Ende der Zusatzbeiträge:Tschüss, kleine Kopfpauschale

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(Foto: Jan Woitas/dpa)

Krankenkassen dürfen künftig keine Zusatzbeiträge mehr kassieren. Aber wird es für Versicherte jetzt auch billiger? Wie es nun weitergeht.

Von Guido Bohsem

In der nächsten Woche wird Angela Merkel (CDU) ganz offiziell eine politische Idee begraben, die sie fast zehn Jahre lang verfolgt hat. Ihr Kabinett wird beschließen, den Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung abzuschaffen. Dieses letzte Übrigbleibsel der auf dem Leipziger Parteitag 2003 beschlossenen Kopfpauschale soll 2015 Geschichte sein. Eine revolutionäre Idee für das Gesundheitssystem wird ad acta gelegt. Der gleiche Beitrag für alle, das konnte sich nicht durchsetzen.

Warum entfällt der Zusatzbeitrag?

Dass der erst in der vergangenen Legislaturperiode in dieser Form eingeführte Zusatzbeitrag entfällt, hat zwei wesentliche Gründe. Nach Auffassung der Koalition löste er erstens einen falschen Wettbewerb aus und ist zweitens zu kompliziert. Nur wenige Kassen haben überhaupt einen Zusatzbeitrag erhoben. Dies führte bei ihnen aber zu gewaltigen Mitgliederverlusten. Angesichts dieses Risikos haben die anderen Kassen alles dafür getan, Zusatzbeiträge zu vermeiden. Viele von ihnen verzichteten deshalb sogar auf Investitionen, die sich erst in ein paar Jahren gerechnet hätten. Union und FDP hatten zudem einen automatischen Sozialausgleich für Versicherte vorgesehen, die vom Zusatzbeitrag finanziell überfordert gewesen wären. Diese Regelung galt jedoch als so kompliziert, dass viele Fachleute froh sind, dass sie nicht angewandt wird. Grund dafür ist die ungewöhnlich gute Lage am Arbeitsmarkt. Sie bringt den Kassen so hohe Einnahmen, dass keine derzeit einen Zusatzbeitrag erheben muss.

Wie holen sich die Kassen künftig das Geld?

Jede Krankenkasse kann künftig wieder einen eigenen prozentualen Beitragssatz festlegen, sodass von der einen Krankenkasse womöglich der heutige Satz von 15,5 Prozent des Bruttolohns genommen wird, von der anderen nur 15 Prozent oder sogar 16 Prozent. Die Kasse teilt dem Arbeitgeber die Höhe ihres Satzes mit, und der überweist das Geld dann gleich an die Krankenversicherung. Als Mindestsatz sind 14,6 Prozent des Bruttolohns vereinbart. Dieser wird zur einen Hälfte vom Arbeitnehmer und zur anderen Hälfte vom Arbeitgeber getragen.

Müssen die Versicherten künftige Kostensteigerungen alleine tragen?

Ja. Wenn die Kasse einen Satz verlangt, der über 14,6 Prozent hinausgeht, müssen die Arbeitnehmer diesen Anteil alleine bezahlen. Das ist allerdings auch schon heute der Fall. Derzeit zahlen sie 0,9 Punkte des Beitragssatzes alleine. Spannend wird es, wenn die Kostensteigerungen im Gesundheitssystem die Kassen zwingen, deutlich über 15,5 Prozent hinauszugehen. Hier hat die große Koalition in einer geheimen Protokollnotiz vereinbart, dass die Arbeitgeber wieder beteiligt werden müssen. Bis 2018 soll das jedoch nicht geschehen.

Ist das ungerecht?

Das meint Hilde Mattheis, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD. Sie beharrt auf einer hälftigen Teilung der Beiträge. Die Union lehnt das ab, weil sie fürchtet, dass die Beiträge die Unternehmen zu stark belasten könnten. Volkswirte stehen beiden Argumenten reserviert gegenüber. Für sie zählt die Gesamthöhe der Beiträge. Ob die Arbeitgeber einen Teil davon gleich an die Krankenkassen abgeben oder ob die Gewerkschaften den höheren Arbeitnehmeranteil durch höhere Lohnrunden einfordern, spielt eine nachgeordnete Rolle.

Werden die Beiträge sinken?

Nach Berechnungen des Gesundheitsministeriums dürfen bis zu 20 Millionen Kassenmitglieder (von etwa 52 Millionen) mit sinkenden Beiträgen rechnen. Das ergibt sich aus der Summe der Finanzreserven, die derzeit bei den Kassen über 17 Milliarden Euro beträgt. Ob eine Kasse nun tatsächlich die Beiträge senkt, dürfte aber sehr von ihrer speziellen Geschäftsstrategie abhängen. So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob man sich erhofft, durch einen niedrigen Beitrag zusätzliche Mitglieder gewinnen zu können, oder ob man die Reserven lieber längerfristig nutzen möchte.

Was kann ich tun, wenn meine Kasse den Beitrag anhebt?

Die Kassen sollen verpflichtet werden, bei jeder Beitragserhöhung ein Sonderkündigungsrecht einzuräumen. Sie müssen zudem bei der Ankündigung eines höheren Beitrags ausdrücklich auf die Möglichkeit eines Kassenwechsels hinweisen. Experten gehen aber davon aus, dass Kassenwechsel bei Weitem nicht so häufig vorkommen werden, wie es zuvor bei den Zusatzbeiträgen der Fall war.

Wie ist es mit Langzeitarbeitslosen?

Wer Hartz IV erhält, muss sich über den Krankenkassenbeitrag keine großen Gedanken mehr machen - anders als beim Zusatzbeitrag, den sie selbst hätten zahlen müssen. Laut Gesetzentwurf überweist die Bundesagentur für Arbeit künftig den vollständigen Betrag automatisch - und zwar in der durchschnittlichen Höhe des Beitragssatzes aller Kassen.

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