Deutschen Wissenschaftszentren droht Millionen-Nachzahlung:Erst die Umsatzsteuer, dann der Weltraum

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Die Mehrwertsteuer ist vielen ein Rätsel: Wann gelten die 19 Prozent, wann die sieben Prozent? Auch Wissenschaftler hadern mit der Umsatzsteuer - das Finanzamt fordert nun etwa beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt eine Nachzahlung in Millionenhöhe. Denn solche Institute seien keine Unternehmen.

Papier für den Drucker, Rechner fürs Büro, Geschäftsessen - Unternehmen in Deutschland können sich die Umsatzsteuer auf Waren und Dienstleistungen für den eigenen Betrieb vom Finanzamt erstatten lassen. Diese Einsparmöglichkeit haben bislang auch die Forschungseinrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft genutzt. Zu Unrecht, wie der Fiskus findet.

Ein Techniker bringt im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt während der Vorstellung des Raumfahrzeugs Shefex II Messkabel am Flugkörper an. Bei verschiedenen Tests werden Bedingungen simuliert, denen das Raumfahrzeug während des Starts im Sommer 2012 ausgesetzt sein wird. (Foto: dpa)

Daher drohen zwei Forschungszentren der größten Wissenschaftsorganisation des Landes nun Steuerrückforderungen in Millionenhöhe, darunter auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Ein Sprecher des DLR bestätigte der SZ einen entsprechenden Bericht der Financial Times Deutschland.

Demnach könnte sich die Rückforderung an das renommierte Institut auf bis zu 300 Millionen Euro belaufen - eine enorme Summe angesichts eines Budgets von weniger als 600 Millionen Euro (2010). Wie das DLR selbst die Situation einschätzt, wollte der Sprecher mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht kommentieren. Neben dem DLR ist auch das Forschungszentrum Jülich im Visier der Steuerfahnder.

Der Grund für die Probleme mit dem Finanzamt: Nach Ansicht der Betriebsprüfer könnten die Forschungszentren für sich nicht den Status eines Unternehmens reklamieren, da sie in erster Linie Grundlagenforschung betreiben würden und keine praxisnahe Anwendungsforschung, aus der Produkte für den Markt hervorgehen. Somit müsse die Umsatzsteuer gezahlt werden, nur 15 Prozent der Ausgaben seien von der Abgabe befreit.

Sollte sich das Finanzamt durchsetzen, würde das nicht nur eine immense Steuerrückzahlung nach sich ziehen - auch in Zukunft drohen den Forschungseinrichtungen dadurch finanzielle Nachteile: Im Durchschnitt aller 17 Helmholtz-Zentren könne sich daraus eine "zusätzliche Steuerbelastung in Höhe von bis zu 40 Mio. Euro jährlich pro Einrichtung" ergeben, heißt es aus dem Berliner Forschungsministerium. Die Wissenschaftseinrichtungen sollten vor dem Finanzamt geschützt werden: Die Helmholtz-Zentren seien "Großforschungsunternehmen", die der Gesellschaft dienen würden und auch wirtschaftlich relevant seien, sagte ein Sprecher von Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) der FTD.

Bekommen die Forscher nun einen Rettungsschirm? Laut FTD ist das Bundesfinanzministerium skeptisch. Die Institute seien für ihre Steuererklärungen selbst verantwortlich und könnten "nicht darauf vertrauen, dass ihnen mit zusätzlichen Haushaltsmitteln geholfen wird".

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