Dramatische Kursverluste:Achterbahnfahrt an der Wall Street

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Erst ein schwerer Absturz unter 8000 Punkte, dann zeitweise ins Plus: Der Dow-Jones-Index zeigt heftige Kursschwankungen. In Deutschland verlor der Dax sieben Prozent.

Hoffnungsschimmer inmitten des weltweiten Ausverkaufs an den Aktienmärkten: Die US-Börsen haben im frühen Handel am Freitag zeitweise sogar leichte Gewinne verzeichnet. Auch wenn sie kurz darauf wieder ins Minus abtauchten, fielen die Verluste deutlich geringer aus als im Rest der Welt.

Das Drama nimmt kein Ende, der Dax fällt unaufhaltbar: Aktienhändler an der Frankfurter Börse. (Foto: Foto: AP)

Der Dow Jones in New York verbuchte in der ersten Stunde ein Minus von 0,8 Prozent auf 8507 Punkte. Der Sammelindex der Technologiebörse NASDAQ rutschte um 0,7 Prozent auf gut 1633 Punkte ab. Der Dax stand in dieser Zeit noch bei einem Minus von rund acht Prozent. Der Nikkei in Tokio war am Morgen um mehr als neun Prozent in die Tiefe gestürzt - der drittgrößte Tagesverlust seiner Geschichte.

Händler machten sich angesichts der Entwicklung am US-Markt Hoffnung auf eine Gegenbewegung: Vor allem Banktitel verbuchten Gewinne und dämmten damit die Verluste des Gesamtmarktes etwas ein. "Wir haben gerade eine klassische Gegenbewegung nach einem drastischen Kurssturz zu Handelsbeginn erlebt", kommentierte Angel Mata vom Handelshaus Stifel Nicolaus Capital Markets.

Aktuell seien viele Investoren der Auffassung, dass der Markt überverkauft sei. Dementsprechend seien sie wieder in den Markt eingestiegen. Außerdem gab es in US-Medien Berichte zu Überlegungen der US-Regierung für weitere Stützungsmaßnahmen.

In Deutschland hatte sich nach dem anfänglichen Absturz des Dow Jones die Talfahrt an den Aktienmärkten fortgesetzt. In Frankfurt beendete der Dax den Handelstag bei 4544,31 Zählern, ein Minus von sieben Prozent. Das ist der tiefste Stand seit rund drei Jahren. An der brasilianischen Börse in São Paulo wurde der Handel ausgesetzt.

Nikkei im 20-Jahres-Tief

US-Händler sprachen von Panikverkäufen im Eröffnungsgeschäft. Die Anleger hätten Angst vor einem von der Finanzkrise ausgelösten weltweiten Wirtschaftsabschwung, erklärten Börsianer. "Die Panik und die Angst, die wir sehen, haut einen um. Es scheint so, als ob der Markt eine Depression einpreist", sagte Matt McCall von Penn Financial Group. Auch in Europa und Japan ging es deutlich bergab. Die Börse in Tokio verbuchte am Freitagmorgen zeitweilig ihren größten Verlust seit gut 20 Jahren, der Nikkei-Index beendete den Handel 9,6 Prozent im Minus.

Konjunkturabschwung drückt die Aktienkurse

Zudem machten schlechte Konjunktur-Nachrichten den Börsen zu schaffen. Die US-Exporteure verzeichneten im August den stärksten Umsatzrückgang seit mehr als vier Jahren. Sie verkauften Waren und Dienstleistungen im Wert von 164,7 Milliarden Dollar ins Ausland und damit zwei Prozent weniger als im Vormonat. Wegen sinkender Ölpreise und der schwächeren Nachfrage durch den Konjunkturabschwung schrumpften die Importe noch deutlicher. Sie gingen um 2,4 Prozent auf 223,9 Milliarden Dollar zurück. Dadurch verringerte sich das Defizit in der Handelsbilanz - die Differenz zwischen Exporten und Importen - überraschend deutlich um 3,5 Prozent auf 59,1 Milliarden Dollar.

Der Fehlbetrag wird an den Märkten mit großer Aufmerksamkeit beobachtet. Weil die USA mehr konsumieren als sie produzieren, muss die Lücke durch massive Kapitalzuflüsse aus dem Ausland geschlossen werden. Bleiben diese aus, droht eine Dollar-Abwertung mit entsprechenden Auswirkungen für die Weltwirtschaft.

Mehrere Börsen setzten Handel aus

Bei den Einzelwerten zeigten sich die Aktien des US-Industriegiganten General Electric wenig verändert. Der Überschuss des Mischkonzerns war wegen der Finanzkrise im dritten Quartal um 22 Prozent auf 4,31 Milliarden Dollar gefallen. Dennoch erfüllte das Unternehmen die Markterwartungen. Im Finanzsektor brachen die Aktien der Bank Morgan Stanley um 29 Prozent und die der Rivalin Goldman Sachs um 15 Prozent ein. Die Ratingagentur Moody's hatte zuvor gewarnt, dass sie die Bonitätsbewertungen für die beiden Kreditinstitute senken könnte.

An der Wiener Börse wurde der Handel nach dramatischen Kursabstürzen am Morgen ausgesetzt. Das Kaufen und Verkaufen sämtlicher Aktien werde bis voraussichtlich 12 Uhr mittags gestoppt, teilte die Börse mit. In der Geschichte der Wiener Börse sei das bisher noch nie vorgekommen. Damit solle der Markt beruhigt werden. In den ersten Minuten nach Börsenbeginn war es zu einem Verlust von rund zehn Prozent gekommen. Nach einem mehrstündigen Handelsstopp öffnete die Wiener Börse am Mittag wieder.

Die russische Wertpapiermarktbehörde setzte den Aktienhandel am Freitag erneut aus. Die russischen Börsen RTS und MICEX blieben angesichts der dramatischen Einbrüche an den Börsen in Europa, Asien und den USA "bis auf weiteres" dicht, entschied die Behörde nach Angaben der Agentur Interfax. Die Pensionsgeschäfte liefen allerdings weiter.

In Frankfurt sollte der Handel weiterlaufen

Die Leitindex RTS hatte am Montag mit einem Minus von 19,1 Prozent den stärksten Sturz in seiner Geschichte erlebt. Seit dem 19. Mai, als der RTS-Index auf ein Rekordhoch von 2498,10 Punkten geklettert war, verlor der russische Aktienmarkt mehr als 70 Prozent seines Wertes. Zuletzt lag der RTS bei 844,75 Punkten. Der russische Markt pausierte in dieser Woche mehrfach, zeitweise sogar zwei Tage.

Die thailändische Börse ist nach einem Kurssturz von zehn Prozent am Freitag vorübergehend geschlossen worden. Der automatische Schritt wurde nach der Mittagspause eingeleitet, als der Index Stock Exchange of Thailand (SET) auf 449,91 fiel, 10,02 Prozent niedriger als der Schlusskurs von Donnerstag. Der Handel wurde nach einer halben Stunde wieder aufgenommen.

Die Börse in Indonesien blieb geschlossen. Damit sollten Investoren geschützt werden, sagte ein Sprecher. Der Handel in Jakarta war am Mittwoch ausgesetzt worden. Bis dahin hatte der richtungsweisende Index 21 Prozent über drei Tage verloren. "Wir müssen Ruhe bewahren und rational bleiben, und gleichzeitig versuchen zu verhindern, dass die Krise die indonesische Wirtschaft erreicht", sagte Präsident Susilo Bambang Yudhoyono.

Trotz heftiger Kursverluste soll das Geschäft in Deutschland nicht unterbrochen werden. "Hier den Handel komplett auszusetzen ist nicht geplant", sagte ein Sprecher der Deutschen Börse am Freitag. "Einzeltitel kann es treffen, aber nicht den gesamten Handel."

Über ein Aussetzen des Handels müsste in Frankfurt die Geschäftsführung der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) entscheiden. Diese besteht aus den den Deutsche-Börse-Managern Frank Gerstenschläger, Rainer Riess, Roger Müller und Jürgen Röthig.

Denn für außergewöhnliche rasante Kurseinbrüche im Leitindex Dax gibt es bei der Deutschen Börse keine festgelegten Regeln. "Im Prinzip läuft der Handel weiter", sagte ein Sprecherin des Marktbetreibers am Freitag, egal wie stark der Dax falle. "Mechanismen in Form von Handelsaussetzungen, wie sie etwa an der Pariser Börse existieren, gibt es bei uns nicht", ergänzte sie.

Größter Verlust seit 11. September 2001

Hintergrund ist, dass der Index der 30 wichtigsten deutschen Unternehmenswerte an diesem Morgen innerhalb von Sekunden zeitweise um 10,7 Prozent eingebrochen war. Einen größeren Tagesverlust im deutschen Leitindex gab es zuletzt nur am 11. September 2001 infolge des Terroranschlags auf das World Trade Center und im Oktober 1989, als Finanzierungsprobleme der Fluggesellschaft UAL die US-Börsen auf Talfahrt geschickt hatten.

Die Regeln des Frankfurter Marktbetreibers griffen nur bei Einzelaktien zum Schutz der Anleger, und zwar dann, wenn der "ordnungsgemäße Handel" gefährdet sei. Dieser sei dann als gefährdet einzustufen, wenn beispielsweise Stücke nicht lieferbar seien, der Handel der betreffenden Aktie im Heimatland ausgesetzt wurde oder die Informationslage, etwa bei Ad-hoc-Meldungen, unklar sei.

© sueddeutsche.de/Reuters/AFP/dpa/AP/jkr/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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