Dachaufstockung:Eine Etage mehr

Bauland ist rar und teuer. Die Erhöhung von Gebäuden wird daher von Experten als Ausweg aus der Wohnungsmisere gesehen. Einer Studie zufolge könnten so 1,12 Millionen neue Unterkünfte geschaffen werden.

Von Marianne Körber

Bauland ist teuer. Um dennoch neuen Wohnraum schaffen zu können, wird vor allem in großen Städten kräftig "nachverdichtet". Neben dem Schließen von Baulücken und der Bebauung von Grünflächen wird auch die Dachaufstockung als Ausweg aus der Wohnungsmisere gesehen. Nach einer Studie, die die Technische Universität Darmstadt im Auftrag von Organisationen der Planungs-, Bau- und Immobilienbranche erstellt hat, bergen Mehrfamilienhäuser der Nachkriegszeit große Potenziale. Durch "On-Top-Etagen" bei 580 000 Gebäuden, die zwischen 1960 und 1990 erstellt wurden, ließen sich in Regionen mit angespanntem Immobilienmarkt 1,12 Millionen Wohnungen zusätzlich errichten. Dabei wird von einer durchschnittlichen Wohnfläche von etwa 75 Quadratmetern - insgesamt 84,2 Millionen Quadratmetern - ausgegangen. Auch bei vielen noch älteren Häusern gebe es die Möglichkeit, ein Stockwerk draufzubauen.

Experten sehen viele Vorteile, sogar für die Mieter

Diese Art der Nachverdichtung habe viele Vorteile, heißt es in der Studie, die die TU Darmstadt vor Kurzem zusammen mit dem Pestel-Institut Hannover vorgestellt hat. So werde kein zusätzliches Bauland gebraucht, die Infrastruktur sei bereits vorhanden, es müssten also weder neue Straßen noch Kanal- oder Versorgungsleitungen errichtet werden. Außerdem lasse sich der Energiebedarf im darunter liegenden Geschoss bis zur Hälfte reduzieren; das größte energetische Sparpotenzial liege bei den bis heute nicht sanierten Gebäuden. Einen Vorteil habe die Aufstockung auch für Mieter, da die Nebenkosten auf mehr Parteien umgelegt werden könnten.

Wie teuer das Wohnen auf der obersten Etage wird, hängt natürlich vom Finanzierungskonzept des Eigentümers ab - die Aufstockung kann ebenso für den sozial geförderten Wohnungsbau errichtet werden oder auf dem freien Markt gegenfinanziert werden durch finanzstärkere Mieter oder Eigentümer.

Aufstockungen sollen der Studie zufolge aber nicht nur Masse bringen, sondern auch die Wohnqualität verbessern. Positiv könnten sich Aufstockungen auch auf die Einwohnerzahlen im Quartier und die "soziale Durchmischung" auswirken, ebenso auf die (Wieder-)Ansiedlung von Dienstleistern sowie Ärzten und die Vermarktbarkeit der Viertel. Allerdings müsste bei einer steigenden Einwohnerzahl auch die soziale Infrastruktur mithalten können; Kommunen müssten beispielsweise prüfen, ob genügend Kindergärtenplätze und Schulen zur Verfügung stehen. Technische und rechtliche Knackpunkte bei einer Dachaufstockung könnten etwa beim Brandschutz liegen oder bei der - ohnehin oft als nicht mehr zeitgemäß angesehenen - Baupflicht von Kfz-Stellplätzen.

Bei der Auswahl der Gebäude, die für Aufbauten in Frage kommen, seien in der Studie sowohl Denkmalschutz als auch der Erhalt des Stadtbildes berücksichtigt worden, betont Karsten Tichelmann, Professor an der TU Darmstadt. Er sieht in der Aufstockung ein "enormes Potenzial". Die Initiatoren der Studie fordern von der Regierung baurechtliche Erleichterungen und finanzielle Anreize, vor allem Sonderabschreibungen. "Ideal wäre es, ein Bundesprogramm 'Dachaufstockung' aufzulegen", sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut.

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