Deutsche Börse:Häuserkampf beim Großkapital

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Die Deutsche Börse sitzt - nein, nicht Frankfurt, sondern in Eschborn. Vor fünf Jahren zog das Unternehmen um. Der alte Hauptsitz der Deutschen Börse steht mittlerweile. 2500 Fondsanleger fürchten deshalb um einen dreistellige Millionensumme.

Markus Zydra

Still ist es geworden in dieser Ecke des Frankfurter Stadtteils Hausen. Das frühere Hauptgebäude der Deutschen Börse steht leer, auch wenn am Eingang noch das Konzernschild hängt. In dem kleinen Empfangshäuschen hinter dem verschlossenen massiven Stahltor steht ein Heizstrahler, der Kalender von 2010 hängt an der Wand.

An der Neuen Börsenstraße 1 hatte die Deutsche Börse früher ihren Hauptsitz. (Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Über 3000 Menschen haben früher in dem weitläufigen fünfstöckigen Bau früher gearbeitet. Jetzt sind es noch zwei Sicherheitsbeamte. Einer fragt durch die Fernsprechanlage, was man denn hier suche. "Ein Vermietungsschild", sagt der Besucher, doch er findet keines.

Die Deutsche Börse - das Unternehmen fusioniert derzeit mit der New Yorker Wall Street - ist vor zehn Monaten ins fünf Kilometer entfernte Eschborn umgezogen. Dabei hatte die Stadt Frankfurt für das neue Domizil des Unternehmens eigens die Adresse "Neue Börsenstraße 1" ersonnen, in einem Viertel, wo Insterburger, Königsberger und Tilsiter Straße zu Hause sind. Der Grund für den Umzug: Das Unternehmen spart viel Gewerbesteuer. Man munkelt, es sei so viel, dass die Börse auch dann umgezogen wäre, wenn der Eigentümer die Miete auf null gesetzt hätte.

Der Eigentümer, das sind rund 2500 Privatanleger, die 1999 etwa 100 Millionen Euro in den geschlossenen Fonds Recursa investiert haben. Die Hypo-Vereinsbank (HVB), eine Tochtergesellschaft der italienischen Unicredit, hat diesem Fonds zusätzlich einen Kredit von rund 86 Millionen Euro gegeben. Die Deutsche Börse unterzeichnete damals einen Mietvertrag über zehn Jahre. Es galt als ausgemacht, dass der Konzern den Vertrag verlängern würde. Die Architektur war auf die Börse zugeschnitten.

Es kam anders, und deshalb kam der Ärger. Natürlich geht es um Geld. "Die Bank hat sich 20 Millionen Euro als Pfand gegriffen, und wir erhalten seit 2009 keine Ausschüttungen", sagt ein Anleger, der anonym bleiben will.

Geschlossene Fonds wie der Recursa sind unternehmerische Beteiligungen, die häufig zum Teil kreditfinanziert sind. Als bekannt wurde, dass die Deutsche Börse auszieht, hat sich die HVB 2008 ein Pfand- und Vetorecht bei der Ausschüttungspolitik einräumen lassen. Das geschah nachträglich, denn im ursprünglichen Kreditvertrag von 1999 war dieses Recht nicht vorgesehen.

Der Recursafonds - offizieller Name CFB-Fonds 130 - ist von der Commerz Real aufgelegt worden, eine Tochter der Commerzbank. Man sei auf die Forderung der HVB eingegangen, "da im Zuge einer Risikoabschätzung die Bank nach unserer Einschätzung berechtigt gewesen wäre, aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) den Darlehensvertrag zu kündigen", sagt Michael Kohl, Geschäftsführer der Commerz Real Fondsbeteiligungsgesellschaft (CFB). Betroffene Anleger bezweifeln die Rechtmäßigkeit. "Die Einsicht in diese AGB wurde mir von der Commerz Real verweigert", sagt der Privatinvestor. "Bedauerlicherweise waren die AGB der Fondsdokumentation zunächst nicht zugeordnet, nun liegen sie aber vor", sagt CFB-Geschäftsführer Kohl.

Nach seiner Ansicht durfte die Geschäftsführung des Fonds der Bank das Pfandrecht geben, und zwar ohne Zustimmung der Gesellschafter. "Bis zu einer Summe von 23 Millionen Euro kann das der Geschäftsführer allein entscheiden", sagt Kohl. Nein, meinen die Sparer: Die 20 Millionen Euro hätten an die Anleger ausgeschüttet werden müssen, schließlich habe die Deutsche Börse doch bis Juni 2011 die Miete bezahlt - da hätte die Bank doch nicht bereits 2009 neue Sicherheiten verlangen müssen. Es steht der Vorwurf im Raum, der Recursa-Geschäftsführer habe dem Druck der HVB zu schnell nachgegeben.

"Die Fondsgeschäftsführung muss die Interessen der Anleger und nicht die der Bank wahren, das ergibt sich aus der Treuepflicht", sagt Katja Fohrer, Rechtsanwältin der Kanzlei Mattil. Zwar verlieren leerstehende Immobilien sofort an Wert, da verlangt die Bank mehr Sicherheiten. Doch hätte das Institut den Kredit kündigen dürfen?

Die Bank darf die Kündigung nicht willkürlich ohne jede Rücksichtnahme auf die Interessen des Kunden aussprechen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bank über ausreichende Sicherheiten verfügt und dem Kunden ein großer Schaden droht", sagt Fohrer. Die HVB wollte sich unter Verweis auf die Schweigepflicht nicht äußern.

Auf dem Konto des Recursafonds liegen noch weitere 20 Millionen Euro, Anleger befürchten, dass die HVB auch diese Summe für sich beanspruchen könnte. Am 28. September ist Eigentümertreffen in Düsseldorf. Alles wird gut, wenn endlich ein Nachmieter gefunden wird. Doch das ist in der aktuellen Marktsituation schwierig. Es wird auch teuer. Der potentielle Nachmieter hat die Verhandlungsmacht, um die Kosten für den Umbau und Umzug auf die Eigentümer umzulegen. Dennoch hat sich bislang niemand gefunden.

Vom Dach des ehemaligen Hauptgebäudes in Frankfurt-Hausen könnte man die neue Konzernzentrale der Deutschen Börse in Eschborn wohl gut sehen. Das Gebäude ist würfelförmig, man nennt es "The Cube". Auch diese Immobilie haben Privatanleger finanziert, wieder in einem geschlossenen Fonds. Die Deutsche Börse hat diesmal einen Mietvertrag für 15 Jahre unterzeichnet - die HVB hat den Fonds diesmal verkauft.

© SZ vom 13.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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