessenen Bewohner und erzielt künftig deutlich höhere Mieterlöse. Einerseits. Schaut man sich den Fall aber genauer an, wird deutlich, dass das simple Gut-und-böse-Schema nicht greift. Der Investor argumentiert, dass ihn der schlechte Zustand des Hauses zur Modernisierung zwinge. Dabei beschränke er sich auf Maßnahmen, die den Bewohnern direkten Nutzen bringen, vor allem durch niedrigere Energiekosten. Außerdem sehe er sich in der Pflicht, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Gentrifizierung unter einem grünen Deckmantel? Oder das berechtigte Interesse eines Eigentümers, seine Immobilie für die Zukunft zu rüsten? Die Bewertung solcher Fälle ist oft nicht einfach. Klar ist nur: Rechtlich ist das Vorgehen des Vermieters in Ordnung. Bis zu elf Prozent der Investitionskosten dürfen Eigentümer als Modernisierungsumlage jährlich auf die Miete schlagen. Die in vielen Bundesländern gültige Mietpreisbremse greift hier nicht.

Zwar sinken mit einer energetischen Sanierung die Heizkosten der Bewohner. Doch längst nicht in jedem Fall ist die Ersparnis so groß, dass sich damit die Erhöhung der Kaltmiete kompensieren lässt. "Nach den Erfahrungen der örtlichen Mietervereine übersteigt die Mieterhöhung nach einer Modernisierung die eingesparten Energiekosten um das Drei- bis Vierfache, wenn die Vermieter elf Prozent ihrer Kosten umlegen", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.

Bundesjustizminister Heiko Maas will die Modernisierungsumlage auf acht Prozent beschränken

Zu dieser Schieflage trägt bei, dass manche Vermieter auch ihre Ausgaben für die Instandhaltung der Immobilie auf die Miete schlagen, obwohl sie die selber tragen müssen. Da Modernisierung und Instandhaltung oft Hand in Hand gehen, ist eine saubere Trennung mitunter schwierig. Ropertz nennt ein Beispiel: "Ein klassischer Konfliktfall ist die Fassade, die erneuert werden muss. Das gehört zur Instandhaltung. Wird dabei aber gleich eine Dämmung angebracht, fällt dieser Teil unter Modernisierung. Wie soll man da etwa die Kosten für das Gerüst korrekt zuordnen?"

Um Mieter vor allzu hohen Belastungen zu schützen, will Bundesjustizminister Heiko Maas die Modernisierungsumlage auf acht Prozent beschränken. Bei Investitionskosten von bis zu 10 000 Euro soll die Hälfte pauschal als Erhaltungsaufwand abgezogen werden, der nicht auf die Miete umgelegt werden kann. Zudem dürfe die Miete in einem Zeitraum von acht Jahren nur noch um maximal drei Euro pro Quadratmeter steigen. Der Entwurf hängt derzeit in der Ressortabstimmung. Sollte der Minister seine Pläne durchsetzen, müssen Vermieter künftig länger warten, bis sich ihre Ausgaben amortisiert haben.

Allerdings können heute viele Eigentümer die Mieten nach einer Sanierung ohnehin nicht um elf Prozent erhöhen, weil der Markt das nicht hergibt. In manchen Regionen wären sogar acht Prozent Umlage zu viel. Immobilieneigentümer laufen Gefahr, dass ihre Wohnungen leer stehen, wenn sie den gesetzlichen Spielraum voll ausschöpfen würden. Daher steigern sie die Miete nach einer Sanierung nur moderat und mindern damit den Ertrag ihrer Investition - oder verzichten auf die energetische Modernisierung.

Klimaschutz, Mieterinteressen, die Rendite-Erwartungen der Eigentümer: Lassen sich diese gegensätzlichen Ansprüche überhaupt unter einen Hut bringen? Ja, meint das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) - mit Contracting-Modellen. Dabei kümmert sich eine dritte Partei um die Sanierung und übernimmt auch deren Finanzierung. Im Gegenzug erhält sie die eingesparten Energiekosten. Die Warmmiete der Bewohner sinkt trotz geringerem Verbrauch nicht. Dafür bleibt aber die Kaltmiete konstant. Für die Vermieter bedeutet das Modell: Sie verbessern die energetische Qualität ihrer Immobilie, ohne selbst investieren zu müssen. Die Mieter genießen höheren Komfort, ohne dafür mehr zahlen zu müssen. "Contracting hat den Charme, dass niemand einen Nachteil in Kauf nehmen muss", sagt DIW-Ökonom Claus Michelsen. Das Konzept ist nicht neu, Bürogebäude und öffentliche Einrichtungen werden schon seit vielen Jahren auf diese Weise saniert.

Bei Wohngebäuden ist das schwieriger, weil die Projekte wegen der vielen Haushalte kleinteiliger sind. Damit steigen Aufwand, Kosten und Risiken der Contracting-Dienstleister, sodass sie sich oftmals gar nicht erst um solche Aufträge bemühen. Das DIW schlägt deshalb vor, Vorhaben zu bündeln. "Wir raten dazu, Contracting im Rahmen der energetischen Quartierssanierung einzusetzen. Die Modernisierung ganzer Blöcke ist für die Anbieter wegen der niedrigeren Risiken und Kosten viel attraktiver als einzelne Projekte", erklärt Michelsen. Zudem plädiert er dafür, dass der Bund Bürgschaften für kleinteilige Sanierungen bereitstellt, um den Unternehmen einen Teil ihrer Risiken abzunehmen.

Einen Nachteil hat das Contracting allerdings: Die Anbieter beschränken sich auf die Maßnahmen, die den größten Ertrag bringen. Die Beseitigung aller energetischen Schwachpunkte rentiert sich für sie meist nicht. Die Effizienz steigt also nicht so sehr, wie es bei einer umfassenden Sanierung möglich wäre. Da Gebäude meist nur alle dreißig oder vierzig Jahre modernisiert werden, bleibt dieser Zustand dann für lange Zeit zementiert. Ganz lässt sich das Dilemma der gegensätzlichen Interessen mit einem Contracting also nicht auflösen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: