Die Tücken des Einkaufens:Vom Gefühl, übers Ohr gehauen zu werden

"Diese Fehlermeldung", antwortet die Frau von der Hotline, "wird durch einen Defekt Ihres Gerätes verursacht." Vier Geschichten aus der Welt des modernen Konsums.

Der Mensch kann einem Computer Schreckliches antun. Nach Jahren des rücksichtslosen Gebrauchs klemmt die Tastatur, der Bildschirm ist zerkratzt, der Akku sowieso hinüber. Ganz schlimm ist es, wenn man noch dazu ohne die entsprechende Kompetenz ein Linux-Betriebssystem genutzt hat. Ständige Verbesserungsversuche richten auf Dauer in sämtlichen Systemdateien irreparablen Schaden an. Somit zeugt es von großem Grundvertrauen in die Menschheit und die Technik, wenn man in Kenntnis dieser Verschleißprozesse einen gebrauchten Computer kauft.

Laptop computers made by Samsung Electronics are displayed at the company's main office in Seoul

Ein neuer Laptop oder das "generalüberholte" Modell mit ein paar hundert Euro Preisnachlass?

(Foto: REUTERS)

So ein Grundvertrauen ist natürlich Unsinn, besser man rechnet immer mit dem Schlimmsten. Auch dann wird man noch oft genug unangenehm überrascht. Trotzdem war die Versuchung auch nach langen, ermüdenden Kämpfen mit dem ramponierten alten Gerät zu groß, statt eines neuen Laptops das "generalüberholte" Modell zu bestellen. Mit ein paar hundert Euro Preisnachlass, versteht sich. Auf der Webseite des Herstellers klang das ziemlich fair.

Die generalüberholten Laptops wurden zwar schon einmal verkauft, aber wieder zurückgegeben - während der Umtauschfrist oder wegen technischer Probleme. (Dieses Detail im Kleingedruckten verursacht leises Unbehagen, tickt da eine Zeitbombe?) Angeblich wurde das Gerät dann getestet und gereinigt. Falls der Laptop schadhafte Module hatte, wurden diese - hoffentlich - ausgetauscht, dann bekam er eine neue Seriennummer, eine neue Garantie, ein neues Handbuch und eine neue Verpackung.

Wieso nicht; man erwartet ja nicht, dass intakte Computer eingestampft werden. Und so ward das edle Stück gekauft und in Betrieb genommen. Eigentlich scheint es bislang ganz in Ordnung zu sein. Aber freilich hat die Wirtschaftstheorie recht, wenn sie sagt, dass es nichts umsonst gibt in der Welt. In diesem Fall zahlt man die Preisdifferenz in psychologischer Währung zurück. Wenn der Akku einmal eine Stunde weniger hält als erwartet, fühlt man sich gleich übers Ohr gehauen - das könnten schon die ersten vorzeitigen Alterungserscheinungen sein, der Vornutzer ist schuld, war ja klar.

Und was fände man wohl auf der Festplatte des Computers, wenn man gründlich danach suchte? Die ständige Angst, einmal mit der Kriminalpolizei zu tun zu bekommen, kann die Freude des Naturpessimisten an einem fast neuen Laptop erheblich mindern. Von professioneller Löschung aller gespeicherten Inhalte war im Angebot genau genommen nicht die Rede.

(Marlene Weiss)

Beim Fachmann: Diebstahl lohnt doch nicht

"Klar", hatte der Verkäufer gesagt, "die billigen Geräte arbeiten genauso gut wie die teuren." Nur an der Ausstattung werde bei ihnen gespart - ein Display und ein paar Lämpchen weniger eben. Was für ein Akku im Gehäuse steckt? Das las der Mann geschwind vom Karton vor. Wer wäre nicht dankbar für so eine ehrliche Einkaufshilfe angesichts der lächerlich riesigen Auswahl eines modernen Elektro-Großmarkts? Und wer braucht schon Displays am Elektrorasierer?

elektrogerät

Wer braucht schon Displays am Elektrorasierer?

(Foto: Thomas Siepmann - Fotolia)

Wochen später steht fest: Displays braucht niemand. Ein Rasiermechanismus, der mehr schafft, als den Barthaaren ein wenig die Spitzen zu schneiden, wäre hingegen schön. Da tröstet es auch nicht, dass man nur 70 Euro ausgegeben hat statt 200 für ein Gerät der Spitzenklasse. So ehrlich war die Beratung wohl doch nicht, wahrscheinlich hatte der Verkäufer gerade eine Riesenlieferung Billigrasierer bekommen. Nun ja, so viel länger dauert es mit dem Nassrasierer ja auch nicht.

Ein Jahr später der zweite Anlauf, diesmal beim Fachhändler. Spezialisierter geht es nicht, der Inhaber führt überhaupt nur Elektrorasierer und noch ein paar Messer, sein ganzer Laden ist etwa so groß wie die Kundentoilette im Großmarkt. Die Sache mit den billigen und den teuren Rasierern hört sich hier ganz anders an. Von Mikrovibrationen und dynamischem Scherkopf weiß der Mann zu berichten, von überlegener Motorleistung und ergonomischer Scherfolie.

Und die einfachen Modelle? Die weigert er sich zu verkaufen, von technischen Rückschritten ist die Rede. Dafür hat er die Spitzengeräte in allen denkbaren Varianten da. Er nimmt sie zu Demonstrationszwecken mal eben auseinander, er kennt jedes Detail, sogar ausprobieren dürfte man sie, wenn man denn wollte. Eine gute halbe Stunde dauert diese Einführung in die Welt der Rasierer, kein weiterer Kunde stört währenddessen die freundliche Unterhaltung.

Doch kaum steht die Entscheidung für ein wunderbar futuristisches Exemplar, meldet sich die eingeimpfte Spar-Mentalität: Als aufgeklärter Verbraucher müsse man doch vergleichen! Also schnell das Smartphone gezückt und den Barcode gescannt. Tatsächlich: Im Internet gibt es das Gerät für 15 Euro weniger. Ohne Beratung, klar, aber die hat ja schon der Fachmann besorgt. "Beratungsklau" nennt man das, Fachhändler können ein Lied davon singen. Aber für 15 Euro zum Dieb werden? Hört sich gar nicht so verlockend an.

(Malte Conradi)

Beim Elektro-Discounter: Ein neuer Fall für Oksana Leicht

Printing the Internet

"Diese Fehlermeldung wird durch einen Defekt Ihres Gerätes verursacht." Hm.

(Foto: iStockphoto)

Begonnen hat alles mit einer Meldung im Display des Tintenstrahldruckers: "Fehler: 4F" stand da und der Hinweis, doch im Benutzerhandbuch nachzusehen, was das bedeute. Das Büchlein machte zwar auch nicht schlauer. Die Formulierung "ein mechanisches Problem am Gerät" ließ aber ahnen, dass der sogenannte Multifunktionsdrucker nach gut drei Jahren seiner Hauptfunktion - dem Drucken - wohl nicht mehr würde nachkommen können.

Gewissheit verschaffte eine Mitarbeiterin der Technischen Hotline mit dem schönen, fast wie erfunden klingenden Namen Oksana Leicht: "Diese Fehlermeldung", begann sie ihre E-Mail, "wird durch einen Defekt Ihres Gerätes verursacht." Hm. Dann machte Frau Leicht klar, dass es bei Fehler 4F doch um etwas Schwerwiegendes ging. Der Druckkopf sei kaputt. "Das erfordert die Überprüfung der Maschine in unserem Service-Center." Kosten: 60 Euro plus Mehrwertsteuer und Versand.

Lohnt sich das? Niemals. Kaum 80 Euro hatte der Drucker im Elektromarkt gekostet. Das war im Jahr 2008. Wer sich heute dort in der Druckerabteilung umsieht, findet mindestens zehn Geräte, die drucken, faxen, scannen, manchmal noch mehr können - und dabei keine 90 Euro kosten, einige unter 60, inklusive Ersatzpatronen natürlich. "Also schnell weg mit dem Ding in den Mülleimer und einen neuen gekauft", schreibt ein Nutzer in einem Online-Forum, dessen Drucker sich ebenfalls verabschiedet hatte - mit Fehler 4F.

Umweltfreundlich ist das nicht. Aber konsequent: Für einen Tintenstrahlfarbdrucker zahlt man laut Statistischem Bundesamt heute nicht einmal ein Drittel dessen, was er im Jahr 2000 kostete. Ähnliches gilt für Laserdrucker, Computer, Fernseher, Digitalkameras. Wer ein günstiges Gerät kauft - sei es aus Überzeugung oder wegen des schmalen Geldbeutels -, der kann sich die Reparatur bei einem Defekt sparen. Das ist beim Fachhändler nicht anders als beim Elektro-Discounter - und wenn schon günstig, dann richtig.

Das neue Modell steht schon da: besserer Druck, viel schneller, drahtlos verbunden für 99,90 Euro, inklusive Ersatzpatronen natürlich. Der deutsche Teil des zwölfsprachigen Handbuchs hat lediglich fünf Seiten, Fehler 4F gibt es darin nicht, auch sonst sind keine Fehlermeldungen aufgeführt. Dafür steht an der Technischen Hotline ganz sicher wieder jemand wie Oksana Leicht bereit, der im Falle eines Falles das Gerät leichthin beerdigt.

(Andreas Jalsovec)

Beim Online-Händler: Herr Freitag kann einpacken

Samsung ST 100

Um herauszufinden, welche Kamera die richtige ist, muss man keinen Fachhändler besuchen - und schon gar keinen Elektrogroßmarkt.

Es soll ja Menschen geben, die zum Einkaufen noch immer außer Haus gehen. Ihnen gebührt Mitleid, denn sie haben es wahrlich nicht leicht. Vielleicht quält sie ein chronischer Bewegungsmangel, und sie müssen dringend mal vor die Tür. Oder sie plagt ein akutes Kommunikationsdefizit, weil sie meinen, dass ihnen sowieso niemand im Leben zuhört - außer Herrn Freitag, der nette Fotofachhändler (obwohl der auch nur ein offenes Ohr hat, weil sonst keiner etwas von ihm will, schon gar keine überteuerte Kamera). Alle anderen haben längst begriffen, dass der aufgeklärte Mensch spätestens seit Beginn der Nullerjahre online einkauft. Und zwar zu Recht.

Bleiben wir noch kurz bei Herrn Freitag, dem Fotofachhändler. Er ist sehr nett, aber am Ende der Beratung will er auch nur das, was alle Verkäufer wollen: Geld verdienen. Kein Wunder, dass Herr Freitag die etwas teurere Digitalkamera empfiehlt. Und er gibt dem Kunden noch eines mit auf den Weg: die Illusion, gut beraten worden zu sein - obwohl er für die neue Kamera viel zu viel bezahlt hat.

All das muss heute nicht mehr sein. All das kann man sich heute wirklich sparen. Das Internet hat die Konsumenten zu mündigen, aufgeklärten Verbrauchern gemacht, die sich nicht mehr auf den vermeintlich guten Rat überteuerter Fachhändler verlassen müssen. Schon wahr, auch Klicks im Netz kosten Zeit. Aber sie lohnen sich. Am Ende kostet die Digitalkamera beim Online-Händler gut 200 Euro; Herr Freitag verlangt fast 50 Euro mehr.

Um herauszufinden, welche Kamera die richtige ist, muss man keinen Fachhändler (und schon gar keinen Elektrogroßmarkt) besuchen. Es gibt Testberichte im Internet - etwa von der Stiftung Warentest oder von Fachportalen. Herr Freitag kann zwar sicher viel, aber so aufwendig testen wie die Warentester, das kann er nicht.

Ist man dann immer noch unsicher, welche Kamera zu einem passt, kann man noch die Intelligenz der Masse befragen. Bei Amazon gibt es Kommentare von Nutzern, die zwar von einer unfreiwilligen Komik nur so strotzen, und doch vermitteln sie ein Meinungsbild, das einem weiterhilft. Auf jeden Fall bringt es mehr als der Besuch eines überfüllten Elektromarktes am Wochenende.

Und die Reparatur? Auch Herr Freitag schickt die Kamera beim Hersteller ein, wenn sie kaputt ist. Oder er sagt: Bringt nichts, lieber eine neue kaufen. Also: Wer die Kamera einschicken will, kann sie auch selbst zur Post bringen. Allerdings muss man dafür mal kurz außer Haus.

(Alexander Mühlauer)

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