Datenschutz:Heikler Handel mit Krediten

Der Verkauf von Krediten an Finanzinvestoren ist massiv in die Kritik geraten. Datenschützer und Rechtsprofessoren werfen den Geldinstituten vor, dabei das Bankgeheimnis und den Datenschutz zu verletzen.

Von Thomas Öchsner

Der Handel mit Krediten, die Kunden nicht mehr bedienen können, die nicht mehr ins Geschäftskonzept der Bank passen oder einfach nicht genug Rendite bringen, floriert derzeit in Deutschland. Nach Angaben der Deutschen Bank wurden allein 2006 Kredite mit einem Volumen von mehr als 7,6 Milliarden Euro verkauft. Dabei handelt es sich vor allem um Immobiliendarlehen. Die meisten davon werden nicht mehr ordnungsgemäß bedient, aber längst nicht alle.

Heikler Handel mit Krediten

Datenschützer werfen den Geldinstituten die Missachtung des Bankgeheimnisses vor.

(Foto: Foto: ddp)

Die Kreditnehmer werden in der Regel nicht gefragt, ob sie mit einem Verkauf einverstanden sind. Sie erfahren erst im Nachhinein, wer der Aufkäufer ist. Die neuen Gläubiger wollen die günstig erworbenen Kredite meist nicht weiterführen, sondern die Immobilie schnell verwerten, um an Geld zu kommen. Die Folge: Oft ohne Rücksicht auf die Interessen der Kreditnehmer werden Verkaufsvollmachten verlangt, Pfändungen eingeleitet und die Zwangsversteigerung beantragt - selbst bei vorher ordnungsgemäß bedienten Krediten.

Sitz auf den Bermudas

Datenschützer fordern nun mehr Transparenz bei dem Verkauf der Kredite. "Wer bei einer Bank einen Kreditvertrag abschließt, vertraut auf das Bankgeheimnis. Es darf nicht dazu kommen, dass der Kreditnehmer durch einen Forderungsverkauf datenschutzrechtlich schlechter gestellt wird", sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar der Süddeutschen Zeitung. Genau das sei aber der Fall, wenn der Kredit zum Beispiel bei ausländischen Finanzinvestoren mit Sitz außerhalb der EU lande, wo der Datenschutz nicht so wie in Deutschland gewährleistet sei.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte fordert deshalb gesetzliche Änderungen, um datenschutzrechtliche Nachteile für Kreditnehmer zu vermeiden. "Es ist das Mindeste, dass die betroffenen Bankkunden über den Kreditverkauf rechtzeitig informiert werden, damit sie ihre Rechte geltend machen können", sagte Schaar. Der Landesbeauftragte für Datenschutz in Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, hat sich inzwischen in einem Gutachten mit dem Thema beschäftigt. In dem Papier heißt es: Ein Kreditnehmer habe ein "grundrechtlich geschütztes Interesse zu wissen, wer über seine Daten verfügt". Werde ein Kreditnehmer von dem Verkauf nicht rechtzeitig benachrichtigt, sei die Übermittlung von sensiblen Kreditdaten rechtswidrig, so Weichert.

Der Datenschützer hatte in seinem Gutachten den ersten großen Kreditverkauf in Deutschland untersucht. Dabei hatte die von der HypoVereinsbank abgespaltene Hypo Real Estate (HRE) ein Kreditpaket mit einem Gesamtvolumen von 3,6 Milliarden Euro an einen Fonds des amerikanischen Finanzinvestors Lone Star verkauft. In dem Paket des Dax-Mitglieds HRE enthalten waren neben leistungsgestörten Krediten auch nicht notleidende Kredite mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro. Sitz des Lone-Star-Fonds war auf den Bermudas, die als Steuerparadies gelten. Auch hier sind nach Ansicht von Weichert schutzwürdige Interessen der Kreditnehmer verletzt worden, weil Daten der Kunden ohne Rücksicht auf das Bankgeheimnis an eine Stelle ohne Bankstatus weitergegeben wurden.

"Bei einem Kreditverkauf in die USA beziehungsweise an ein Unternehmen auf den Bermudas ist im Empfängerland kein dem EU-Recht angemessenes Datenschutzniveau anzunehmen", heißt es in dem Gutachten weiter. Hieraus könne ein "Totalverlust des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung resultieren", sagte Weichert der SZ. Der ehemalige Bankkunde verliere so vollständig die Kontrolle über seine Daten, "weil er nicht weiß, an wen seine Daten weitergegeben und für welche Zweck sie verwendet werden".

Finanzausschuss berät

Der Berliner Rechtsprofessor Hans-Peter Schwintowski kommt in einem Rechtsgutachten zu einem ähnlichen Ergebnis: Immobiliendarlehen könnten von einer Bank oder Sparkasse nicht wirksam an ein Inkassounternehmen abgetreten werden, "wenn seitens des Kunden keine Einwilligung in die Weitergabe seiner das Darlehen betreffenden persönlichen Daten vorliegt". Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dagegen kürzlich entschieden, dass der Verkauf eines Darlehens durch die Bank auch ohne Zustimmung des Kunden grundsätzlich wirksam ist. Gleichzeitig stellte der BGH aber klar, dass die Abtretung möglicherweise gegen das Bankgeheimnis oder den Datenschutz verstoße. Ob dies der Fall ist, behandelte das Gericht in seinem Urteil jedoch nicht.

Dafür beschäftigt sich jetzt der Finanzausschuss des Bundestages mit dem Thema. Am kommenden Mittwoch äußern sich in einer nicht öffentlichen Anhörung 23 Sachverständige zum Verkauf von Krediten. Die Bundestagsfraktion der Grünen hatte bereits im Juni 2007 in einem Antrag gesetzliche Änderungen zum Schutz der Kreditnehmer gefordert. Die Linke und die FDP stellten Anfragen zu dem Thema. Die Bundesregierung äußerte sich bislang zurückhaltend. Derzeit werde geprüft, "ob und inwieweit ein über die bestehende Rechtslage hinausgehender weiterer Schutzbedarf besteht", heißt es in einer Stellungnahme des Finanzstaatssekretärs Karl Diller.

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