Dachaufstockungen:Gebremste Euphorie

Nachtleben in Berlin, Prenzlauer Berg, Berlin

Feiern über den Dächern von Berlin. Neuer Wohnraum ganz oben ist nichts für Mieter mit kleinem Geldbeutel.

(Foto: Getty)

Aufbauten könnten dazu beitragen, die Wohnungsnot zu lindern. Aber es sind noch große Hürden zu überwinden.

Von Ingrid Weidner und Marianne Körber

Die Dachaufstockung wird von vielen als ein Weg aus der Wohnungsmisere gesehen. Einer Reihe von Studien zufolge ergeben sich dadurch beträchtliche Möglichkeiten der Nachverdichtung - Experten der TU Darmstadt und des Pestel-Instituts Hannover schätzten beispielsweise vor zwei Jahren, dass sich 1,5 Millionen zusätzliche Wohnungen auf den Dächern von Mehrfamilienhäusern in Großstädten und Ballungsräumen bauen ließen. Sie fanden heraus, dass es 580 000 geeignete Mehrfamilienhäuser gibt, die zwischen 1950 und 1990 gebaut wurden und die in Gegenden mit einem angespannten Wohnungsmarkt stehen. Diese ließen sich um eine oder zwei Etagen aufstocken, und es entstünden 1,12 Millionen neue Wohnungen mit einer Wohnfläche von 85 Quadratmetern. Rechne man noch die geeigneten, vor 1950 errichteten Wohngebäude hinzu, kämen weitere 420 000 Wohnungen hinzu.

Doch bisher halten sich Investoren eher zurück, berichtet die Researchabteilung der Quantum Immobilien AG im Focus No. 26 zum Thema "Innenentwicklung als Chance für urbanes Wohnen". Dachgeschossausbauten werden statistisch unter Genehmigungen für neue Wohnungen durch Um- und Ausbaumaßnahmen erfasst, und die sind im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent gesunken, heißt es bei Quantum. Die Gründe dafür seien vielfältig. Unter anderem berge der Prozess der Dachaufstockung einige Risiken beziehungsweise Probleme für Investoren. So sei es aufgrund des oftmals komplexen Aufstockungsprozesses häufig schwierig, eine Baugenehmigung zu erhalten. Dabei stelle insbesondere der Brandschutz eine Hürde dar, da etwa Erneuerungen der Haustechnik, aber auch Ertüchtigungen von Treppenhäusern sowie die Einrichtung eines zusätzlichen Rettungsweges nötig sein könnten. Auch die energetische Sanierung könne das Bauvorhaben stark verteuern. Eine entscheidende Rolle spiele hierbei der drohende Wegfall des Bestandsschutzes des Gebäudes. Darüber hinaus müssten beim Überschreiten einer bestimmten Gebäudehöhe häufig kostenintensive Aufzüge eingebaut oder beim Bau weiterer Wohnungen zusätzliche Stellplätze nachgewiesen werden.

Allerdings sei hier schon einiges in Bewegung. Im Gespräch seien baurechtliche Vereinfachungen. "Würde man Dachaufstockungen nicht wie Neubauten, sondern stattdessen als genehmigungspflichtige Bestandsmaßnahmen bewerten, könnten Dachaufstockungen durch Beibehaltung des Bestandsschutzes erheblich vereinfacht werden", schreiben die Research-Experten. Und beim Thema Aufzugeinbau habe sich zumindest in Hamburg etwas geändert - in der neuen Fassung der dortigen Bauordnung seien beispielsweise Aufzüge ab einer Gebäudehöhe oberhalb von 13 Metern künftig nicht Pflicht, wenn durch die Dachaufstockung zusätzlicher Wohnraum geschaffen werde. Zudem sei in Städten wie Hamburg und Berlin die Stellplatzpflicht weggefallen - ein Schritt zur Vereinfachung von Nachverdichtungsmaßnahmen, heißt es bei Quantum.

Dachaufstockungen tragen laut Untersuchung bisher nur marginal zur Ausweitung des Wohnungsangebots in deutschen Großstädten bei. Und weil die Herstellungskosten hoch seien und sich die Investitionen lohnen müssten, erfolgten diese überwiegend im Rahmen umfassender Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen. Oder sie konzentrierten sich auf Wohnungsmarktlagen mit überdurchschnittlichen Mieten und Kaufpreisen. Das kommt manchen Investoren durchaus entgegen. Denn Dachwohnungen gelten als besonders attraktiv und lassen sich meist teurer vermieten.

Einen klaren Preisvorteil von Dachaufstockungen gegenüber Neubauten gibt es selten. Doch wenn Faktoren wie Flächenverbrauch, kompakteres Bauen und die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur mit in die Berechnungen einfließen, bietet die Aufstockung noch einiges Potenzial für den Wohnungsbau.

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