Die großen Erbfälle: Geld - Macht - Hass:Der Mann, dem das Geld nachlief

Sein Leben lang war Howard Hughes auf der Flucht. Der Milliardär liebte Frauen, Filme und Flugzeuge - doch wer liebte ihn? Nach seinem Tod machen gut 400 Möchtegernerben Jagd auf Hughes' Vermögen.

Alexander Mühlauer

Am Ende, als nichts mehr hilft, kein Arzt, kein Vaterunser, hebt er noch einmal ab. Auf dem Flug von Acapulco nach Texas, irgendwo über dem Golf von Mexiko, wird er erlöst - ganz so, wie er es immer wollte. Jahrelang hatte er sich seinen eigenen Tod ausgemalt, und wirklich, es hätte nicht schöner sein können. Howard Hughes, der Erfinder, Flieger, Hollywood-Produzent, Ölmagnat und Großgrundbesitzer, stirbt dort, wo er am liebsten war: über den Wolken.

HUGHES

Der Filmproduzent, Unternehmer und Pilot Howard Hughes in einer Aufnahme aus dem Jahr 1935.

(Foto: AP)

Im Himmel angekommen, beugt sich alle Welt über seine Leiche. Alle wollen wissen, wie er aussieht, der "Mann ohne Gesicht". Kein Wunder, dass sie ihn so nannten, verbrachte Howard Hughes die letzten 15 Jahre seines Lebens doch isoliert, abgeschottet, einsam und allein. Die Öffentlichkeit zeichnete das Bild von einem Milliardär auf der Flucht.

Die Geschichten des ständigen Verschwindens glichen sich. Da waren Feuertreppen, Geheimausgänge, Howard Hughes, das Phantom, auf einer Trage mit breitkrempigem Hut, in Pyjamahose, Bademantel und Sandalen. Natürlich stieg er in Luxushotels ab, wie gewöhnlich soll er nach dem kleinsten Zimmer verlangt haben. Die Fenster verdunkelt, lag er allein auf dem Bett, um ihn herum Kleenex-Schachteln. Aus Angst vor Bakterien soll Howard Hughes nichts und niemanden ohne Tücher berührt haben.

Also, wie sieht er aus, als er, 70 Jahre alt, am 5. April 1976 im Flugzeug über dem Golf von Mexiko stirbt? Es muss schlimm bestellt sein um ihn. Wie er da liegt, im Krankenhaus seiner Heimatstadt Houston, hat Howard Hughes nichts mehr von dem strahlenden Helden, den die Welt in Erinnerung hat. Sein Körper ist ausgemergelt, zusammengeschrumpft, voller offener Wunden. Das Haar, schütter und fettig, reicht bis zu den Schultern.

Nun, da er tot ist, hoffen viele, die Geheimnisse des Tausendsassas lüften zu können. So viel sei schon jetzt gesagt: Es gelingt ihnen nicht. Allein der Streit um das Vermächtnis dauert 15 Jahre. Gut 400 Möchtegernerben melden Anspruch an auf einen Anteil der etwa zwei Milliarden Dollar, die Howard Hughes hinterlassen hat. Warum auch nicht? Geld macht erfinderisch, und so tauchen insgesamt 52 Testamente auf.

Der Typ namens Melvin Dummar

Das außergewöhnlichste unter ihnen wird in Salt Lake City, der Mormonen-Stadt, eingereicht. Ein Typ namens Melvin Dummar, der sich als Bierkutscher, Milchmann und Tankstellenwärter ausgibt, behauptet, er sei Alleinerbe. Er, Dummar, habe Hughes in einer Nacht des Jahres 1968 völlig fertig in der Nähe eines berühmten Bordells in Nevada, der Cottontail Ranch, aufgefunden und gerettet. Es dauert sieben Monate, bis ein Gericht das "Mormonen-Testament" als Fälschung entlarvt.

Erst nach seinem Tod wird die Howard-Hughes-Story vollendet. Begonnen hat sie an Heiligabend 1905 in Houston, Texas; Howard Hughes kommt zur Welt. Mit 18 ist er Vollwaise und erbt Ölfelder und Werkzeugfabriken. Die Unternehmen interessieren ihn herzlich wenig - das Geld schon.

Ihn zieht es dorthin, wo das große Geld mit Glamour verdient wird: nach Hollywood. In Los Angeles produziert Howard Hughes "Scarface", "Hell's Angel" und "Wings", sonnt sich im Glanz von Schönheiten, verführt sie und lässt sich verführen. Glaubt man den bunten Blättern, bekommt Howard Hughes immer das, was er wollte.

Zu seinen Amouren zählen Katharine Hepburn, Ava Gardner, Lana Turner, Bette Davis, Marilyn Monroe und Elizabeth Taylor. Nur Gina Lollobrigida, die er eigens von Rom nach L.A. einfliegen lässt, gibt ihm einen Korb. Hughes ist gekränkt und zahlt es ihr heim: Sieben Jahre lang hindert er sie mit juristischen Tricks, einen Film in den USA zu drehen.

Getrieben von der Lust, wird Howard Hughes immer eifersüchtiger. Seine Liebhaberinnen lässt er von einem Geheimdienst rund um die Uhr überwachen. Als er erfährt, dass Ava Gardner ein Verhältnis mit einem anderen hat, lässt er die Schrauben an ihrem Mercedes so lockern, dass ihr das Auto nach wenigen Metern Fahrt auseinanderfällt.

Insgesamt 50 Chauffeure fahren Howard Hughes zu seinen Rendezvous, oft sind es drei pro Nacht. Als er einen seiner Fahrer mit Anita Ekberg auf dem Rücksitz erwischt, entlässt er alle heterosexuellen Fahrer.

So pedantisch er mit seinen Liebschaften umgeht, so exakt ist er auch bei der Arbeit. Neben seinem Job als Hollywood-Produzent stellt er als Pilot drei Weltrekorde auf. 1935 beschleunigt er ein Landflugzeug auf 526 Stundenkilometer, 1937 gelingt ihm der schnellste Transkontinentalflug und 1938 umfliegt er die Erde in einer Rekordzeit von 19 Stunden und 29 Minuten. Als Howard Hughes wieder landet, regnet es auf dem Broadway in New York Konfetti, der Präsident gratuliert ihm.

Howard Hughes ist das, was man einen Volksheld nennt. Er verkörpert nicht weniger als den amerikanischen Traum. Er ist einer, dem scheinbar alles gelingt. Einer, dem nicht nur die Frauen, sondern auch die Dollars hinterherlaufen.

Mit Kasinos wird er nicht glücklich

In Las Vegas eröffnet er Spielkasinos, doch glücklich ist er nicht. Im Desert Inn verschanzt er sich im obersten Stockwerk. Er ist einsam. Aber immerhin: Er verdient viel. So viel, dass er es sich gar nicht vorstellen kann. Vielleicht ist es ja das Geld, das ihn die Flucht ergreifen lässt. Einer, der ihn angeblich sehr gut kannte, sagte einmal, Howard hätte das Gefühl gehabt, dass ihn alle nur mögen, weil er ein verdammter Milliardär sei. Ja, alle wollten nur sein Geld, so war es auch noch lange nach Hughes' Tod. Das habe ihn fliehen lassen, vor all den Gierigen und vor sich selbst. Aus dem Helden wurde ein Gespenst.

Immer wieder soll er irgendwo gesehen worden sein. Bahamas, Managua, Vancouver, wieder Managua, London, Bahamas, Acapulco. In all der Zeit wendet er sich nur ein einziges Mal an die Öffentlichkeit. Und das auch nur unfreiwillig. Der mittelmäßige Schriftsteller Clifford Irving versucht 1972 eine angebliche Autobiographie Hughes' auf den Markt zu bringen - ein Schwindel, der zu einer tragikomischen Pressekonferenz führt. Howard Hughes lotst die Reporter an einen Ort und meldet sich von den Bahamas aus per Telefon. Zum ersten Mal seit 15 Jahren hört die Welt seine Stimme. Dann verschwindet er endgültig.

Am Ende, als nichts mehr hilft, kein Arzt, kein Vaterunser, hinterlässt Howard Hughes keinen Letzten Willen. Seine Milliarden bekommen die gesetzlichen Erben, Hughes' 21 Nichten und Neffen; abzüglich der Prozess- und Anwaltskosten von 30 Millionen Dollar.

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