Deutsch-französische Koalition:Wie aus Angela Merkel "Madame Oui" wird

In der Eurokrise hat die jahrzehntelange Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich versagt. Angela Merkel war "Madame Non". Nun zeigt sich: Die beiden Länder ziehen wieder an einem Strang. Finanzministerin Lagarde und ihr Kollege Schäuble wollen so den Euro retten und Spekulanten bekämpfen.

Als Wolfgang Schäuble (CDU) die Einladungen für die internationale Finanzkonferenz in Berlin vor Wochen verschicken ließ, da ahnte er noch nicht, welche Brisanz dieses Treffen haben könnte. Doch nach dem Tohuwabohu rund um Griechenland und Euro ist der Druck auf die Regierungen gewachsen, die Finanzmärkte an die Leine zu nehmen.

Die französische Finanzministerin Christine Lagarde und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Foto: Reuters

Die französische Finanzministerin Christine Lagarde (rechts) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Ziehen die zwei Euro-Kernstaaten künftig wieder an einem Strang?

(Foto: Foto: Reuters)

Politiker, Banker und Wissenschaftler loten nun aus, welche Chancen es für eine internationale Finanzsteuer geben könnte. Schäuble zeigte sich zuletzt zwar skeptisch, dass beim Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im Juni in Kanada ein solches Vorhaben international vereinbart werden könnte - doch er bekräftigte seinen Willen, dann eben eine europäische Lösung zu sondieren.

Dabei setzen er und seine Dienstherrin Angela Merkel neuerdings auf eine alte Zweisamkeit, auf eine besondere Beziehung, die sich nach 1945 herausgebildet hat - auf die deutsch-französische Freundschaft. So wie aus den "Erbfeinden" von einst die Protagonisten Europas wurden, so soll nun hieraus der Schwung zur Bewältigung der Krise kommen.

"Der Euro ist eine solide Währung"

Gemeinsam mit der französischen Finanzministerin Christine Lagarde will Schäuble in Europa offensichtlich einen pas de deux besonderer Art wagen.

Zuletzt hatten Deutschland und Frankreich in der Eurokrise nicht immer mit einer Stimme gesprochen - so widersprach Lagarde noch kurz vor dem Treffen in Berlin der Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass der Euro gefährdet sei. "Ich denke absolut nicht, dass der Euro in Gefahr ist", sagte Lagarde dem Radiosender RTL. "Der Euro ist eine solide und vertrauenswürdige Währung."

Und das dürfte bei der Konferenz in Berlin für alle sichtbar sein. Auch Angela Merkel, zum Kummer der Franzosen bislang bei radikalen Plänen zur wirtschaftlichen Systemreform "Madame Non", ist nun offenbar zum Kurswechsel entschlossen.

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat das Tempo bestimmt - und somit auch die Deutschen aus ihrer Gestaltungs-Lethargie herausgerissen.

Bewusst erwähnte Kanzlerin Merkel am Donnerstag auf einer Pressekonferenz den starken Partner. "Die Bankenabgabe, die wir gemeinsam mit Frankreich entwickelt haben, ist ein wichtiger Eckpunkt", sagte sie zu den anstehenden Reformen. Sie hoffe, dass dies auch andernorts in ähnlicher Weise umgesetzt werde.

Zugleich kündigte sie an, sich auf dem G-20-Gipfel in Kanada über die Bankenabgabe hinaus für eine internationale Finanzmarktsteuer einzusetzen.

Im besten Börsen-Sprech

Ihr Finanzminister geht ohnehin das von Frankreich geforderte Reformtempo. Schon vor Wochen schlug er einen Europäischen Währungsfonds vor, eine Geldsammel- und -verteilstelle gegen die Krise. Nun warnt er im besten Börsen-Sprech: "Wir dürfen das Momentum nicht verlieren." Die Krise in Griechenland und in der Euro-Zone habe deutlich gemacht, dass bei den Bemühungen nicht nachgelassen werden dürfe. Sein Motto: "Wieder Fahrt aufnehmen."

Das gilt indirekt vor allem für Angela Merkel.

Für das Finanz-Meeting in der Hauptstadt haben sich hochrangige Teilnehmer angemeldet. Neben Merkel, Schäuble und Lagarde nehmen auch Bundesbankpräsident Axel Weber sowie EU-Kommissar Michel Barnier und OECD-Generalsekretär Angel Gurría teil. Vertreten sind zudem der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank.

Auf der Tagesordnung steht ganz allgemein die Frage, wie die Finanzindustrie an den Kosten der Krise beteiligt werden könnte. Kanzlerin Merkel hatte am Mittwoch im Bundestag versprochen, sich international für eine Finanztransaktions- oder Finanzaktivitätssteuer einzusetzen. So soll die Branche die Lasten mittragen und die Gier der Spekulanten geblockt werden.

Wie bei Schmidt und d'Estaing

Nun soll wieder gelten, was unter der Zauderin Merkel ein wenig in Vergessenheit geriet: dass Deutschland und Frankreich als Motor der europäischen Einheit besser zurechtkommen als in einer Situation der Unsicherheit und Selbstauflösung.

Dieses Grundelement galt schon bei Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, erst recht bei Helmut Schmidt und Giscard d'Estaing sowie bei François Mitterrand und Helmut Kohl. Auch Gerhard Schröder wagte mit Jacques Chirac im Irakkrieg die in dieser Frage wichtige Abkehr von amerikanischen Hegemonialbestrebungen.

Ob ein deutsch-französischer Vorstoß in Sachen Finanzmarktreform erfolgreich sein könnte, ist allerdings völlig ungewiss.

Eine Sache der ganzen Nation

Erkennbar ist nur, dass sich die Politik-Konzepte plötzlich ähneln. Frankreich will eine Industriepolitik nach deutschem Zuschnitt machen und auch die Defizite nach dem Vorbild der "Schuldenbremse" eindämmen. Präsident Sarkozy plant, dass sich jede frisch gewählte Regierung für die nächsten fünf Jahre auf Defizitziele verpflichtet. Die Regierung solle dabei auch festschreiben, wann sie das Haushaltsgleichgewicht erreichen wolle, erklärt Sarkozy. Das alles soll per Verfassungsreform fixiert werden.

Die Sanierung der öffentlichen Finanzen sei Sache der ganzen Nation und nicht nur der Regierung, erklärte Sarkozy: "Ich wünsche, dass Frankreich sich eine Regel für alle öffentlichen Verwaltungen gibt."

Dämme gegen die vielen Verbindlichkeiten

In Deutschland beginnt Schäuble damit, Dämme gegen die vielen Verbindlichkeiten zu errichten. Er möchte, wie bekannt wurde, seinen Ministerkollegen konkrete Sparvorgaben machen.

Laut einem Schreiben von Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer, aus dem die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitiert, steigen die Sparvorgaben von 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2011 über 2,3 Milliarden Euro im Jahr 2012 auf jeweils 2,8 Milliarden Euro in den Folgejahren, und zwar jeweils im Vergleich zur aktuellen Finanzplanung.

Den größten Beitrag muss demnach Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit anfangs knapp 600 Millionen und dann mit mehr als einer Milliarde Euro im Jahr erbringen. Es folgt Verkehrsminister Peter Ramsauer mit 259 Millionen Euro im Jahr 2011 und mehr als einer halben Milliarde Euro in den Folgejahren.

Arbeitsressort von Sparbemühungen praktisch ausgenommen

Mit weitem Abstand dahinter liegen dem Bericht zufolge Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU), die im Jahr 2014 zwischen rund 125 und knapp 100 Millionen Euro sparen müssen.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die mit Abstand den größten Etat verantwortet, ist laut dem FAZ-Bericht praktisch davon ausgenommen. Der Arbeitsministerin würden weniger als vier Millionen Euro im Jahr an Einsparungen abverlangt. Von der Leyen hat im laufenden Jahr einen Etat von knapp 147 Milliarden Euro. Der Gesamthaushalt 2010 umfasst Ausgaben von gut 325 Milliarden Euro.

Die neuen Obergrenzen für die jeweiligen Einzeletats seien aber lediglich vorläufig, schrieb das Handelsblatt unter Berufung auf Gatzers Schreiben. Bis zum Jahr 2014 müsse das strukturelle Defizit um 40 Milliarden Euro sinken. Damit sei klar, "dass die genannten Einsparungen von drei Milliarden Euro ab dem Jahr 2013 nur ein erster - kleiner - Schritt sein können", wurde der Staatssekretär weiter zitiert. Im Laufe der nächsten Wochen werde über weitere Maßnahmen zu befinden sein.

Auch dafür werden sich Madame Lagarde und Sarkozy, le President, sicher sehr genau interessieren.

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