Eigenkapital für Banken:Macht Basel III die Welt sicherer?

Riskante Geschäft auf Kosten des Steuerzahlers - das soll künftig schwerer werden: Banken müssen besser vorsorgen. Aber genügt das, um die nächste Krise zu verhindern? Zehn Fragen und zehn Antworten.

Helga Einecke, Harald Freiberger und Markus Zydra

Es gibt tauglichere Themen für den Stammtisch als die Bankenregulierung. Doch das liegt weniger an der Brisanz des Themas als vielmehr an dessen Komplexität. Die SZ erklärt in zehn Fragen und Antworten, worum es geht.

Frankfurter Skyline in der Abenddaemmerung

Banken müssen künftig ihre Geschäfte mit einem höheren Anteil an Eigenkapital unterlegen.

(Foto: ddp)

Der Baseler Ausschuss hat am Sonntagabend eine Empfehlungsliste zur Bankenregulierung veröffentlicht - unter dem Stichwort BaselIII. Die Maßnahmen fallen härter aus als erwartet, sie müssen aber erst noch von den Nationalstaaten in geltendes Recht umgesetzt werden. Im Baseler Ausschuss sitzen Notenbanker und Finanzaufseher aus 27Staaten. Der Kompromiss lautet in einfachen Worten: Banken sollen weniger zocken, sie müssen mehr eigenes Geld vorhalten. Spekulieren auf Pump wird schwieriger.

1. Macht Basel III die Welt sicherer?

Ausgangspunkt für die schärferen Regulierung war die Finanzkrise. Banken sollen künftig ohne Staatshilfen solche Situationen meistern können. Wissenschaftler sind skeptisch, ob das gelingt: "Die höheren Eigenkapitalvorschriften allein werden die grundsätzlichen Probleme nicht lösen, die zur Finanzkrise geführt haben", sagt Stephan Paul von der Uni Bochum. Die US-Investmentbank Lehman Brothers, so Pauls Einschätzung, wäre im September 2008 auch mit mehr Eigenkapital Pleite gegangen. Deshalb sei es wichtig, die regelmäßige Aufsicht bei jeder einzelnen Bank zu verbessern.

"Ich glaube nicht, dass BaselIII die nächste Finanzkrise verhindert", sagt auch Dieter Hein, Geschäftsführer des Finanzanalysehauses Fairesearch. Hein begründet es mit der Berechnungsmethode des Kernkapitals. Der Hintergrund: Banken müssen Kredite mit Eigenkapital unterlegen, doch die Höhe dieser Unterlegung hängt vom Ausfallrisiko des Kreditnehmers ab. Und darüber lässt sich gut streiten. "Die Banken unterstellen beispielsweise, dass Staatsanleihen nicht ausfallen können, und das erscheint mir angesichts der Ereignisse in Griechenland als sehr zweifelhaft", so Hein.

2. Was bedeutet das für den Steuerzahler?

Der Steuerzahler ist nur betroffen, wenn Banken mit Staatsbeteiligung mehr Kapital brauchen. Das könnte bei der Commerzbank passieren, das gilt derzeit als unrealistisch. Doch die jüngste kurzfristige staatliche Garantieaufstockung in Höhe von 40MilliardenEuro für die Staatsbank HRE zeigt, wie schnell sich die Rahmenbedingungen ändern können.

3. Was heißt das für die Bankkunden?

Wenn die Institute weniger Risiken eingehen dürfen, dann sind die Guthaben der Sparer sicherer. Eventuell könnten jedoch künftig weniger Kredite an Unternehmen vergeben werden. Das würde die Bürger mittelbar treffen, etwa weil ihr Arbeitgeber notwendige Investitionen nicht durchführen kann. Auch Konsumentenkredite könnten eingedampft werden, heißt es aus der Branche. Bei diesen Warnungen könnte es sich aber auch nur um Angstmacherei handeln.

Was passieren könnte, ist, dass die Banken ihre höheren Kapitalkosten nicht aus ihrem Topf zahlen. "Die Banken werden die Kosten an die Kunden weiterreichen, um ihre Profitabilität auf unverändertem Niveau zu halten", so Hein.

4. Was wurde genau beschlossen?

Banken müssen künftig mehr Kernkapital vorweisen. Entscheidend ist: Es muss Kernkapital in harter Münze sein. Dazu zählt das Aktienkapital, also die Gelder, die Investoren in die Firma stecken. Hartes Kernkapital (im Fachjargon Core Tier1) zeichnet sich dadurch aus, dass es jederzeit bereitliegt, um Verluste ausgleichen zu können. Die Kernkapitalquote soll nun auf 4,5Prozent steigen, dazu kommt ein Puffer von 2,5 Prozent. In der Summe also sieben Prozent. Zum Vergleich: Das derzeit gültige Abkommen BaselII schreibt nur zwei Prozent vor.

Ab wann die neuen Regeln gelten

Die Kernkapitalquote wird berechnet, indem man das Kernkapital der Bank durch die Summe der Risikoposten (etwa Kredite und Wertpapiere) teilt. Die Kernkapitalquote sagt also aus, inwieweit die Risikopositionen im Fall von Verlusten durch eigene Mittel gedeckt sind, sprich wie dick der Risikopuffer der Bank ist.

Eigenkapital für Banken: So viel Kapital brauchen Europas große Banken

So viel Kapital brauchen Europas große Banken

5. Ab wann gelten die neuen Regeln?

Es gelten lange Übergangsfristen: Erst ab 2019 müssen Banken ihr Geschäft mit sieben Prozent hartem Kernkapital unterlegen. "Das sollte für die meisten unserer Banken zu schaffen sein", heißt es aus der Citigroup.

6. Was müssen die Banken jetzt tun?

Die Empfehlungen zu BaselIII sollen im November auf dem G20-Gipfel im südkoreanischen Seoul von den Staats- und Regierungschefs angenommen werden. Ab 2013 soll BaselIII gelten, doch dazu muss es nach dem G20-Gipfel in nationales und europäisches Recht gegossen werden. Das birgt Unsicherheiten. Fraglich ist vor allem, ob die USA BaselIII fristgerecht umsetzen. "Es werden sich wohl nicht alle amerikanischen Banken diesem Regelwerk unterwerfen", vermutet Martin Faust, Bankenprofessor an der Frankfurt School of Finance. "Auch bei der Frage, was genau unter hartem Kernkapital zu verstehen ist, wird es in einigen Einzelstaaten bestimmt noch Diskussionen und leichte Veränderungen zum Baseler Vorschlag geben", befürchtet der Experte.

7. Welche Sonderregeln gibt es für Sparkassen und Volksbanken?

Die Sparkassen können mit den neuen Regeln gut leben, weil sie meistens genügend Kapital vorhalten. Ihr Eigenkapital sind vor allem die angesammelten Gewinne, die sie offene Rücklagen nennen und zum kleineren Teil stille Einlagen. Stille Einlagen werden allerdings nur noch übergangsweise und unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt. Das trifft vor allem die Landesbanken.

Die Folgen für die Deutsche Bank und die Commerzbank

Die Volksbanken fühlen sich von den neuen Regeln kaum tangiert, weil das Genossenschaftskapital weiterhin als hartes Kernkapital anerkannt wird. Sie wollen deshalb wie bisher Kredite an Privatleute und Unternehmen geben.

8. Was sind die Folgen für Deutsche Bank und Commerzbank?

Die beiden börsennotierten Großbanken müssen am schnellsten handeln, weil der Kapitalmarkt künftige Anforderungen in der Regel schon in der Gegenwart einrechnet. Die Deutsche Bank kündigte deshalb am Sonntag eine Kapitalerhöhung von fast zehn Milliarden Euro an. Acht Milliarden Euro davon dienen der Finanzierung der Postbank-Übernahme, mit etwa zwei Milliarden soll das harte Kernkapital gestärkt werden. "Wir werden die Basel-III-Kriterien bereits Ende 2013 erfüllen", sagte der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, am Montag. "Wir haben sehr gut vorgearbeitet." Deshalb brauche sein Institut über die angekündigten Kapitalerhöhung hinaus kein weiteres Geld vom Aktienmarkt, um die künftigen Auflagen zu erfüllen. Ackermann nannte Basel III "alles in allem ein gutes, rundes Paket, das wir sehr unterstützen".

Wesentlich schwieriger ist die Lage für die Commerzbank. "Sie steht von zwei Seiten unter Druck", erklärt Faust, Professor an der Frankfurt School of Finance and Management. "Einerseits soll sie dem Staat die Kapitalhilfe von 16,4 Milliarden Euro zurückzahlen, andererseits soll sie ihr Eigenkapital stärken." Das Institut hat eine Übergangsfrist bis 2018 erhalten; so lange zählt die Staatshilfe zum harten Kernkapital. Der Kapitalmarkt dürfte aber schon vorher Handlungen von dem Institut erwarten. Da die Gewinne nicht hoch genug sind, müsste auch die Commerzbank eigentlich ihr Kapital erhöhen. Die britische Großbank Barclays schätzt, dass sie zehn Milliarden Euro frisches Kapital braucht, um Basel III zu erfüllen. Doch nun ist ihr die Deutsche Bank zuvorgekommen. Auch dürfte es für sie nicht so einfach sein, Kapitalgeber an der Börse zu finden. Im schlimmsten Fall gibt es für die Commerzbank nur einen Weg: Sie muss neue Staatshilfe beantragen.

Auch andere private Banken in Deutschland müssen ihrem Verband zufolge tiefgreifende Maßnahmen ergreifen, um sich auf die neuen Eigenkapitalvorschriften vorzubereiten. Das neue Regelwerk werde viele Häuser "hart treffen".

9. Was bedeuten die Vorschriften für Aktionäre?

Grundsätzlich gilt: Je mehr Kapital für die Risikoabfederung gebunden ist, desto geringer fällt der Ertrag aus. Das schmeckt den Aktionären nicht. "Allerdings haben die meisten Banken ihre Eigenkapitalbasis bereits entsprechend gestärkt, in den Gewinnschätzungen sind die Basel-III-Vorschriften damit größtenteils berücksichtigt", sagt Bankenexperte Dieter Hein. Am Montag kam es an den Börsen gar zu Kurssteigerungen bei Bankaktien. Die Dividenden für Bank-Aktionäre könnten aber geringer ausfallen, wenn die Institute weniger von ihren Gewinnen ausschütten und stattdessen einbehalten.

10. Was kommt nach Basel III?

Die Finanzaufsichtsbehörden müssen die Einhaltung der neuen Vorschriften kontrollieren. Ein Passus in der Vorschlagsliste für BaselIII erscheint da besonders interessant: Je näher Banken künftig der vorgeschriebenen Kernkapitalquote von sieben Prozent kommen, desto schärfer sollen die Beschränkungen bei Boni und Gehältern für Bankmanager werden. Hier erhalten die Aufseher einen guten Hebel zur Risikokontrolle in den Kreditinstituten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: