Denkmalschutz:Sanieren in extremen Lagen

Denkmalschutz: Das Gepatschhaus, 1872/73 erbaut, liegt auf 1928 Meter Höhe. Die älteste Alpenvereinshütte Österreichs steht seit 2013 unter Denkmalschutz.

Das Gepatschhaus, 1872/73 erbaut, liegt auf 1928 Meter Höhe. Die älteste Alpenvereinshütte Österreichs steht seit 2013 unter Denkmalschutz.

(Foto: Deutscher Alpenverein e.V.)

Eigentümer von denkmalgeschützten Häusern stöhnen oft über die Auflagen, die sie erfüllen müssen. Noch schwieriger wird es, wenn die Immobilien schwer zu erreichen sind - zum Beispiel Berghütten und Leuchttürme.

Von Jochen Bettzieche

Prutz, südlich von Landeck in Tirol. Wer dort von der Hauptstraße ins Kaunertal abbiegt, an kleinen Dörfern und einsamen Höfen vorbeifährt, die Maut für die Gletscherstraße entrichtet und Kehre für Kehre die Straße nach oben fährt, am Gepatschstausee entlang, landet schließlich hier: am Gepatschhaus, der ältesten Hütte des Deutschen Alpenvereins (DAV). Seit 2013 steht sie unter Denkmalschutz.

In Österreich hatte das Denkmalamt Wien 2009 beschlossen, am Beispiel von Tirol zu prüfen, welche von fast 300 Hütten historisch bedeutend sind. Acht davon stehen mittlerweile unter Denkmalschutz, bei zehn weiteren ist es geplant, weitere neun Objekte werden intensiver geprüft. Manche liegen mehr als 3000 Meter über dem Meeresspiegel.

Das Gepatschhaus steht bei 1928 Metern vergleichsweise niedrig. Der Grund dafür waren hier das Baujahr 1872 und die zugehörige Kapelle Maria Schnee. Die hatten die Mitglieder des Vereins eigens errichtet, damit sie auch an Fest- und Feiertagen Berge besteigen und Gletscher begehen konnten. "Die Bergführer wollten aber erst nach der Messe los", erklärt Friederike Kaiser, Leiterin des Geschäftsbereichs Kultur beim DAV in München.

Das Innere der Hütte sieht nicht mehr so aus wie vor 150 Jahren. "Der Stil entspricht eher der Vorstellung eines Bielefelder Architekten, wie man im Gebirge wohnt", sagt Kaiser. Doch die Romantik endet, wenn es darum geht, denkmalgeschützte Gebäude in Extremlagen auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen. In besiedelten Gebieten ist ein Anschluss an Strom- und Telefonnetz, Wasserver- und -entsorgung kein Problem. Aber abseits der Netze wird es schwierig. Vom alten Dieselaggregat auf umweltfreundlichere Photovoltaikmodule umzuschwenken, ist nicht immer ohne Weiteres möglich. "In Bayern beispielsweise hat der Denkmalschutz Vorrang", erklärt Kaiser. Andere Aspekte sind Barrierefreiheit, Brandschutz und Hygieneeinrichtungen wie Abwasserkläranlagen. Auch hier gibt es gesetzliche Vorgaben, die zum Teil mit dem Denkmalschutz konkurrieren.

"Man darf einen Rauchmelder nicht in ein wertvolles Deckengemälde montieren."

Allerdings legen die Verantwortlichen für den Denkmalschutz gerade beim Thema Umwelt großen Wert darauf, dass hier kein Widerspruch besteht. "In der Regel sind moderne technische Einrichtungen wie der Einbau einer Kläranlage oder auch Solarenergie mit dem Baudenkmal vereinbar", sagt Dorothee Ott, Sprecherin des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) in München. Häufig sei es eine Frage der Umsetzung.

Tatsächlich gibt es viele Lösungsansätze. "Kläranlagen können in der Regel im Freien, abseits des Objekts, errichtet werden", erläutert Klaus-Jürgen Edelhäuser, Experte für Denkmalschutz und Energie bei der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau in München. Auch eine Solaranlage sei in einem ausreichenden Abstand neben dem Objekt machbar. "Aber was sagen dann Natur- und Landschaftsschutz?", beschreibt Edelhäuser das Konfliktpotenzial. Er empfiehlt daher, den Energiebedarf so weit wie möglich zu reduzieren. Er kennt aber auch Fälle, bei denen Solaranlagen in denkmalgeschützten Ensembles erlaubt wurden, "beispielsweise durch Integration der Module in den Gemüsegarten, ohne optische Beeinträchtigung".

Auch die Vorgaben des Brandschutzes können Edelhäuser zufolge bei denkmalgeschützten Gebäuden nicht eins zu eins umgesetzt werden: "Man darf einen Rauchmelder nicht in ein wertvolles Deckengemälde montieren." Gerade in Extremlagen geht es vor allem um Fluchtwege, denn die Feuerwehr kommt hier oft erst hin, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Hier heißt es, gut planen und frühzeitig die Denkmalschützer einbeziehen. "Nichts ist unmöglich, wenn es so entworfen wird, dass es zum Baudenkmal passt", sagt Edelhäuser.

Viel hängt auch vom Standort des Objekts ab. Denn Denkmalschutz ist in Deutschland Sache der Länder. In Bayern werde meist das gesamte Objekt geschützt, hat Kaiser beobachtet: "Dadurch muss bei jeder Baumaßnahme der Denkmalschutz gefragt werden." In Baden-Württemberg und in Österreich sei das schon wieder anders.

"Denkmalpflege ist immer Verhandlungssache."

Besondere Lagen stellen auch die Denkmalschützer vor besondere Herausforderungen. So weiß Ott von Mitarbeitern des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, die immer wieder ihre Bergstiefel schnüren, um schützenswerte Almen im Alpenraum zu besichtigen.

Es sind nicht immer das hohe Alter und die Bausubstanz, die einen Beschluss zum Denkmalschutz herbeiführen. Auch andere Dinge können hier eine Rolle spielen. So hat der Künstler Franz Marc Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Staffelalm unterhalb des Rabenkopfs bei Kochel am See zwei Fresken hinterlassen, die Besucher anziehen. Auch diese stehen unter Denkmalschutz. Insgesamt weist die Datenbank des BLfD unter dem Stichwort Alm 445 Einträge auf.

Auch drei Leuchttürme sind geschützt. Auch die befinden sich oft in Extremlagen. Vor allem im Meer, wie an Nord- und Ostsee. "Leuchttürme sind die einzigen Kulturdenkmäler, die im Wasser stehen", sagt Michael Paarmann, Leiter des Landesamts für Denkmalpflege Schleswig-Holstein in Kiel. Hinzu kommen noch die Halligen, die extremen Witterungslagen ausgesetzt sind. Die Referenten des Amtes fahren für Ortstermine früh mit dem Schiff raus, erläutert Paarmann: "Vieles geht aber auch per Telefon, rausfahren macht man zwar gerne, aber manchmal geht die Ökonomie vor." Klar ist für ihn: Einen Sonderstatus gibt es nicht einfach nur, weil Leuchttürme und Halligen weit weg sind. Andererseits ist ihm daran gelegen, eine für alle akzeptable Lösung zu finden, wenn Denkmalschutz und Erhaltungsmaßnahmen kollidieren: "Denkmalpflege ist immer Verhandlungssache."

Gänzlich freie Hand haben die Eigentümer erst, wenn ihr Objekt zerstört wurde, beispielsweise durch eine Sturmflut oder eine Lawine. "Eine Rekonstruktion des Baudenkmals ist nicht Ziel und Aufgabe der Denkmalpflege", sagt Ott.

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