Eigenkapitalquoten von Banken:Gefährlicher Schutzwall

Die Banken sollen mehr Eigenkapital sammeln, um gegen Krisen gerüstet zu sein. Doch das könnte die Kreditklemme verschärfen. Fragen und Antworten.

H. Einecke, M. Hesse u. C. Hoffmann

Kaum hat der Staat die Finanzkonzerne gerettet, drehen Banker wieder das große Rad. Das wollen Politiker und Notenbankchefs nicht dulden. Sie fordern strengere Regeln: Die Institute sollen verpflichtet werden, mehr Eigenkapital zurückzulegen als bisher, damit sie sich nicht übermäßig verschulden und in Krisenzeiten mehr Geld als Puffer bereitsteht. Diskutiert wird auch, ob der Staat sehr großen oder riskant agierenden Banken generell höhere Eigenkapitalquoten abverlangen soll. So gestärkt, würden sie im nächsten Abschwung nicht so schnell zum Rettungsfall werden. Gesucht werden Wege, das rücksichtslose Gewinnstreben der Banken zu bremsen - ohne die Kapitalmärkte zu ruinieren.

Tresor, Foto: istock

Die Krise zeigt Wirkung: Banken sollen künftig dazu verpflichtet werden, mehr Eigenkapital zurückzulegen.

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Wie sehen die Regeln zum Eigenkapital der Banken heute aus?

Banken müssen Kapital vorhalten, um Kreditausfälle oder Kursverluste zu verkraften, mindestens acht Prozent all ihrer Forderungen. Sie sollen aber nicht alle Kredite und Wertpapiergeschäfte gleich behandeln, sondern diese nach ihrem Risikogehalt bewerten und danach ihr Eigenkapital staffeln. So will es das Regelwerk "Basel II", das seit 2007 in Europa umgesetzt wurde, nicht aber in den USA. In der Praxis sind die Regeln kompliziert und umstritten, etwa wenn Banken eigene Risikomodelle aufstellen.

Warum haben die Banken Interesse an wenig Eigenkapital?

Das nötige Geld ist nur schwer zu beschaffen und obendrein teuer. Gerade in Krisenzeiten zögern Anleger, neu herausgegebene Aktien von Kreditinstituten zu kaufen und ihnen auf diesem Wege Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Als Bankchef lebt es sich mit wenig Eigenkapital gut, insbesondere dann, wenn es das erklärte Ziel ist, hohe Eigenkapitalrenditen als zu erzielen; Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann beispielsweise erhebt Anspruch auf 25 Prozent. Aber was bedeutet diese Zahl? Sie bedeutet nicht, dass die Deutsche Bank an jedem Euro 25 Cent verdient. Die Ziffer errechnet sich einfach, indem man den Gewinn der Bank durch ihr Eigenkapital teilt. Sie lässt sich also ziemlich einfach schönen: Man braucht nur das Eigenkapital zu verringern, also die Schulden zu erhöhen - und schon steigt die Eigenkapitalrendite. Mit schärferen Regeln geht das nicht mehr so leicht.

Auf der nächsten Seite: Warum die Eigenkapitalregeln zum Problem wurden - und was die Wissenschaft zu dem Problem sagt.

Was die Wissenschaft sagt

Warum sind die Eigenkapitalregeln in der Krise zum Problem geworden?

Da die Banken deutlich weniger Kapital halten als andere Unternehmen, geraten sie besonders leicht in eine Schieflage. Um Kapital und Risiken wieder in ein angemessenes Verhältnis zu bringen, können Banken neues Kapital beschaffen oder Risiken reduzieren. Doch bis heute sind die wenigsten Banken in der Lage, frisches Kapital am Markt aufzunehmen. Attraktiver ist es aus der Sicht der Bank, ihre sogenannten Risikoaktiva zu reduzieren, also vor allem weniger Kredite zu vergeben. Daher gilt die Kapitalknappheit der Banken als Hauptursache für die Kreditklemme in Unternehmen. Die Krise hat ein weiteres Problem offengelegt: Im Abschwung fressen Verluste das Kapital der Banken auf, gleichzeitig müssten sie wegen der höheren Ausfallrisiken mehr Kapital vorhalten, weshalb sie ihre Kredite erst recht verknappen. Die Regeln wirken prozyklisch.

Was schlägt die Wissenschaft zur Lösung des Problems vor?

Einige Wissenschaftler fordern, dass Banken vergleichbar hohe Eigenkapitalpositionen brauchen wie andere Unternehmen auch - und damit deutlich mehr als heute, damit in schwierigen Zeiten ein hoher Risikopuffer zur Verfügung steht. Gemeint ist aber nicht das regulatorische Eigenkapital, das der Gesetzgeber vorschreibt und das kompliziert berechnet wird, sondern das ökonomische Eigenkapital, also schlicht die Differenz zwischen Vermögen und Schulden. "Die ökonomische Eigenkapitalquote sollte Richtung 20 bis 25 Prozent gehen, also gut doppelt so hoch sein wie heute", fordert beispielsweise Andreas Oehler, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Bamberg. Die positive Folge wäre, dass Banken und Finanzsystem deutlich stabiler wären als derzeit und Eigenkapital-Geber stärker drauf achten würden, mit welchem Risiko Geschäfte gemacht werden - schließlich steht mehr eigenes Geld im Feuer. Die Kehrseite: Die Banken können nur geringere Eigenkapitalrenditen ausweisen.

Was fordern Notenbanken und Regierungschefs?

Banken sollen künftig mehr und hochwertigeres Kapital halten. Bisher dürfen sie auch zweitklassiges Kapital einbeziehen, über das sie im Notfall nicht voll verfügen können. Generell sollen sie in guten Zeiten Polster anlegen, von denen sie in schlechten Zeiten zehren können. Die Banken sollen sich mehr an der Idee von Basel II orientieren, ihre riskanten Geschäfte als solche ausweisen und deshalb auch stärker mit Kapital unterlegen als Brot- und Butter-Geschäfte.

Auf der nächsten Seite: Strengere Eigenkapitalregeln für Banken - und was die Institute selbst dazu sagen.

Was die Banken sagen

Müssen für große Banken noch strengere Eigenkapitalregeln gelten?

"An große Banken sollten höhere Kapitalanforderungen gestellt werden als an kleine", fordert eine Gruppe angesehener amerikanischer Ökonomen um den Yale-Professor Robert Shiller in einem Arbeitspapier. Schließlich seien die Folgen der Kapitalknappheit oder gar eines Zusammenbruchs einer großen Bank für die Gesamtwirtschaft und das Finanzsystem größer, als wenn mehrere kleine Institute kollabierten. Wenn nun größere Institute mehr Eigenkapital vorhalten müssen, sind sie erstens mit einem besseren Puffer ausgestattet und weniger anfällig für Krisen. Zweitens sinkt aber auch der Anreiz, immer größer zu werden. Eigenkapital ist teuer und schmälert die Rendite. Die Größe und Marktmacht der Banken würde also automatisch beschränkt.

Wie stehen die Banken zu höheren Eigenkapitalanforderungen?

Der globale Bankenverband IIF räumt ein, dass der hohe Verschuldungsgrad und die dünne Kapitaldecke mancher Banken die Krise verschärft haben. Doch der Interessenverband warnt zugleich, mit zu strengen Regeln über das Ziel hinauszuschießen. Das Hauptargument: Höhere Anforderungen schränken die Kapazität der Banken ein, Kredite zu vergeben, und hemmen letztlich das Wirtschaftswachstum. Auch müssten Banken in der Lage bleiben, nachhaltig Gewinne zu erzielen, um die Wirtschaft mit Krediten versorgen und Investoren anziehen zu können.

Zudem rät das IIF, die Kapitalanforderungen stark von den Risiken abhängig zu machen, die eine Bank eingeht, so wie es die Regeln von Basel II auch vorsehen. Schließlich weisen die Banken darauf hin, dass die Baseler Bankenwächter einige Schwächen der alten Kapitalregeln bereits behoben haben: Risiken, die Banken außerhalb der Bilanz und in ihrem Handelsgeschäft eingingen, würden nun besser berücksichtigt. Eine weitere Forderung des IIF: Die Kapitalvorschriften müssen überall in er Welt gleich sein, um fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

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