Dächer und Fassaden:Grün und frisch

Die Kühlleistung von Pflanzen lässt sich berechnen. Der Hamburger Architekt Florian Betzler hat jetzt eine Systematik entwickelt, die Bauherren und Planer bei der Kalkulation unterstützen könnte.

Von Ralph Diermann

Der menschliche Körper verfügt über einen genialen Mechanismus, sommerlich-heiße Tage erträglich zu machen: das Schwitzen. Dabei entsteht Verdunstungskälte, die dem Körper Wärme entzieht. Nach diesem Prinzip lassen sich auch Gebäude oder ganze Stadträume kühlen. Möglich macht das eine umfassende Begrünung der Dächer und Fassaden - über die Blätter der Pflanzen verdunstet Regenwasser, was für Abkühlung sorgt. Darüber hinaus verschattet das Grün die Gebäudehülle, sodass sie sich weniger stark aufheizt. Bepflanzte Dächer und Fassaden verbessern das Stadtklima und entlasten die Kanalisation, etwa bei Starkregen. "Das Substrat auf dem Dach nimmt bis zu vierzig Prozent der Wassers auf. Wenn es gesättigt ist, ist der Starkregen vorbei. Damit sinken die Wassermengen, die von der Kanalisation aufgenommen werden müssen", sagt Wigbert Riehl von der Universität Kassel.

Die Faktoren könnten bei der Stadt- und Gebäudeplanung eine Rolle spielen

Wie stark ist der Kühleffekt? Und wie groß muss die begrünte Fläche sein, um die Abwärme eines Gebäudes zu kompensieren? Der Hamburger Architekt Florian Betzler hat jetzt eine Systematik entwickelt, mit der Bauherren und Planer Fragen wie diese beantworten können. Ihr liegen zwei Größen zugrunde: der Green Density Factor (GDF) und der Green Cooling Factor (GCF). "Der GDF setzt die äußere Begrünung an einem Gebäude in Relation zu der bebauten Fläche des Gebäudes. Der GCF ermittelt die Verdunstungskälte, die sich mithilfe der Pflanzen an den Fassaden und auf dem Dach für das Stadtklima erreichen lässt, und setzt diese in Relation zur Abwärme des Gebäudes", erläutert Betzler. Er hat die beiden Faktoren unter anderem bei der Sanierung und Erweiterung eines Mehrparteienhauses in Hamburg angewandt. Durch die Begrünung der Dächer und Teilen der Fassade erreichen die Bauherren einen GCF von 2,57 - die Kühlleistung der Pflanzen ist mehr als zweieinhalb Mal so groß wie die Wärmeabstrahlung.

Betzler versteht seine Systematik aber nicht nur als Handreichung für Architekten und Planer. "Ich plädiere dafür, die beiden Faktoren in Bebauungspläne zu integrieren, nach dem Vorbild der Geschossflächen- und Grundflächenzahl GFZ und GRZ", sagt der Experte. "Sie könnten zu einem wirkungsvollen Werkzeug der urbanen Stadt- und Gebäudeplanung werden." Er schlägt vor, die Parameter in die Baunutzungsverordnung aufzunehmen, sodass sie auf kommunaler Ebene in die Bebauungspläne übernommen werden können. Zudem setzt er sich dafür ein, sie in Bewertungssysteme für nachhaltiges Bauen wie LEED zu integrieren.

Die Grünkühlung hat jedoch ihren Preis. Für die Dachbegrünung von Mehrparteienhäusern etwa hat die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) in einer Studie durchschnittliche Kosten von 41 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche ermittelt. Dazu kommt der Pflegeaufwand. Zwar setzen andere Experten hier deutlich niedrigere Beträge an, dennoch steht das Konzept im Widerspruch zum Bestreben, Bauen billiger zu machen. Allerdings gewinnt ein Gebäude mit der Investition an Wert. "Nachhaltigkeit ist heute ein sehr wichtiger Faktor für Immobilien. Die Begrünung bedeutet einen großen Imagegewinn und damit auch eine Wertsteigerung", sagt Riehl.

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