Der Künstlerhof zu München:Malerisch wohnen

Die Ateliers und Wohnungen in der früheren "Großsiedlung Neuhausen" bieten ihren Mietern ein ziemlich idyllisches Umfeld - auch noch 80 Jahre nach ihrer Entstehung.

Andreas Schätzl

,,Künstlerhof? Wo soll der denn sein?'' Nicht einmal der Münchner Taxifahrer weiß, wo der Künstlerhof liegt. Nein, er ist nicht in Schwabing, sondern in Neuhausen, zwischen der Arnulf- und der Wendl-Dietrich-Straße, kurz vor dem Steubenplatz. In geräumigen Ateliers wirken und wohnen dort Künstler. Für jene, die nicht mit dem Malen oder Bildhauen ihr Geld verdienen, gibt es auch ,,normale'' Wohnungen.

Der Künstlerhof zu München: Klare Linien vor klarem Himmel: Blick auf einige der alten Arbeitsateliers im Künstlerhof

Klare Linien vor klarem Himmel: Blick auf einige der alten Arbeitsateliers im Künstlerhof

(Foto: Foto: A. Schätzl)

Die Anlage gehört zu der von 1928 bis 1930 gebauten ,,Großsiedlung Neuhausen'' - eine Reaktion auf die in der Zeit der Wirtschaftskrise herrschende Wohnungsnot. Mit dem Siedlungsbau wurde eine eigens gegründete Aktiengesellschaft betraut, die Gemeinnützige Wohnungsfürsorge AG (GEWOFAG). Diese ist mittlerweile ein städtisches Unternehmen.

Am Rande Neuhausens, wo die Stadt noch in Wiesen und Ackerland überging, bildete die Siedlung einen veritablen kleinen Stadtteil. Auf beinahe 190.000 Quadratmetern entstanden 1600 Wohnungen, viele Läden, einige kleinere Handwerksbetriebe, vier Gaststätten und zwei Kindergärten. Verantwortlich für das Gesamtprojekt war der Architekt Hans Döllgast, der in den Fünfzigern die Alte Pinakothek wieder aufbaute.

Biotop für 30 Künstler

Heute umfasst die Siedlung mehr als 2500 Wohnungen - und eben den Künstlerhof mit inzwischen 13 großen Ateliers (1999 hat die GEWOFAG noch einmal sechs neue realisiert) sowie 13 Atelierwohnungen in den Dachgeschossen. Im Bereich des Künstlerhofs gibt es neben den (Wohn-)Ateliers auch mehr als 100 Wohnungen, mindestens 60 Quadratmeter groß, meist zwei Zimmer, Wohnküche, kein Balkon.

Insgesamt 30 Künstler, so die Wohnungsgesellschaft, arbeiten und logieren zum Teil in diesem im wahrsten Sinne des Wortes malerischen, ein wenig entrückt anmutenden Biotop.

Malerisch wohnen

Zwei viergeschossige, langgestreckte Wohnhäuser begrenzen die schmale Zufahrtsstraße, an deren Ende die sieben alten Ateliers ein abschließendes Karree formen, zugänglich auch durch einen hohen Torbogen, der ohne weiteres als Kulisse für einen Film von Friedrich Wilhelm Murnau hätte fungieren können.

Licht und Kanten

Zum Wohnen sind diese Werkstätten nicht vorgesehen - da ist die GEWOFAG ganz rigide. Die mächtigen Künstler-Wirkstätten mit ihren riesigen Glasfassaden, trutzig-dunklen Holztüren und expressionistisch kantig-schroff gen Himmel strebenden Kaminen sind auf der Rückseite mit hohen Flügeltüren bestückt. Als Kontrast gleichsam plätschert friedvoll ein Skulpturbrunnen.

Im Inneren der knapp 80 Jahre alten Ateliers herrscht viel lichter Raum. Für die Arbeit der Künstler ist das Sonnenlicht eine wichtige Voraussetzung. Eine Holzstiege führt nach oben, wo sich kleine Zimmerchen befinden. So auch bei Josef und Helene Fromm, Bildhauer und Malerin.

In deren Werkstatt reihen sich in Nischen und Ecken Köpfe aus Metall aneinander, jeder mit einem anderen Ausdruck im gehämmerten Gesicht. Das Künstlerehepaar arbeitet seit 30 Jahren hier. Sie kamen aus dem Glockenbachviertel, ,,wo es auch inspirierend war, aber wir möchten dort nicht mehr wirken, heute schon gleich gar nicht mehr.'' Viel zu betriebsam, sagen sie.

Die Fromms indes möchten gar nicht hier wohnen. Sie haben ein Refugium im Chiemgau, offenbar sehr erholsam, Blick auf die Berge, Wiesen, Wald. Aber die Anziehungskraft des Künstlerhofs sei ungebrochen, versichern die beiden: ,,Auch der Künstlerhof hat etwas Ländlich-Friedvolles.'' Sie blieben hier, sagen sie, bis sie den Spagat zwischen ihren beiden Domizilen irgendwann nicht mehr üben wollten.

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