Datenklau:Liechtenstein höhlt Steuerabkommen aus

Gravierende Einschränkung auf Wunsch der Schweiz: Liechtenstein will bei der Aufklärung von Steuerflucht nicht helfen, wenn Datenklau vorliegt.

Uwe Ritzer

Liechtenstein umgeht das jüngst mit Deutschland vereinbarte Abkommen zur gemeinsamen Jagd auf Steuersünder, bevor es überhaupt in Kraft getreten ist. Das Fürstentum will auch künftig keine Amtshilfe leisten, wenn Steuervergehen durch einen Datenklau aufgeflogen sind. Grüne und SPD in Deutschland sind empört.

Während das Staatsoberhaupt, Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein, an diesem Mittwoch von Bundespräsident Horst Köhler in Berlin empfangen wird, laufen in Vaduz die Vorbereitungen für die Sitzungen des Liechtensteiner Landtags in der kommenden Woche.

Auf der Tagesordnung stehen Steuerabkommen, die das Fürstentum mit elf Staaten, darunter Deutschland, geschlossen hat. Darin verpflichtet sich Liechtenstein entsprechend einem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) festgelegten Standard, diesen Ländern Amtshilfe bei Steuerdelikten zu gewähren. In konkreten Verdachtsfällen muss das Land demnach Auskunft über die Geldanlagen mutmaßlicher Steuerhinterzieher in Liechtenstein geben.

Nun allerdings plant die bürgerliche Regierungskoalition in Vaduz eine gravierende Einschränkung dieser Abkommen. Quasi in letzter Minute hat sie neue Klauseln in das Gesetzeswerk eingearbeitet, das die Amtshilfe im Detail regeln soll. Entsprechende Unterlagen liegen der Süddeutschen Zeitung vor.

Reaktion auf Wunsch der Schweiz

Demnach soll Rechtshilfe von vornherein verweigert werden, wenn die Anfrage auf Daten gründet, die einer Bank oder einem Treuhänder gestohlen wurden. Ein Regierungssprecher in Vaduz bestätigte dies auf Anfrage.

Damit solle klargestellt werden, dass die Auskünfte nicht der öffentlichen Ordnung in Liechtenstein zuwiderliefen, hieß es. Mit der Klausel folge man auch einem Wunsch der Schweiz, sagte der Sprecher.

In den vergangenen zwei Jahren waren Hunderte deutscher Steuersünder aufgeflogen, weil Mitarbeiter von Banken in Liechtenstein und der Schweiz heimlich ihre Daten kopiert und den deutschen Behörden verkauft hatten. Der prominenteste Fall war jener des ehemaligen Deutsche-Post-Chefs Klaus Zumwinkel im Februar 2008.

Seit damals stand Liechtenstein unter massivem internationalen Druck. Anleger, vor allem aus Deutschland, zogen viele Milliarden Euro Vermögen ab und machen seither einen großen Bogen um das Fürstentum. Schließlich willigte Vaduz ein, die OECD-Standards zum Informationsaustausch zu akzeptieren.

Vaduz wiegelt ab

Nachdem entsprechende Abkommen mit elf Staaten geschlossen worden waren, strich die OECD das Fürstentum im November 2009 von ihrer sogenannten "grauen Liste" der Steueroasen. Der Liechtensteiner Regierungschef Klaus Tschütscher feierte dies als "richtungsweisenden Schritt in der Neuausrichtung" des Finanzplatzes.

"Jetzt sind wir wieder weiß", jubelte damals Prinz Philipp, Bruder des Landesfürsten Hans-Adam II. und Stiftungspräsident der LGT-Finanzgruppe, die der Monarchenfamilie gehört.

Im Bundestag regt sich Widerstand

Doch nun droht das Abkommen ausgehöhlt zu werden. Die Regierung in Vaduz wiegelt ab. "Solange ein formal einwandfreies Rechtshilfegesuch aus Deutschland vorliegt, wird Amtshilfe geleistet", sagt ihr Sprecher.

Im Übrigen lasse sich das grundsätzliche Steuerproblem "ohnehin nicht über den OECD-Standard lösen". Dazu bedürfe es einer Regelung, welche die Interessen von Altfällen berücksichtige. Sprich: Eine Amnestieregelung für Steuersünder, deren Schwarzgeld bereits in Liechtenstein liegt. Deutschland lehnt dies ab.

In Berlin reagiert man zurückhaltend auf die geplanten Einschränkungen. "Wir nehmen das zur Kenntnis", sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Im März hatte das Bundeskabinett das Rechtshilfeabkommen mit Liechtenstein abgesegnet. Dadurch sei der heftige Steuerstreit zwischen Deutschland und Liechtenstein beendet, hieß es damals.

"Nichts gelernt"

Das Abkommen muss aber noch vom Bundestag beschlossen werden, und dort regt sich Widerstand. "Wenn Datenaustausch mit Liechtenstein vereinbart wird, muss der auch in Fällen von Datenklau gelten", sagte die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel, der SZ.

Sie warnte Liechtenstein davor, "das Rechtshilfeabkommen im letzten Moment zu untergraben, denn das würde das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Landes erschüttern".

Der SPD-Obmann im Finanzausschuss und bayerische Landesvorsitzende der Partei, Florian Pronold, warf Liechtenstein vor, "sich ein Hintertürchen zu bauen, um weiterhin Steuerhinterziehung in anderen Ländern als Haupteinnahmequelle zu haben". Das zeige, dass das Fürstentum aus den Vorgängen der jüngeren Vergangenheit nichts gelernt habe.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: