Ehegatten-Splitting für homosexuelle Paare:Finanzgerichte outen sich

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Das letzte große Steuerprivileg der Ehe gerät ins Wanken: Immer mehr Finanzgerichte stufen die Benachteiligung homosexueller Paare beim Ehegatten-Splitting als grundrechtswidrig ein. Doch die Koalition, allen voran die CSU, lehnt eine weitere Angleichung der Lebenspartnerschaft an die Ehe bisher kategorisch ab.

Claus Hulverscheidt

Es gibt nicht viel, was Manfred Bruns in seinen 77 Lebensjahren noch nicht begegnet wäre. Er wuchs im Krieg auf, zog drei Kinder groß, war Bundesanwalt am Bundesgerichtshof und ist bis heute das Gesicht des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD). An ein Weihnachtsfest wie das jüngste aber kann sich der rüstige Pensionär nicht erinnern. "Auf meinem Schreibtisch stapelten sich die Anfragen, ich musste über die Feiertage praktisch durcharbeiten", erzählt er.

Endlich Gerechtigkeit? An den Finanzgerichten gibt es eine Wende in Sachen Ehegatten-Splitting für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. (Foto: Frank Mächler/dpa)

Grund war ein wenige Tage alter Beschluss des Finanzgerichts Köln, wonach die staatlich verordnete Benachteiligung homosexueller Paare beim steuerlichen Ehegatten-Splitting verfassungswidrig ist. "Viele Betroffene wollten natürlich wissen, ob sie noch 2011 irgendetwas beim Finanzamt oder vor Gericht unternehmen können", so Bruns.

So sehr ihm die Flut an Anfragen die Feiertage auch verhagelte, so sehr freuen sich der Jurist und seine Mitstreiter darüber, dass an den Finanzgerichten ganz offensichtlich eine Wende in Sachen Ehegatten-Splitting in Gang gekommen ist. Allein seit Januar 2010 hat es nach Zählung des LSVD 17 Gerichtsbeschlüsse gegeben, in denen die Bevorzugung von Eheleuten gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren mehr oder weniger klar als grundgesetzwidrig eingestuft wird.

"Das letzte große Steuerprivileg der Ehe gegenüber der eingetragenen Lebenspartnerschaft gerät ins Wanken", sagt der Berliner Anwalt Dirk Siegfried. Auch Markus Deutsch vom Steuerberaterverband erklärt, es sei bei allen noch bestehenden Unwägbarkeiten "nicht unwahrscheinlich", dass das Bundesverfassungsgericht die jetzige Regelung kippen werde.

Die Splitting-Vorschrift gewährleistet, dass das Finanzamt die Einkünfte der Eheleute bei der Einkommensteuererklärung addiert und dann gleichmäßig auf Mann und Frau verteilt. Vor allem wenn einer der Partner deutlich mehr verdient als der andere, ergibt sich daraus ein immenser Steuervorteil, der leicht Tausende Euro pro Jahr betragen kann. Lesben und Schwule fordern schon lange, dass der Staat diesen Vorteil auch homosexuellen Paaren in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gewährt - oder das Splitting komplett abschafft. Die Koalition, allen voran die CSU, lehnt aber beide Optionen kategorisch ab und verweist darauf, dass die Ehe unter dem besonderen Schutz der Verfassung stehe.

Die strikte Haltung der Christsozialen wird jedoch von immer weniger Juristen geteilt, wie die jüngsten Beschlüsse unter anderem der Finanzgerichte Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nürnberg und Köln aus den Jahren 2010 und 2011 zeigen. Einige gaben den Anträgen eingetragener Lebenspartner statt, sich in die bisher für Eheleute reservierten Steuerklassen III, IV oder V statt in die für Singles vorgesehene Klasse I eintragen zu lassen. Andere bezeichneten das geltende Recht schlicht als Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes und verwiesen auf ein ähnliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer vom Juli 2010.

Das Bundesfinanzministerium hält dagegen eine Übertragung dieses Urteils auf die Einkommensteuer für unzulässig. Sogar die Richter selbst hätten das in ihrem Beschluss betont, sagt eine Sprecherin. Mehr noch: Karlsruhe habe gesetzliche Sonderregeln zugunsten der Ehe in bestimmten Fällen ausdrücklich zugelassen. Renate Rampf vom Lesben- und Schwulenverband hat diese wie andere Argumente schon Hunderte Male gehört - und ist sich dennoch sicher: "Die Stimmung kippt."

© SZ vom 05.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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