Direktbanken in den Chaostagen:Total überfordert

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Nach den großen Börsencrashs hatten die Direktbanken geschworen, dass Anleger nie wieder unter Kapazitätsproblemen leiden sollten. Jetzt gab es einen Mini-Crash - und wieder saßen viele auf dem Trockenen.

Johannes Fritz

Direktbanken wollen mehr in die Stabilität ihrer Handelssysteme investieren, nachdem ihre Systeme beim Mini-Crash in der vergangenen Woche abgestürzt waren und viele Anleger nicht mehr handeln konnten. So sollen bei der DAB Bank der Internet- und Telefonhandel in Zukunft besser aufeinander abgestimmt werden.

(Foto: Foto: dpa)

Cortal Consors will zusätzliche Großrechner einsetzen und hat bereits die Internetseite ,,entschlackt'', sagte ein Sprecher. Die Comdirect Bank sieht hingegen keinen Anlass für kurzfristige Reaktionen. Sie will, wie geplant, in den kommenden Jahren 150 Millionen Euro in Computer, Werbung und zusätzliche Mitarbeiter investieren.

Schlecht vorbereitet

Als der Dax am Dienstag vergangener Woche um fast drei Prozent abstürzte, versuchten gleichzeitig sehr viele Anleger, ihre Wertpapiere zu verkaufen. Bis zum Mittwoch Nachmittag blieb das Handelsvolumen hoch. Darauf waren mehrere Internetbroker nicht vorbereitet - ihre Handelssysteme brachen zusammen. Auch die Börsen in Frankfurt und Stuttgart hatten Probleme: Ihre Systeme lieferten zeitweise falsche Kursangaben.

Jochen Steffens, Chefredakteur des Investor's Daily, eines im Internet erscheinenden Ratgebers für Anleger, bat um Reaktionen auf die technischen Probleme der Internetbroker und bekam hunderte Zuschriften.

Ergebnis: Fast alle wichtigen Internetbroker hatten mit Störungen zu kämpfen. Vor allem die Kunden der großen Direktbanken berichteten von Problemen. Sie handelten eher selten, deshalb seien die Handelssysteme auf einen solchen Ansturm schlecht vorbereitet gewesen, sagte Steffens. Die Kunden kleinerer Internetbroker seien hingegen meist aktivere Händler. Deren Handelsvolumen habe an jenem Dienstag prozentual weniger zugenommen, und die Anbieter hätten weniger Probleme gehabt.

Die großen Anbieter verwiesen auf das unerwartet hohe Handelsvolumen. Ein Sprecher der DAB Bank gestand auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung Kapazitätsprobleme ein. Die nach eigenen Angaben mit rund einer Million Kunden größte deutsche Direktbank habe an jedem Mittwoch das Vierfache der normalen Handelsaufträge erhalten.

Manche Emittenten von Wertpapieren hätten keine Kurse mehr genannt. Die entstandenen Wartezeiten seien zwar ,,negativ'', man sei im Vergleich zu manchen Konkurrenten aber ,,noch relativ gut weggekommen''. Genaue Angaben zu den Wartezeiten machte der Sprecher nicht. Inzwischen habe man die Kapazitäten für den Internet- und Telefonhandel vergrößert.

Bei Cortal Consors hätten beide Tage zu den fünf mit dem größten Handelsaufkommen der Unternehmensgeschichte gehört, sagte ein Sprecher. Zwischen Dienstag und Mittwoch habe man die Zahl der Server von 22 auf 30 erhöht. Weitere sechs Großrechner seien in Reserve gehalten worden.

Mit Ausnahme des Online-Broking habe man in der Nacht alle Funktionen der Internetseite abgeschaltet. Zusätzlich hätten die Kunden über ein von der Internetseite unabhängiges Programm handeln können. So habe man den kompletten Systemabsturz verhindert. Die Internetseite sei nie länger als fünf Minuten ausgefallen.

Auch bei der Comdirect Bank gab es technische Probleme. Nach dem Ausfall des Internethandels habe man die Zahl der Mitarbeiter im Call-Center verdoppelt sagte ein Sprecher. Ab Mittwoch Mittag hätten die Kunden wieder ohne Verzögerungen handeln können. Eine Teilschuld treffe die Emittenten, die zeitweise keine Kurse mehr übermittelt hätten.

Aus Sicht der betroffenen Anleger verlief der Dienstag weit weniger harmlos. ,,Mir wird die Möglichkeit genommen, zu reagieren, mich auf den Markt einzustellen'' schrieb ein Anleger an Steffens. ,,Ob das alles mit rechten Dingen zugeht, ich bin da sehr skeptisch geworden'', ergänzte ein anderer. Mehrere Anleger wollten ihren Internetbroker wechseln.

Aufsicht sammelt Hinweise

Ingo Hillen, Vorstand des kleinen Internetbrokers Sino, sieht gerade in den Problemen der großen Konkurrenten eine Chance für sein Unternehmen. ,,Wer sich am meisten ärgert, soll zu Sino kommen'', sagte er. Das stärkere Handelsvolumen habe bei Sino zu keinen Störungen geführt. Steffens rät dennoch davon ab, zu einem kleinen Anbieter zu wechseln. Würden das alle tun, gäbe es dort bald die gleichen Probleme.

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) kritisierte die technischen Ausfälle. Die betroffenen Internetbroker seien Beweise, die sie entlasten könnten, bisher schuldig geblieben, sagte Reinhild Keitel von der SdK. Die Comdirect Bank habe behauptet, am Dienstag ,,zufällig'' technische Probleme gehabt zu haben. Ein Sprecher der Comdirect Bank dementierte, dass es solch eine Aussage gegeben habe. Bis zum Mittwoch Vormittag sei das System stabil gelaufen.

Die SdK hat sich bereits an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gewandt. Dort seien mehrere Hinweise von Anlegern eingegangen, sagte eine Sprecherin des Amtes.

Sie verwies auf die Gesetzeslage, wonach Wertpapierdienstleister verpflichtet sind, die für ihr Angebot notwendigen Mittel und Verfahren zu garantieren. Eine Verordnung der Aufsicht schreibt vor, dass Systemausfälle und -störungen sowie die verzögerte Ausführung und Weiterleitung von Aufträgen Ausnahmen bleiben müssen. Auf dieser Grundlage seien Sanktionen möglich, sagte die Sprecherin.

© SZ vom 09.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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