Diskriminierung in der Finanzwelt:Sex in the City

"Er hat mich als eine blöde Blondine bezeichnet": Eine Londoner Fonds-Managerin geht mit intimen Details aus ihrem Job-Alltag an die Öffentlichkeit - und verklagt ihren Ex-Chef.

Andreas Oldag, London

Ihre Stimme ist gebrochen. Immer wieder gerät Jordan Wimmer ins Stocken. In solchen Momenten schlingt sie ihren Wollschal noch etwas enger um ihren schlanken Hals, als wenn sie sich vor einem kalten Windstoß schützen müsste. "Er hat mich als eine blöde Blondine bezeichnet", sagt Wimmer und klammert sich mit beiden Händen an der Tischkante fest. Es sei die tägliche Erniedrigung in ihrem Büro durch ihren Chef gewesen, fügt die blondhaarige Frau hinzu. Im Übrigen könne sie es kaum ertragen, dass ihr Peiniger jetzt genau hinter ihr in diesem Gerichtssaal sitze, fügt die 29-Jährige leise hinzu.

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Musste sich wegen Depressionen und Angstzuständen in ärztliche Behandlung begeben: Fondsmanagerin Jordan Wimmer.

(Foto: Foto: Reuters)

Mark Lowe, millionenschwerer Chef des Londoner Hedgefonds Nomos Capital, starrt währenddessen an die Decke im Saal des Central London Employment Tribunal, dem Londoner Arbeitsgericht am Kingsway. Der 59-Jährige verzieht keine Miene, als seine ehemalige Mitarbeiterin Wimmer immer neue intime Details aus einem Arbeitsverhältnis auspackt, das zumindest für seine Ex-Untergebene in einem Desaster endete.

Gegen die Avancen gewehrt

Während einer Geschäftsreise in Mailand habe er versucht, sie im Hotel zu küssen, erzählt die Klägerin. Doch sie habe sich gegen seine Avancen gewehrt, sagt Wimmer. Das Ergebnis ist allerdings gewesen, dass der abgewiesene Liebhaber offenbar seine Mobbing-Tour gegen die "blöde Blondine" weiter fortgesetzt hat.

Anfang dieses Jahres gab Wimmer ihren Job bei Nomos Capital entnervt auf. Angeblich weil sie es auch nicht mehr ertragen konnte, dass Lowe eine russische Prostituierte mit ins Büro brachte.

577.000 Pfund (umgerechnet etwa 634.000 Euro) jährlich hat Wimmer zuletzt als Marketingmanagerin bei Nomos erhalten. Das ist mehr, als viele ihrer Kolleginnen verdienen. Doch der Preis war anscheinend hoch, vielleicht sogar zu hoch: Wimmer musste sich bereits 2008 in ärztliche Behandlung begeben - wegen akuter Angstzustände und Symptomen von Depression. Sie habe starke Medikamente genommen, erzählt die Klägerin. Nun fordert sie von ihrem Ex-Chef Lowe Schadenersatz in Höhe von vier Millionen Pfund. Das wäre eine der höchsten Zahlungen in einer Mobbing-Klage in der Londoner Finanzbranche.

Erfolg bemisst sich an Statussymbolen

Es ist ein Fall, der typisch ist in einer Stadt, in der hinter den glitzernden Fassaden der Banken und Finanzfirmen der Chauvinismus einer Männergemeinschaft herrscht. Die testosterongesteuerten "Meister des Universums", wie sich viele selbst nennen, halten sich für unschlagbar.

Sex and the City, heißt das Motto in einem sozialen Biotop, in dem sich Erfolg anhand von Statussymbolen bemisst - von schnellen Autos bis hin zu Luxusapartments in Londons Reichen-Vierteln Chelsea und Kensington. Die Prahlerei über einen nagelneuen Ferrari Italia zum Preis von umgerechnet 169.000 Euro wird dann vielleicht nur noch übertroffen von der Zahl der Liebschaften und Affären, mit denen sich die smarten Geldmanager schmücken.

Unterschiede bei Bonuszahlungen liegen bei 79 Prozent

Die Kehrseite dieser Männerwelt ist die systematische Diskriminierung von Frauen in der Branche. Eine Studie der unabhängigen Gleichstellungskommission (Equality and Human Rights Commission - EHRC) hat jetzt die Labour-Regierung alarmiert. Danach verdienen Bankerinnen bis zu 55 Prozent weniger als ihre männlichen Berufskollegen.

Diskriminierung in der Finanzwelt: Sei nun einmal nicht "monogam": Mark Lowe.

Sei nun einmal nicht "monogam": Mark Lowe.

(Foto: Foto: Reuters)

Frauen stellen zwar fast die Hälfte der Beschäftigen in der britischen Finanzindustrie, doch die Diskriminierung bei der Entlohnung sei erschreckend, so die Ergebnisse der EHRC-Studie. Während Bankmanager ihre relativ moderaten Grundgehälter üblicherweise durch sechs- oder gar siebenstellige Bonuszahlungen aufbessern, müssen sich Frauen mit erheblich bescheideneren Prämien begnügen. Die Unterschiede bei den Bonuszahlungen erreichen bis zu 79 Prozent. Und dies hat keineswegs etwas mit einer geringeren Leistung zu tun, sondern vor allem mit der Tatsache, dass sich das von Männern dominierte Management die Prämien untereinander zuschiebt. Nach Meinung von vielen Experten haben die Boni zu waghalsigen Spekulationsgeschäften angetrieben und dadurch die Finanzkrise wesentlich mit verursacht.

Zunehmende Sexualisierung des Geschäftslebens

Wirtschaftsprofessor Charles Goodhart von der London School of Economics und Ex-Mitglied der britischen Notenbank kommt zu einem Schluss, der den Geld-Männern nur wenig behagt: "Frauen sind generell vorsichtiger und haben eine langfristigere Strategie", sagt er. "Die Finanzkrise wäre wahrscheinlich nicht so gravierend ausgefallen, wenn wir mehr weibliche Chefs in der Finanzbranche gehabt hätten."

Die Problematik der ungleichen Entlohnung und Bonuszahlungen ist allerdings nur eine Facette in der Macho-Kultur in Europas größtem Finanzzentrum. Die Fawcett Society, eine unabhängige Organisation, die sich für die Gleichstellung einsetzt, beklagt eine zunehmende "Sexualisierung" im Geschäftsleben. So sei es üblich, dass Banker ihre Kunden in Sexclubs einlüden. Die weiblichen Angestellten müssten dann meistens gute Miene zu den schlüpfrigen Promotiontouren machen. Die meisten Frauen scheuten außerdem davor zurück, ihre männlichen Chefs zu kritisieren, weil sie Angst um ihren Job hätten, meint Kat Banyard von der Fawcett Society.

Rauschende Partys in New York oder Hongkong

Da passt es ins Bild, dass auch Jordan Wimmer pikante Details aus ihrer vierjährigen Karriere bei Nomos Capital enthüllt: So habe ihr Ex-Chef Lowe von ihr erwartet, zusammen mit Geschäftskunden eine Striptease-Show im Pariser Kabarett "The Crazy Horse" zu besuchen. Die Bombe lässt Wimmer allerdings an einem anderen Verhandlungstag im Londoner Employment Tribunal hochgehen, als sie davon berichtet, dass Lowe sie an ihrem Wohnort in Chelsea mit seinem Auto verfolgt habe. Sie habe um ihr Leben gefürchtet, erzählt Wimmer.

Was ist an diesem ungeheuerlichen Vorwurf dran? Ist vielleicht alles übertrieben? Will eine Frau nur kräftig abkassieren, indem sie ihren ehemaligen Chef verunglimpft? Lowes Anwältin, die prominente Londoner Juristin Elizabeth Melville, versucht genau an diesem Punkt, die Glaubwürdigkeit der Klägerin in Frage zu stellen. Sie zitiert aus Notizen und Tagebuchaufzeichnungen Wimmers, die belegen sollen, dass die junge Frau bei Nomos mindestens ebenso ein ausschweifendes Leben führte wie ihr Ex-Chef. Da ist von rauschenden Partys in New York, Paris und Hongkong die Rede. Melville: "Frau Wimmer, Sie haben damals nicht gerade den Eindruck vermittelt, dass sie unter Diskriminierung litten." Die Vorsitzende Richterin schaut bei diesen Worten aufmerksam über ihre Aktenordner, die sich auf ihrem Tisch stapeln. Sie lässt sich allerdings nicht anmerken, welcher Meinung sie zuneigt.

Lowe selbst verteidigt sich mit dem Hinweis, dass er nun mal nicht "monogam" sei und mehrere Freundinnen gehabt habe. Die Welt funktioniere im Übrigen so, dass mächtige und reiche Männer für Frauen besonders attraktiv seien, erklärt der Banker. Die Verhandlung vor dem London Employment Tribunal wird in dieser Woche fortgesetzt.

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