Der reichste Tscheche:Die fantastische Welt des Herrn Petr Kellner

Der Reichtum neuer Millionäre fasziniert und spaltet postkommunistische Länder wie Tschechien - auch die Welt des reichsten Tschechen polarisiert.

Klaus Brill

Der Mann ist ein Phantom. In den Gazetten firmiert er nur als "der reichste Tscheche", und wahrscheinlich hat seine mythische Überhöhung viel damit zu tun, dass Petr Kellner ganz normal lebt, öffentlich so gut wie gar nicht auftritt und viel Zeit geschäftlich im Ausland verbringt. Drum war es eine kleine Sensation, als vor einiger Zeit die Wirtschaftszeitung Hospodarske Noviny ein Interview mit ihm brachte. Kellner sprach darin nicht nur übers Geschäft, sondern auch über die Indianerspiele mit seinen Kindern und über die von ihm errichtete Eliteschule auf einer grünen Wiese bei Prag. Und eher beiläufig erwähnte er auch, dass er sich um die hohe Luft- und Umweltverschmutzung in Prag und Umgebung weit mehr sorge als um die Frage, ob die Tschechen noch einmal ihre Meinung über die reichen Leute änderten. "Reiche und Arme wird es immer geben", sagte er, "so ist die Welt."

Der reichste Tscheche: Neureiche sind in postkummunistischen Ländern wie Tschechien nicht selten.

Neureiche sind in postkummunistischen Ländern wie Tschechien nicht selten.

(Foto: Foto: ddp)

Schon als Dagobert Duck porträtiert worden

Es klingt, als fühlte sich der 43-Jährige nicht ganz wohl bei dem Gedanken, was seine Landsleute von ihm und anderen Millionären halten könnten. Jedenfalls ist sein Geschäftserfolg trotz aller Diskretion und trotz seines unprätentiösen Auftretens im offenen Hemd ein häufiges Thema in den Medien. Auf der Titelseite eines Magazins ist Kellner sogar schon wie Dagobert Duck, im Geld badend, porträtiert worden. Großes Geld und märchenhafter Reichtum faszinieren die Tschechen offenkundig in höchstem Maße, ebenso wie alle anderen Bewohner Mittel- und Osteuropas.

Es ist nur zu verständlich vor dem Hintergrund, dass sie alle - mit Ausnahme der Bonzen und ihrer Helfer - im Kommunismus bis 1989 in einer Mangelwirtschaft und teils in ärmlichen Verhältnissen leben mussten. Seit der Wende aber ist der wirtschaftliche Aufschwung gerade im Boomland Tschechien das auffälligste Zeichen der neuen Zeit, entsprechend sind auch die Einkommen gestiegen - und das Interesse daran, was wieviel kostet und wieviel bringt, wer wieviel verdient und was besitzt.

Geschätztes Vermögen: 4,1 Milliarden Euro

Petr Kellner, der 1964 im nordböhmischen Liberec (Reichenberg) geboren wurde und in Prag ein Studium der Volkswirtschaft absolvierte, wird derzeit auf ein Vermögen von 4,1 Milliarden Euro geschätzt, und zwar vom Wirtschaftsmagazin Forbes. Sie setzte ihn 2007 in ihrer alljährlich aktualisierten Liste der reichsten Menschen der Welt auf Platz 119.

Kellner war nach der Wende von 1989 zunächst in einer Firma tätig, die Kopiergeräte verkaufte. Mit zwei Kollegen gründete er 1991 einen Fonds, der dann bei der umstrittenen Coupon-Privatisierung der Staatsbetriebe höchst erfolgreich war. Später erwarb die Gruppe die Mehrheit an Tschechiens größter Versicherungsgesellschaft, und in jüngster Zeit weiteten Partnerschaften mit dem italienischen Versicherungsriesen Generali und der russischen Nomos-Bank sowie Engagements in vielen Ländern des früheren kommunistischen Machtbereichs das Geschäft abermals aus. Der Sitz der Holding ist in den Niederlanden, aus Gründen der Rechtssicherheit und des Investitionsschutzes, wie Kellner sagt.

Die fantastische Welt des Herrn Petr Kellner

In Tschechien ist inzwischen ebenfalls eine Liste der reichsten Leute erstellt worden, die Zeitschrift "Tyden" präsentiert sie alljährlich und schloss darin im vorigen Jahr aus alter Verbundenheit auch die Magnaten der benachbarten Slowakei ein. Natürlich hält Petr Kellner in diesem Ranking den ersten Platz, ihm folgen Andrej Babis (53), der Gründer und Eigner des Agrar- und Chemiekonzerns Agrofert, sowie der Finanzinvestor Pavel Tykac (43) und der 37-jährige Öl-Tycoon Karel Komarek. Ihr Vermögen wird auf 26 und 60 Milliarden tschechische Kronen taxiert. Das entspricht einer Bandbreite von 1,0 bis 2,3 Milliarden Euro.

Der reichste Tscheche: Reiche Tschechien wie Petr Kellner reden in Interviews lieber über Indianerspiele mit ihren Kindern als über ihr Geld - vermutlich vor Angst, was deutlich ärmere Landsleute denken könnten.

Reiche Tschechien wie Petr Kellner reden in Interviews lieber über Indianerspiele mit ihren Kindern als über ihr Geld - vermutlich vor Angst, was deutlich ärmere Landsleute denken könnten.

(Foto: Foto: oh)

Abenteuerlicher Aufbruch in den Kapitalismus

Neben Komarek und Kellner sind auch viele andere der tschechischen nouveaux riches noch recht jung - von den ersten 20 auf der Liste sind elf unter 40 Jahren. Vermutlich können sie allesamt fesselnde Geschichten über ihre Laufbahn erzählen, denn in Tschechien wie im übrigen Mittel- und Osteuropa vollzog sich der Aufbruch in den Kapitalismus durchaus unter abenteuerlichen Bedingungen. Gerichtsverfahren gegen den 36-jährigen Tomas Pitr (Platz 47 mit schätzungsweise 120 bis 150 Millionen Euro) belegen, dass auch kriminelle Machenschaften vorkamen.

Immer wieder wird dies den Fernsehzuschauern und Zeitungslesern auch am Beispiel schillernder Hazardeure wie des früheren Finanzmagnaten Viktor Kozeny vor Augen geführt. Er wird verdächtigt, als Fondsmanager Hunderttausende von Kleinanlegern, die über Coupons an der Entstaatlichung teilhaben wollten, um ihr Geld betrogen zu haben. Vor gut zehn Jahren gelangte Kozeny mit einer Protzgeste ins Guinness-Buch der Rekorde: er gab das mutmaßlich teuerste Abendessen aller Zeiten - für 21.000 Dollar.

Nicht selten gute Kontakte zur Politik

Bis heute konnte auch der 38-jährige Radovan Kreijcir, der des Betrugs, der Steuerhinterziehung und des Mordes verdächtigt wird, nicht vor ein tschechisches Gericht gebracht werden. Er narrte seine Verfolger über die Medien erst von den Bahamas aus, jetzt ist er in Südafrika. Ein anderer der neuen Kronen-Milliardäre, Frantisek Mrazek, ein Partner des gesuchten Tomas Pitr, wurde vor zwei Jahren vor seiner Firma von einem Unbekannten erschossen.

Nicht selten pflegen die neuen Kapitalisten auch gute Kontakte zu Politikern, weshalb bei letzteren sehr sorgsam auf das Finanzgebaren geachtet wird. Was ein Politiker verdient, ist in Tschechien wie anderswo nicht geheim. Demnach verdient Ministerpräsident Mirek Topolanek derzeit monatlich netto umgerechnet 4402 Euro, während der Oppositionsführer Jiri Paroubek mit netto 1695 Euro vorlieb zu nehmen hat.

Dass der frühere Regierungschef Stanislav Gross, wie Paroubek ein Sozialdemokrat, neben seinem Gehalt noch reichlich Bares für den Erwerb einer Prager Wohnung aufbringen konnte, kostete ihn vor drei Jahren das Amt. Er konnte die Herkunft des Geldes nicht erklären. Inzwischen aber brüstet er sich öffentlich mit hohen Summen, die angeblich aus Aktienverkäufen stammten, bei Devisenspekulationen einen erklecklichen Reibach zu machen. Was das Volk sicher freut.

Die fantastische Welt des Herrn Petr Kellner

In ähnlicher Weise erregte jüngst die Meldung Aufsehen, dass die Manager des halbstaatlichen Energiekonzerns CEZ über Aktienoptionen im Wert von mehr als einer Milliarde Kronen (knapp 40 Millionen Euro) verfügten. Allein dem Vorstandsvorsitzenden Martin Roman, einem Mann von 37 Jahren, stand ein Sonderbonus von 26 Millionen Euro zu - ganz legal. Der Firmenchef, der dank steigender Preise und tatkräftiger Investitionen 2007 gigantische Gewinne erwirtschaftete, profitierte vor allem davon, dass die vor Jahren zugeteilten CEZ-Aktien in der Zwischenzeit ums Zehnfache gestiegen sind.

Durchschnittliches Monatseinkommen in Tschechien: 836,50 Euro

Dem tschechischen Normalbürger müssen solche Summen gleichwohl als unglaublich oder gar als unverschämt erscheinen, wie der Wirtschaftsanalytiker Jan Prochazka erklärt. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt derzeit nämlich bei umgerechnet 836,50 Euro brutto, wie das Tschechische Statistische Amt für das dritte Quartal 2007 ermittelte. Gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum entsprach dies einer Steigerung von 7,6 Prozent. Anfang 2002, vor sechs Jahren, lag das Einkommen noch bei genau zwei Drittel des heutigen Betrags. Doch immer noch ist es nur etwa ein Drittel dessen, was die deutschen Nachbarn im Durchschnitt verdienen.

Am stärksten kontrastiert der Reichtum der Milliardäre mit der Armut der vielen Rentner im Land. Die monatliche Durchschnittsrente liegt derzeit laut Auskunft des Sozialministeriums bei 9111 Kronen. Das sind nach jetzigem Kurs rund 355 Euro. Gleichzeitig hat die Zahl der Dollar-Millionäre seit dem Jahr 2003 stark zu genommen - von 11.000 auf heute fast 17.000.

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