Unsicherheit an den Devisenmärkten:"Angst essen Euro auf"

Der Euro im freien Fall: Erstmals seit vier Jahren kostete die Gemeinschaftswährung im japanischen Handel weniger als 1,19 Dollar. Zieht China jetzt die Notbremse?

Der Kurs des Euro kennt derzeit nur eine Richtung - nach unten. Die europäische Gemeinschaftswährung setzte ihre Talfahrt der vergangenen Wochen auch zu Wochenbeginn fort.

Euro auf Vier-Jahres-Tief

Der Euro ist auf ein Vier-Jahres-Tief zum Dollar gefallen. Belastet wird die europäische Gemeinschaftswährung durch etliche Faktoren: die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit Ungarns, den anhaltenden Streit in den G-20-Staaten über Reformen der Weltfinanzarchitektur und schwache Arbeitsmarktdaten aus den USA.

(Foto: dpa)

Am Montagmorgen sank die Gemeinschaftswährung erstmals seit März 2006 unter die Marke von 1,19 Dollar. Im Tief kostete ein Euro 1,1878 Dollar. Ein Dollar war damit bis zu 0,8419 Euro wert. Im europäischen Handel erholte sich der Euro wieder etwas und kostete am späten Vormittag 1,1945 Dollar.

Erst am Freitag war der Euro unter die psychologisch wichtige Marke von 1,20 Dollar gesunken. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Freitagmittag noch auf 1,2060 (Donnerstag: 1,2268) festgesetzt.

Zweifel an der Bonität Ungarns

Händler begründeten die neuerlichen Kursverluste des Euro mit mehreren Faktoren - etwa mit der anhaltenden Unsicherheit wegen der europäischen Schuldenkrise. Zuletzt waren Zweifel an der Bonität Ungarns aufgekommen. Ungarn ist Mitglied der Europäischen Union, gehört aber nicht zur Eurozone. Versuche Ungarns, den durch Äußerungen einiger Politiker zur Ausbreitung zur Schuldenkrise angerichteten Schaden am Devisenmarkt einzudämmen, blieben weitgehend erfolglos. Die Landeswährung Forint verbilligte sich gegenüber dem Euro um 0,1 Prozent auf 287,80 Forint.

Darüber hinaus nannten die Marktakteure enttäuschende Arbeitsmarktzahlen aus den USA als Belastungsgrund. Die Zahlen vom Freitag hätten die Unsicherheit unter den Anlegern verstärkt und in den Dollar als weltweite Reservewährung getrieben, hieß es.

Zudem kamen zum wiederholten Male Gerüchte auf, dass China seine Fremdwährungsbestände zu Gunsten des Dollars umschichten könnte. Das Land hatte bereits Ende Mai dementiert, dass es sich aus der europäischen Gemeinschaftswährung zurückziehe.

Streit in den G-20-Staaten sorgt für Unsicherheit

Stattdessen betonte China sein dauerhaftes Engagement im Euro neben der Hauptdevise Dollar. Damals hatte die Financial Times gemeldet, hohe Beamte der staatlichen chinesischen Devisenverwaltung (Safe) hätten sich aus Sorge über die Schuldenkrise mit europäischen Bankenvertretern getroffen. Die Safe dementierte diese Bericht allerdings deutlich und betonte, dass Europa einer der Hauptmärkte für ausländische Währungsbestände Chinas bleibe.

Auf diese Nachrichten hin hatte sich der Euro damals etwas erholen können, doch die neuesten Turbulenzen an den fernöstlichen Devisenmärkten belasteten die Gemeinschaftswährung nun wieder. "Angst essen Euro auf", kommentierte Helaba-Analyst Ralf Umlauf in Anlehnung an den Filmtitel "Angst essen Seele auf".

"Im aktuellen Umfeld droht die Einheitswährung weiter an Boden zu verlieren", hieß es in einem Marktkommentar von HSBC Trinkaus. "Dabei spielt die Sorge um die Staatsfinanzen und den Zusammenhalt der Währungsunion ebenso eine wesentliche Rolle wie der geringere Risikoappetit."

Zur Unsicherheit trug nach Einschätzung von Analysten auch bei, dass sich die G-20-Länder über den richtigen Weg aus der Schuldenkrise streiten. Die USA und viele Schwellenländer fürchten, dass ein rigider Sparkurs in Deutschland und anderen Ländern die Erholung der Weltwirtschaft abwürgen könnte.

Umschichtungen in Dollar, Franken und Yen

Die Bundesregierung arbeitet während ihrer am Montag noch andauernden Kabinettsklausur an einem ehrgeizigen Sparprogramm. Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Nachmittag die Ergebnisse der Verhandlungen vorstellen.

Händlern zufolge schichten Investoren in die als sicherer Anlagehafen geltenden Währungen Dollar, Schweizer Franken und Yen um. Der Euro verlor 0,1 Prozent auf 1,3895 Franken beziehungsweise 0,5 Prozent auf 109,14 Yen. Der Dollar-Index, der den Wert des Greenback zu sechs wichtigen Währungen abbildet, erreichte ein 15-Monatshoch von 88,708 Punkten.

Die Unsicherheit trieb Anleger in die als relativ sicher geltenden Bundesanleihen. Der Bund-Future stieg in der Folge auf ein Rekordhoch von 129,67 Zählern. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe fiel bis auf 2,554 Prozent.

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