Diebstahl:Rauf auf den Kran

Auf Baustellen wird so ziemlich alles geklaut, vom Kabel über Kompressoren bis zum Bagger. Die Polizei rät zu besonderen Vorsichtsmaßnahmen.

Von Stephanie Hoenig

'Schwarzarbeit'

Mehr als 10 000 Diebstähle auf Baustellen gab es laut Kriminalstatistik im vergangenen Jahr. Die Aufklärungsquote liegt nur bei etwa 13 Prozent.

(Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Die Täter müssen unsere Baustelle und Arbeitsabläufe genauestens ausspioniert haben", vermutet Ulrich Zink, langjähriger Architekt und Geschäftsführer des Bundesarbeitskreises Altbauerneuerung in Berlin. "Es wäre sonst nicht möglich gewesen, die Werkzeuge und Maschinen auf der Baustelle zu finden und zu stehlen." Dieser besonders dreiste Fall von "Klau am Bau" in der brandenburgischen Kreisstadt Bad Belzig (Landkreis Potsdam-Mittelmark) im Mai ist nur einer von mehr als 10 000 bundesweit pro Jahr. Etwa 30 solcher Delikte werden täglich gemeldet. Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts (BKA) verzeichnet für 2016 bundesweit 10 617 Diebstähle überwiegend aus unbezogenen Neu- und Rohbauten, Baubuden und Baustellen. Die Zahl ist zwar im Vergleich zum Vorjahr um 940 Fälle oder 8,1 Prozent gesunken, doch der materielle Schaden geht in die Millionen - laut Kriminalstatistik waren es 2016 mehr als 16,7 Millionen Euro. Erschwerend kommt hinzu: Die Aufklärungsrate lag bundesweit nach Angaben des BKA nur noch bei 13,1 Prozent (2015: circa 13,7 Prozent).

Wenn viele Firmen und Subunternehmen tätig sind, geht die Kontrolle verloren

"Baustellendiebstahl wird von Gelegenheitsdieben und von organisierten Banden begangen", sagt Volker Reimers von der Kriminalpolizeilichen Beratung der Hamburger Polizei. Geklaut werde nicht nur klischeehaft in der Nacht. "Auch am Tag schlagen besonders auf Großbaustellen Langfinger zu", so Reimers. Denn wenn mehrere Firmen und Subunternehmen gleichzeitig arbeiteten, gehe schnell die soziale Kontrolle verloren, wer wirklich dort hingehöre und wer nicht.

Begehrt bei Dieben sind große Baufahrzeuge wie Kipper und Bagger, aber auch Baugeräte wie Rüttelplatten, Kompressoren, Putz-, Estrich- und Schweißmaschinen. Durch die gestiegenen Metallpreise ist auch der Diebstahl von Blechen und Rohren lukrativ.

Ein besonders dreistes Beispiel: Im Winter 2014 montierten Diebe große Mengen Kupferplatten vom Dach eines Gebäudes eines Wasserwerks in Flensburg ab. Aber auch andere Baumaterialien wie teure Sanitärobjekte, Innentüren und Fliesen werden gern gestohlen, und selbst Diesel wird aus Baustellenfahrzeugen abgezapft: "Nicht einmal bereits installierte Gewerke wie Elektroinstallationen sind sicher", sagt Reimers. "Sie werden demontiert oder rausgerissen."

"Kommt es auf der Baustelle noch vor der Abnahme zu einem Diebstahl von Baumaterial, Maschinen oder Werkzeugen, haftet in jedem Fall der Bauunternehmer", erklärt Kathrin Jarosch vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin. So habe das Oberlandesgericht Saarbrücken mit Urteil vom 3.12.2014 (Az. 1 U 49/14) entschieden. In diesem Urteil stehe, dass unabhängig davon, ob das neu errichtete Gebäude bereits abgeschlossen ist und vom Bauherrn betreut wird, grundsätzlich der Bauunternehmer für Diebstähle auf der Baustelle hafte, sofern noch keine Abnahme erfolgt sei. Der Tenor des Gerichtsurteils lege zugrunde, dass der Schutz von für den Bau benötigten Gegenständen in jedem Fall dem ausführenden Unternehmen obliege. Ein Verwahrungsvertrag des Bauherren sei indiskutabel.

Der Gesamtverband rät zum Selbstschutz: Material, Werkzeuge und Maschinen, die auf der Baustelle benötigt werden, sollten immer in Abhängigkeit des Baufortschritts angeliefert werden. Kripo-Experte Reimers empfiehlt als weitere Vorsichtsmaßnahme, hochwertiges Werkzeug und teure Materialien nicht auf der Baustelle ungesichert herumliegen zu lassen. Nicht benötigte Materialien und Werkzeuge sollten Handwerker auf Baustellen in Firmenwagen einschließen, die mit abschließbaren Behältern und speziellen Sicherungen ausgestattet seien, so der Rat des Experten. Auch bei Hektik sollten Fahrzeuge konsequent abgeschlossen werden. Bei Akku-Geräten sollte man Akku und Gerät getrennt lagern, sagt Reimers. Und: "Falls auf einer Baustelle Material, Werkzeuge und Maschinen gelagert werden müssen, bieten sich hierfür besonders gesicherte Seecontainer an statt einer leicht zu knackenden Baubude."

Zink kennt noch eine andere bewährte Methode, um es Dieben schwer zu machen: "Wertvolles Gerät oder Material lässt sich über Nacht oder übers Wochenende an einem Kran in luftiger Höhe sicher parken."

Baustellen-Fahrzeuge lassen sich nach Angaben von Reimers mit mechanischem Schutz wie Wegfahrkrallen und Lenkradsicherungen sichern. Laderäume können zusätzlich elektronisch mit Einbruchmeldetechnik gesichert werden. Generell seien speziell gegen das Überklettern gesicherte Bauzäune und eine großflächige, intensive Ausleuchtung wichtig. Bei vielen Baustellen sei es außerdem sinnvoll, auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten mittels Videotechnik das Gelände zu überwachen. Solche Anlagen kann man leasen und auf Wachunternehmen aufschalten, sodass im Alarmfall immer sofort Sicherheitsleute eingreifen können.

Durch präventive Maßnahmen lässt sich kein hundertprozentiger Schutz erzielen, auch nicht durch Versicherungen. "Eine Bauleistungsversicherung zahlt nur unter gewissen Umständen für Diebstahl, aber längst nicht in allen Fällen", sagt Eva Reinhold-Postina vom Verband privater Bauherren in Berlin. "Denn die Versicherung ersetzt gestohlene Sachen nur, wenn im Vertrag die Leistung Diebstahl extra aufgenommen ist." Das sei nicht bei jeder Police der Fall. "Außerdem müssen die entwendeten Teile bereits zuvor fest mit dem Gebäude verbunden gewesen sein. Konkret heißt das: Liegen Materialien wie Heizungen oder Waschbecken noch eingepackt auf der Baustelle, besteht kein Versicherungsschutz", sagt Reinhold-Postina. Auch für finanzielle Schäden, die durch diebstahlsbedingte Bauverzögerungen entstehen, müssten Bauunternehmen selbst aufkommen.

"Die Bauleistungsversicherung zahlt auch nicht für gestohlene Werkzeuge und Maschinen", berichtet Zink aus eigener Erfahrung beim Baustellendiebstahl in Bad Belzig. "Die Polizei möchte zudem eine Liste mit den Nummern der Maschinen haben, damit sie gefundenes Diebesgut zuordnen kann. Eine solche Liste hatten wir nicht, werden sie aber in Zukunft führen."

Reimers empfiehlt, zusätzlich Werkzeuge oder Maschinen mit einer auffälligen Markierung (Gravur/Branding) oder speziellen Codierung zu versehen. "Am besten mit dem Hinweis 'Gestohlen bei Firma XY...', fügt er trocken hinzu. "Dann wird beim Weiterverkauf auch dem gutmütigsten Käufer klar, dass es sich um Diebesgut handelt."

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