Die großen Erbfälle:Leben und erben lassen

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Wenn es um den letzten Willen geht, wird oft gestritten. Muss das sein? Zehn Gebote, wie man Wirbel nach dem eigenen Tod vermeidet.

Hannah Wilhelm

Klar geht es schon auch ums Geld. Bei dem verzweifelt suchenden Playmate Anna Nicole Smith zum Beispiel um etliche Millionen Dollar, die ihre Tochter erbte. Oder bei den zerstrittenen Brüdern Gucci um das Familienunternehmen, das Vater Guccio Gucci hinterlassen hatte. Es geht um Geld, aber vor allem geht es um enttäuschte Liebe, verwehrte Wertschätzung, uralte Familienkonflikte. Und ganz oft um das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein im Leben. Immer schon.

Das Testament kann auf einen simplen Zettel geschmiert werden - dennoch gibt es viel zu beachten. (Foto: dpa-tmn)

Wenn jemand stirbt, hinterlässt er viele Dinge, angesammelt in einem ganzen Leben. Und diese Lebensdinge werden verteilt unter denen, die zurückgeblieben sind, auch sie angesammelt in einem ganzen Leben. Viele Zurückgebliebene versuchen dann, Bilanz zu ziehen: Was war er mir, der da gegangen ist? Hat er den Bruder mehr geliebt als mich? Hat er mich geschätzt, geliebt, mir stets genug gegeben? Kurz: Wie bin ich da unterm Strich rausgekommen aus dieser Beziehung?

Nicht selten führen solche Fragen dazu, dass ums Erbe gestritten wird. Emotional, irrational, zerstörerisch. So ließ zum Beispiel die Ex-Ehefrau den letzten verbliebenen Gucci-Erben umbringen, da sie Angst gehabt haben soll, dass er das Erbe mit seinen jungen Geliebten verprasst statt es den gemeinsamen Töchtern zu hinterlassen.

In der Serie "Die großen Erbfälle. Geld - Macht - Hass" hat die Süddeutsche Zeitung in den vergangenen Monaten 35 Fälle vorgestellt, in denen sich Prominente ums Erbe stritten, in denen Testamente Ungewöhnliches regelten oder ganz und gar nicht das Gewünschte erzielten.

Da gab es den Fall des Schauspielers James Dean, der jung verunglückte und alles ausgerechnet dem Vater hinterließ, den er immer so gehasst hatte. Oder den Maler Picasso, der kein Testament machte, aber dafür viele Frauen liebte, die sich danach um sein Geld und irgendwie auch noch um seine Liebe stritten.

Auch die ganz normalen Menschen machen Fehler beim Vererben. Und im oberbayerischen Traunstein muss dann Richter Ludwig Kroiß diese ausbaden. Er ist Direktor des Amtsgericht und zuständig für Nachlassfragen. Jedes Jahr entscheidet er über Hunderte Erbschaften.

Er ist dabei, wenn Geschwister, Töchter, Söhne, Ehepartner und Freunde die Bilanz aufmachen: Wie bin ich da unterm Strich rausgekommen aus dieser Beziehung? Wenn es Streit gibt, ruft er die Beteiligten oft zusammen an einen Tisch, zum Reden. "Nicht selten hilft das und wir finden eine Einigung", erklärt er.

Welche Fehler man beim Verfassen des eigenen Testamentes vermeiden sollte und wie das Vererben richtig geht: die zehn Gebote von Richter Kroiß.

1. Du sollst ein Testament verfassen

Nur 20 Prozent der Deutschen haben eines. Doch eigentlich ist immer häufiger eines von Nöten. Erstens weil es in Deutschland immer mehr zu vererben gibt - und wo Vermögen ist, sollte auch das Erbe geregelt sein. Und zweitens: "Patchwork-Familien werden immer häufiger", erklärt Richter Kroiß. Und dann ist eine klare Regelung wichtig. Sonst gibt es in einer komplizierten Situation zwischen Halbgeschwistern oder mit Stiefvater und Stiefmutter Streit.

2. Du sollst den Letzten Willen eigenhändig schreiben

Nein, es geht nicht, den Letzten Willen fein säuberlich mit Schreibmaschine oder Computer zu tippen, damit es auch alle lesen können. "Dann ist es ungültig", so Richter Kroiß. Ebenso ungültig sind die in Hollywoodfilmen gerne verwendeten Videobotschaften. Entweder man lässt das Schriftstück von einem Notar aufsetzen oder man schreibt es komplett eigenhändig selbst. Worauf der Wille festgehalten wird, ist egal. "Ich hatte schon mal ein Testament, das auf der Speisekarte eines Altenheimes geschrieben war", so der Nachlass-Experte, "das ist gültig."

3. Du sollst das Testament unterschreiben

Tatsächlich vergessen einige, ihren Namen unter den Letzten Willen zu setzen. "Es gab einen Fall, da war unter dem Testament nicht mehr genug Platz für die Unterschrift und der Erblasser setzte seinen Namen über das Geschriebene", erzählt Richter Kroiß. Das zuständige Gericht ließ das gerade noch mal durchgehen.

4. Du sollst Namen nennen

"Oft steht dort nur: Die Kinder sollen in gleichen Teilen erben", berichtet Richter Kroiß, "in einer Patchwork-Familie ist aber gar nicht klar, welche Kinder genau gemeint sind. Deshalb: Namen nennen." Und zwar die echten, amtlichen. In einem Fall legte ein Erblasser fest, dass "Mutti" alles bekommen solle. Das Problem: Er meinte nicht seine Mutter, sondern seine Lebensgefährtin, die er eben so nannte. Seine Mutter war aber noch am Leben und zog in eine gerichtliche Auseinandersetzung, in der erst bewiesen werden musste, dass nicht sie mit Mutti gemeint war.

Es geht natürlich auch noch unkonkreter: "Eine ältere Dame legte in ihrem Testament einfach nur fest, das Geld solle an "die Armen" gehen. Dafür gibt es aber zum Glück eine Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch: "Das Geld geht an die Bedürftigen in der Gemeinde", so Kroiß. Nur, dass es in Traunstein keine wirklich Armen gibt. Man einigte sich dann schließlich darauf, das Geld dem Notfonds zu geben, der zum Beispiel Menschen hilft, deren Haus abgebrannt ist.

5. Du sollst konkret formulieren

"Ein Erblasser hat einem Freund seine Bibliothek hinterlassen", erklärt Kroiß. Damit meinte er jedoch keinesfalls seine alten Bücher, sondern seine wertvolle Weinsammlung, die er Zeit seines Lebens so genannt hatte. Doch das musste erst ein Gericht klären.

6. Du sollst dich kurz fassen

"Ich erinnere mich an ein Testament von 17 Seiten. Da konnte der Rechtspfleger, der das umzusetzen hatte, nur Fehler machen", so der Nachlassrichter aus Traunstein.

7. Du sollst es bei einem Testament belassen

"Eine Dame machte im Sterben liegend, im Krankenhaus, jeden Tag ein neues Testament. In jedem wurden andere Gegenstände verteilt", erinnert sich Ludwig Kroiß. "Das ist extrem streitträchtig." Und problematisch, wenn sich die Regelungen gegenseitig widersprechen.

8. Du sollst das Testament beim Nachlassgericht hinterlegen

"Denn sonst wird es eventuell nicht gefunden. Oder von jemandem vernichtet, der die Regelung verhindern möchte", sagt Richter Kroiß. Beides gebe es immer wieder.

9. Du sollst deinen Willen vorher mit den Anverwandten besprechen

Denn dann gibt es keine bösen Überraschungen und einem Streit nach dem eigenen Tod wird vorgebeugt. In ein solches Gespräch sollte auch der Bestattungswunsch gehören - und nicht ins Testament. "Ein Erblasser hatte im Testament festgelegt, dass er verbrannt und die Asche über der Irischen See verstreut werden solle. Danach sollten sich die Trauernden in einer irischen Hafenkneipe betrinken", erinnert sich Kroiß. Das Problem dabei: "Zum Zeitpunkt der Testamentseröffnung war der Herr schon längst bestattet."

10. Du sollst das Leben genießen

"Ja mei," sagt Richter Ludwig Kroiß: "Eines habe ich aus meinen fünf Jahren hier beim Nachlassgericht wirklich gelernt. Oft sterben Menschen, die jeden Pfennig zusammengehalten haben - und dann erbt alles jemand, zu dem sie ihr Leben lang gar keinen Bezug hatten."

So fand man im vergangenen Jahr bei einem fleißigen bescheidenen Handwerker in Traunstein nach seinem Tod zwei Millionen Euro in bar in seinem Häuschen. Da er alleinstehend war und keine Kinder hatte, fahndeten Erbenermittler nach Nachkommen in Polen und Tschechien - die dann alles erbten.

Ludwig Kroiß kann da nur den Kopf schütteln. Er sagt: "Da stimme ich Leo Tolstoi zu: Wenn Du glücklich sein willst: lebe."

Ende der Serie

© SZ vom 26.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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