Diskussion über Umschuldung Griechenlands:Bundesbankpräsident warnt vor Schuldenschnitt

Der griechische Ministerpräsident Papandreou fordert die EU zu mutigen Entscheidungen auf, um das Land zu retten. Der Internationale Währungsfonds sieht Griechenland "auf Messers Schneide". Doch der Streit über die richtigen Maßnahmen tobt weiter. Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnt vor einer Umschuldung: "Nichts würde die Anreize für eine solide Haushaltspolitik rascher und dauerhafter zerstören."

Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou appelliert an die EU, endlich Entscheidungen zur Rettung seines Landes zu treffen. Doch der politische Streit um die richtigen Maßnahmen dauert an - und gewinnt an Schärfe. "Es wird Zeit, dass Europa aufwacht", sagte Papandreou der griechischen Zeitung Kathimerini. Sein Land habe in den vergangenen Monaten Vieles - zum Teil "noch nie Dagewesenes" - in Sachen Finanzen und Sparen erzielt. Jetzt müsse die EU mutige Entscheidungen treffen.

The flags of Greece and European Union are seen in front of the A

Griechenland und die EU: Derzeit sind zahlreiche Rettungsszenarien für das angelschlagene Land in der Diskussion.

(Foto: dpa)

Doch wie diese Aussehen könnten, darüber herrscht Uneinigkeit. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann warnte nachdrücklich vor der Einführung von gemeinsamen Anleihen aller Euro-Länder, so genannten Eurobonds, und vor einer Umschuldung Griechenlands. Beides sind Varianten, die in der Politik zunehmend Fürsprecher finden. "Nichts würde die Anreize für eine solide Haushaltspolitik rascher und dauerhafter zerstören als eine gemeinsame Haftung für die Staatsschulden", sagte Weidemann jedoch. "Genau das schwebt aber einigen Politikern und Ökonomen in Form von Eurobonds als Lösung für die Probleme Griechenlands vor."

Bisher gibt es im Euro-Gebiet keine gemeinsame Schuldenpolitik - jeder Staat gibt eigene Anleihen heraus. Mit der Einführung gemeinsamer Anleihen - so genannter Eurobonds - gäbe es dann einen einheitlichen Zinssatz für gemeinsame Schulden. Eurobond-Gegner wie Deutschland und Frankreich fürchten, dass dies den Schuldensündern die Anreize nehmen könnte, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen.

Die Zeit drängt für eine Entscheidung, wie Griechenland weiter geholfen werden soll. Der Internationale Währungsfonds (IWF) zeichnet ein dramatisches Bild der Lage: "Die griechische Schuldenlast ist tragbar, aber es steht, wie wir sagen, auf Messers Schneide", sagte der Leiter der IWF-Mission in Griechenland, der stellvertretende IWF-Europachef Poul Thomsen, in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der Zeitung Ethnos. Die beschlossenen Maßnahmen müssten "wie geplant angewendet werden, oder die Tragbarkeit der Schulden wird in Frage gestellt werden".

Bislang habe das Sanierungsprogramm immerhin "das meiste, was wir erreichen wollten", erreicht. Der IWF hatte vergangenes Jahr mit der Europäischen Union ein Hilfspaket für das vom Bankrott bedrohte Griechenland mit einem Umfang von 110 Milliarden Euro geschnürt. Angesichts der anhaltenden Krise beraten die Euro-Länder derzeit über ein weiteres Hilfspaket für Griechenland, am Donnerstag findet dazu ein Sondergipfel in Brüssel statt. Der IWF hatte vergangene Woche erklärt, Athen benötige weitere 100 Milliarden Euro, um einen Zahlungsausfall zu verhindern. Das Geld müsse von der EU und privaten Gläubigern kommen, forderte die internationale Finanzinstitution.

US-Außenministerin Hillary Clinton, die zu Regierungsgesprächen nach Athen gereist ist, sagte ihre Unterstützung zu. Sie werde bei Gesprächen unterstreichen, dass Washington im Internationalen Währungsfonds (IWF) und anderswo hinter den Maßnahmen Griechenlands zur Reduzierung der Schulden stehe, sagten hochrangige Mitarbeiter der US-Regierung.

Immer mehr Politiker und Ökonomen halten einen Schuldenschnitt für unvermeidlich. Zuletzt hatten sich unter anderem Beatrice Weder di Mauro, Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen, und Commerzbank-Chef Martin Blessing dafür ausgesprochen, Griechenland einen Teil der Schuldenlast abzunehmen. Gegner warnen aber vor unabsehbaren Folgen für das Finanzsystem. Nicht zuletzt, weil Ratingagenturen diesen Schritt als Staatspleite Griechenlands werten würden - was die Finanzierungsmöglichkeiten des Landes weiter einschränken würde.

Warnung vor einer Transferunion

Für den Bundesbankchef hätte ein solcher Schritt weitreichende Folgen, sagte er der Bild am Sonntag: "Das Ergebnis wird sein, die europäischen und vor allem die deutschen Steuerzahler müssen für die gesamten griechischen Staatsschulden einstehen. Das wäre der Schritt in die Transferunion, den Deutschland bislang zu Recht abgelehnt hat."

Ein Schuldenerlass löst nach Weidmanns Analyse nicht die griechischen Probleme. "Griechenland konsumiert deutlich mehr als es erwirtschaftet, der Staatshaushalt weist hohe Defizite auf. So lange sich daran nichts ändert, schafft selbst ein Schuldenschnitt keine wirkliche Besserung", so Weidmann.

Widerspruch kam vom stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß: "Bundesbankpräsident Weidmann irrt - ohne einen Schuldenschnitt werden die Probleme Griechenlands nicht gelöst werden können. Immer mehr Ökonomen schlagen nun einen solchen Schritt vor." Im Übrigen sei der Bundesbankpräsident in dieser Frage wegen der spezifischen Interessen der Europäischen Zentralbank befangen. "Er sollte daher nicht die vermeintlichen Interessen der Steuerzahler als Alibi benutzen."

Ein Rückkauf eigener Staatsanleihen könnte die Schuldenlast Griechenlands laut Berechnungen des Bundesfinanzministeriums um 20 Milliarden Euro senken - dies berichtete indes der Spiegel. Nach diesem Modell würde der Euro-Rettungsschirm EFSF dem Land Geld geben, damit es seine Anleihen selbst zum Marktpreis von privaten Gläubigern zurückkaufen kann. Dies wäre nach Darstellung des Spiegel ein gutes Geschäft für Griechenland, da die Kurse für griechische Anleihen derzeit um bis zu 50 Prozent unter ihrem Nennwert lägen. Dieser sogenannte "Bond-Buy-Back" sei eine von mehreren Varianten, die Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) derzeit zur Lösung der griechischen Schuldenkrise prüfen lasse, heißt es weiter.

Andere Vorschläge seien unter anderen ein echter Schuldenschnitt, verbunden mit dem Tausch von Griechenland-Anleihen in längerfristige, mit Garantien besicherte Papiere. Im Gespräch sei weiterhin auch Schäubles Vorschlag einer "sanften Umschuldung" von Anfang Juni, der vorsieht, die Laufzeiten aller Griechenland-Anleihen um sieben Jahre zu verlängern.

Beide Modelle seien in Europa derzeit nach Angaben aus dem Finanzministerium allerdings als weniger konsensfähig als das Rückkaufprogramm. Der Chef des Euro-Rettungsfonds EFSF, Klaus Regling, sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, derzeit deute viel darauf hin, dass der Rettungsfonds sich demnächst an der Griechen-Rettung beteiligen solle. Man werde aktiv, "wenn die Minister einen Beschluss gefasst haben".

Wie bundesbankchef Weidmann lehnt laut einer Umfrage auch eine Mehrheit der Bundesbürger einen Schuldenerlass für Griechenland ab: In einer repräsentativen Emnid-Umfrage für die Bild am Sonntag sprachen sich 60 Prozent der Befragten gegen eine Teilentschuldung aus, nur 35 Prozent dafür. Angesichts der anhaltenden Eurokrise schwindet das Vertrauen der Deutschen in ihr Geld. 60 Prozent der Befragten geben an, ihr Vertrauen in den Euro sei "eher gering" oder gar "sehr gering". Im Dezember 2010 sagten dies nur 54 Prozent. In der Frage der Euro-Rettung ist die Bevölkerung gespalten: 49 Prozent wollen keine Währungsstabilisierung nach dem Motto "koste es was es wolle", 48 Prozent befürworten dies.

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