Höheres Renteneintrittsalter:Ein Vorbild für Deutschland

Rente erst mit mehr als 70? Was die dänische Regierung plant, klingt gewiss unpopulär - ist aber ökonomisch sinnvoll. Auch in Deutschland sollte sich diese Einsicht langsam mal durchsetzen.

Sibylle Haas

Mit diesem Reformplan macht sich der dänische Ministerpräsident Rasmussen beim Wahlvolk ganz gewiss nicht beliebt. Er will damit Schluss machen, gesunde Menschen dafür zu bezahlen, dass sie vorzeitig in den Ruhestand gehen. Und er will langfristig das Rentenalter auf mehr als 70 Jahre erhöhen, um den Mangel an Arbeitskräften in den kommenden Jahrzehnten zu bekämpfen.

Kommunen in Südniedersachsen suchen nach Konzepten gegen Überalterung

In Zukunft steigt das Renteneintrittsalter - in Dänemark wohl auf mehr als 70 Jahre.

(Foto: dpa)

Der Vorschlag ist unpopulär, und er wird die Dänen vielleicht protestierend auf die Straße treiben. Doch die Erhöhung des Rentenalters ist unausweichlich. In Dänemark, in Deutschland und den meisten anderen Ländern Europas ebenso. Denn die Europäer werden älter, und sie bleiben länger gesund. Schätzungen zufolge wird bis 2060 jeder dritte Deutsche älter als 65 Jahre sein. Das mag für manchen weit in der Zukunft liegen, doch die Überalterung der Gesellschaft - der sogenannte demographische Wandel - findet längst statt.

Da ist es schlichtweg folgerichtig, dass die Menschen länger arbeiten. Eine Gesellschaft, die älter wird und in der immer weniger Erwerbstätige immer mehr Rentner ernähren, muss entweder die Sozialbeiträge erhöhen oder die Bevölkerung später in Rente schicken. Das ist die Logik. Doch die Diskussion darüber ist zäh, und die Einsicht ist mancherorts nicht vorhanden.

In Deutschland wird die notwendige Anhebung des gesetzlichen Rentenalters von 65 auf 67 Jahre immer wieder torpediert. Mal sind es die Gewerkschaften, die den berühmten Dachdecker anführen, der es mit 67 nicht mehr aufs Dach schafft. Mal sind es die Sozialdemokraten, die über die längst ausgelaufene Altersteilzeit schwadronieren. Zu einer Lösung führt das alles nicht. Den selbständigen Unternehmer, der auch mit 70 noch erfolgreich seinen Laden führt, blenden die Kritiker meist aus.

Verheerendes Signal

Älterwerden ist nur dann ein Problem, wenn es zum Problem gemacht wird. Wenn Menschen mit 58 in den Ruhestand entlassen werden, dann sendet dies eben das klare Signal aus, dass einer mit Ende 50 nicht mehr gebraucht wird. Doch wenn Firmenchefs ältere Mitarbeiter für weniger leistungsstark oder für unflexibel halten, entlarven sie sich meist selbst. Denn sie schaffen es offenbar nicht, die Beschäftigungschancen für Arbeitnehmer zu verbessern, die älter als 50 sind.

Länger zu arbeiten, heißt nicht zwangsläufig, ein Leben lang die gleiche Arbeit zu erledigen. Das Rentenalter an die Lebenserwartung zu knüpfen, bedeutet auch, Arbeit so zu gestalten, dass die Menschen länger durchhalten. Arbeitgeber und Beschäftigte müssen da flexibler werden. Umbesetzungen dürfen nicht automatisch einen Abstieg auf der Karriereleiter bedeuten.

Außerdem müssen mehr Stellen mit kürzeren und flexibleren Arbeitszeiten geschaffen werden sowie mehr wirklich anspruchsvolle Teilzeitjobs. Ohne lebenslanges Lernen geht es in Zukunft und geht es schon heute nicht mehr. Nur so bleiben ältere Mitarbeiter leistungsstark.

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung hat herausgefunden, dass Teams in Unternehmen besonders innovativ arbeiten, wenn junges, neues Wissen mit langjähriger Erfahrung verknüpft wird. Es ist also ökonomisch sinnvoll, dass ältere Menschen ihre sozialen Kompetenzen und ihre Berufs- und Lebenserfahrung in den Firmen einbringen.

Unverzichtbares Wissen

Wenn wir die Alten dagegen ausbremsen, tun wir uns keinen Gefallen. Wir brauchen sie, weil eine schrumpfende Bevölkerung ein Wachstumsrisiko ist. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels werden die Erfahrung und das Wissen älterer Arbeitnehmer für die Unternehmen unverzichtbar.

Großbritannien etwa will die gesetzliche Altersgrenze für Berufstätige abschaffen. Das ist keine schlechte Idee. Denn warum sollte jemand nicht länger arbeiten, wenn er das will? Mehr Flexibilität wäre auch hierzulande wünschenswert. Denn wer in Deutschland über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten will, braucht meist die Zustimmung seines Arbeitgebers. Die meisten Arbeitsverträge sind an das gesetzliche Rentenalter gekoppelt und enden dann automatisch.

Ältere Mitarbeiter sind wertvoll. Sie zu ignorieren, bedeutet, teuer erworbene Erfahrung zu verschleudern. Europa kann sich das nicht mehr leisten. Doch die Europäer können ihre Politik ändern.

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