Einstieg bei der Postbank:Die Wandlung des Dr. Ackermann

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Der überzeugte Investmentbanker und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hat notgedrungen seine Liebe zum Privatkundengeschäft entdeckt.

Martin Hesse

Im Nachhinein sieht es so aus, als habe sich Josef Ackermann einen kleinen Spaß mit seinen Zuhörern erlaubt. Als der Chef der Deutschen Bank am Mittwoch bei einer Bankenkonferenz im Frankfurter Kongresszentrum an das Rednerpult trat, spulte er zunächst eine Rede ab, wie man sie von ihm in diesem Jahr oft gehört hat.

Josef Ackermann: "Mindestens für Jahrzehnte" die unanfechtbare Nummer eins im deutschen Privatkundengeschäft (Foto: Foto: dpa)

Er räsonierte über Ursachen und Folgen der Kreditkrise, streute eine Prise Reue ein und pries die Stärke der Deutschen Bank. Die Postbank? Erwähnte er erstmal mit keinem Wort, sprach nur allgemein davon, "große Restrukturierungen" infolge von Akquisitionen würden die Deutsche Bank im Moment eher belasten.

Er schafft die Kulturrevolution

Als Ackermann aber dann nach der Postbank gefragt wurde, war ihm rasch anzumerken, dass er darauf nur gewartet hatte.

Ja, die Postbank passe strategisch hervorragend zur Deutschen Bank, sie könne sein Institut im Privatkundengeschäft und als Vertriebsnetz stärken. Und ja, er werde in den nächsten Tagen hier vor Ort sein. Und dann lachte er spitzbübisch, wie er das wieder öfter tut, seit er den Mannesmann-Prozess abgeschüttelt und sein ramponiertes Image sich deutlich gebessert hat.

Natürlich wusste Ackermann da längst, dass er bei der Postbank fast am Ziel war und auch, wie der Einstieg gestrickt sein würde. Zwei Tage später ist es offiziell: Die Deutsche Bank kauft zunächst nur knapp 30 Prozent, große Restrukturierungen erspart sie sich in der Tat.

Gleichzeitig habe die Deutsche Bank die Option, "mindestens für Jahrzehnte" die unanfechtbare Nummer eins im deutschen Privatkundengeschäft zu werden, freut sich Ackermann. Schon am Mittwoch hatte der Bankchef immer wieder betont, wie wichtig ihm dieses Privatkundengeschäft sei; dass man es ausbauen wolle und dass die Bank mit dem Slogan "Leistung aus Leidenschaft" in Deutschland Nummer eins sein wolle.

Ackermanns Leidenschaft ist das Privatkundengeschäft nicht. Vor drei Jahren hatte er das an gleicher Stelle deutlich gemacht. Er verabschiedete sich damals von dem Ziel, den Anteil der Erträge aus dem Privatkundengeschäft von damals 30 auf 40 Prozent zu steigern.

Vorfahrt für die Investmentbanker hieß das. Und die Investmentbanker gaben Gas. In den folgenden zwei Jahren bauten sie den Gewinnanteil des Investmentbankings zeitweise auf mehr als drei Viertel aus. Dann beendete die Kreditkrise im Sommer 2007 den Höhenrausch der Wertpapierhandwerker und -händler abrupt.

Diese Konzentration auf das Investmentbanking war auch eine Folge von Ackermanns erstem Versuch, die Kontrolle über die Postbank zu gewinnen. 2004 hatte sich die Deutsche Bank in Interessenkonflikten verheddert, als sie gleichzeitig den Börsengang der Postbank vorbereitete und selbst eine Übernahme prüfte.

"Das ist damals durchgesickert und zerredet worden", erinnert sich Ackermann. Doch die Übernahme platzte auch, weil Ackermann das Investmentbanking im Zweifel stets näher stand als das Massenkundengeschäft.

Wäre es anders, hätte Hilmar Kopper, Ackermanns Vorvorgänger, den Schweizer wohl 1996 gar nicht erst zur Deutschen Bank geholt. Ackermann hatte sich kurz zuvor mit dem Chef der Credit Suisse, Rainer Gut, überworfen, als Nummer zwei verließ er die Schweizer Bank im Zorn.

Der ehrgeizige Ackermann hatte sich mit seinen Vorstellungen von einer straff und zentral organisierten Bank nicht durchsetzen können. Bei der Deutschen Bank sollte er später mehr Erfolg haben: Wie keinem anderen Chef der Deutschen Bank zuvor gelang es ihm, die Führungsstruktur auf seine Person zuzuschneiden.

Die letzte Chance

Als Kopper ihn holte, sollte Ackermann als Vorstand jedoch zunächst das Investmentbanking neu organisieren und erfolgreich machen. Schon Koppers Vorgänger Alfred Herrhausen hatte Ende der achtziger Jahre begonnen, die Deutsche Bank zu internationalisieren und das Investmentbanking zu stärken.

Der erste sichtbare Schritt war der Kauf der britischen Investmentbank Morgan Grenfell 1989, kurz bevor Herrhausen von der RAF ermordet wurde. Doch die Investmentbanker in London führten ein Eigenleben. Selbst als Kopper sie stärker integrierte, änderte das wenig.

"Jede erfolgreiche Bank braucht irgendwann eine Kulturrevolution", hatte Herrhausen einmal gesagt. Ackermann - neben Herrhausen der einzige Deutsche- Bank-Chef, der nicht aus dem Haus kam - war derjenige, der diese Revolution einleitete. Schnell gelang es ihm, das Vertrauen der führenden Investmentbanker um Edson Mitchell und Anshu Jain zu gewinnen.

Mit ihnen baute er das Investmentbanking aus, vor allem nach der Übernahme von Bankers Trust im Jahr 1999. Der damalige Vorstandssprecher Rolf Breuer gibt den Kurs vor, als starker Mann gilt jedoch mehr und mehr Ackermann, mit den Investmentbankern im Rücken. Sie sind es auch, die den Zusammenschluss mit der Dresdner Bank im Frühjahr 2000 zum Scheitern bringen. Wenige Monate später kündigt Breuer seinen Rückzug für 2002 an.

Im Mai 2002 übernimmt Ackermann die Führung der Bank und organisiert sie völlig neu. Zu seinen ersten Amtshandlungen gehört es, das Massenkundengeschäft, das Breuer drei Jahre zuvor unter der Marke Deutsche Bank 24 ausgegliedert hatte, zurück zur Mutter zu holen. Fortan gab Ackermann für den Privatkundenbereich ähnlich ambitionierte Ziele aus wie für das Investmentbanking. 2004 sollte der Bereich gemeinsam mit der Vermögensverwaltung eine Milliarde Euro verdienen, was auch gelang.

Es folgten der erste Anlauf auf die Postbank und danach die hohe Zeit der Investmentbanker. Doch schon 2006 drängten Analysten, die Deutsche Bank müsse ihre stabilen Geschäftsbereiche stärken und unabhängiger von dem schwankungsanfälligen Investmentbanking werden.

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Noch im gleichen Jahr übernahm Ackermann zunächst die Berliner Bank und wenige Monate später die Norisbank. Doch der erste Kauf galt lediglich als regionale Ergänzung, der zweite als größeres Versuchslabor für den Aufbau einer Billigmarke für Konsumenten-Finanzierung. Der Fokus auf das Investmentbanking blieb.

Erst als die Kreditkrise im Sommer 2007 den Geldstrom der Investmentbank austrocknete, entdeckte Ackermann seine Liebe zum Privatkundengeschäft. Die hohen Erträge des Bereichs sorgten dafür, dass die Deutsche Bank verglichen mit manchem amerikanischen Konkurrenten gut durch die Krise kam.

Zunächst versuchte Ackermann, das Deutschlandgeschäft der Citi an sich zu reißen, das die Amerikaner wegen der Krise abstießen. Doch die Deutsche Bank unterlag der französischen Crédit Mutuel. Nach der Fusion von Commerzbank und Dresdner Bank war die Postbank für Ackermann die letzte Chance, im deutschen Privatkundengeschäft einen großen Coup zu landen. Er hat sie genutzt und freut sich diebisch.

© SZ vom 13.09.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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