Commerzbank: Martin Blessing:Merkels Pudel ist von der Leine

Commerzbank-Chef Martin Blessing muss seit der Rettung seines Instituts durch den Bund viel Häme aushalten. Jetzt aber löst sich die Bank viel früher als gedacht aus den Armen der Politik.

Harald Freiberger, Frankfurt

Wohl kaum ein Manager in Deutschland hat in den letzten Jahren so viel Wut, Spott und Häme über sich ergehen lassen müssen. Auf der Hauptversammlung im Mai vorigen Jahres schrie ihm ein Aktionär entgegen: "Sie Versager, Sie absoluter Totalversager!" In regelmäßigen Abständen musste der Verschmähte in Berlin antanzen, bei der Bundesregierung der Angela Merkel, um die Minister über den Lauf der Geschäfte zu informieren. Als Dank bekam er von anderen Bankern den Spitznamen "Merkels Pudel" verpasst.

Commerzbank will Staatshilfen zurückzahlen

Blessing hat selbst einen Hang zum Spöttischen. Doch seit Monaten war ihm anzumerken, dass er unter seiner "Pudel"-Rolle litt.

(Foto: dpa)

Das war das Schicksal des Martin Blessing, 47, des Vorstandschefs der Commerzbank. Weil der Bund nach der Finanzkrise das Frankfurter Geldhaus mit 16 Milliarden Euro mehr retten musste und sich mit 25 Prozent beteiligte, bekam der Manager das Etikett "Staatsbanker" weg. Blessing, der selbst einen Hang zum Spöttischen hat, nahm das alles lange nach außen gelassen hin. Doch seit einigen Monaten war ihm anzumerken, wie sehr er unter seiner "Pudel"-Rolle litt, unter dem Diktat der Politik.

Insgeheim arbeitete er an der Befreiung von Politikern, an der Trennung vom Großaktionär Bund. Er wartete auf jenen Tag, an dem er endlich eine Kapitalerhöhung verkünden konnte, um sich herauszukaufen. Am Mittwoch war es soweit: elf Milliarden Euro will sich der kahlköpfige Geld-Manager von den Aktionären holen - und dann mit der Rückzahlung der Staatsmilliarden beginnen. Endlich sieht er sich einem Teufelskreis entronnen: Monatelang stieg der Aktienkurs nicht, weil viele Investoren eine Kapitalerhöhung erwarteten. Deswegen wiederum konnte er sich nicht an die Reprivatisierung der Bank machen. Und dann kam im Herbst auch noch die Deutsche Bank mit ihrer Kapitalerhöhung zuvor. Josef Ackermann, der Antipode, war schneller. Und Blessing wurde immer dünnhäutiger. Was er vorher noch ironisch weggebürstet hatte, kommentierte er nun genervt und gereizt.

Man muss all das wissen, wenn man ermessen will, was dieser 6. April für ihn bedeutet. Er steht unter dem Druck, in einer Dynastie großer Banker ebenfalls Wichtiges zu leisten, einen großen Wurf zu landen. Sein Großvater Karl Blessing war immerhin einst Präsident der Deutschen Bundesbank, sein Vater Werner saß im Vorstand der Deutschen Bank. Sein Schwiegervater war Paul Wieandt, einst Chef der Bank für Gemeinwirtschaft. Und sein Schwager ist jener Axel Wieandt, der sich einige Zeit lang als Chef der Hypo Real Estate versuchte - auch so ein Institut, das vom Staat gerettet werden musste. Seine Frau schließlich ist Partnerin bei Goldman Sachs.

Banker im Glück

Und nun sitzt Marin Blessing im 49. Stock des Frankfurter Commerzbank-Turms und hat gerade seine große Befreiungsaktion verkündet. Er wird gefragt, was ihn seit 2009 am meisten geärgert hat. Er könnte jetzt viel erzählen, aber der Kommunikationschef neben ihm hat ein "Nein" auf den Zettel geschrieben. Ob sich Blessing erleichtert fühle? "Ich finde es schöner, aus der Staatshilfe auszusteigen als einzusteigen, deshalb bin ich heute entspannter als vor zwei Jahren", sagt er: "Aber gefeiert wird erst, wenn's fertig ist, nicht wenn es zu 99,9 Prozent fertig ist." Man feiere ja seinen Geburtstag auch nicht im Voraus.

Commerzbank: Martin Blessing: Die Commerzbank - ein Überblick

Die Commerzbank - ein Überblick

Der Banker im Glück versucht, sich keine Emotionen anmerken zu lassen. Vor wenigen Wochen hätte kaum jemand der Commerzbank zugetraut, eine so große Kapitalerhöhung auf dem Markt unterzubringen. Doch dann redet er mit vielen Investoren, und die signalisierten: Es könne klappen. Dazu trägt der Trick mit einer Pflichtwandelanleihe bei: Die Aktionäre können sie ab sofort ordern, sie wird aber erst später in eine Aktie umgewandelt. Danach kommt die eigentliche Kapitalerhöhung mit neuen Aktien. Auf diese Weise schafft es die Commerzbank, die gewaltige Kapitalerhöhung zu entzerren - und sie trotzdem in einem Schritt zu verkünden. Das Schlimmste wäre gewesen, wenn alle noch eine weitere Kapitalerhöhung erwarten würden.

So kommen elf Milliarden Euro herein. Weitere 3,3 Milliarden Euro kann Blessing aus bestehendem Kapital flüssig machen. Im Juni dann wird der ehemalige McKinsey-Berater, wenn alles gut geht, rund 14,3 Milliarden der 16,2 Milliarden Euro Staatshilfe zurückgezahlt haben. Der Rest? Der soll bis 2014 in die Staatskasse des Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) fließen. Der Bund bleibt noch mit 25 Prozent der Aktien beteiligt; sie kann er ab Dezember nach und nach verkaufen.

Der Druck aus der Politik wird ab sofort nachlassen - obwohl die zwei Vertreter, die der Bund in den Aufsichtsrat schickt, erst einmal dabei bleiben. Aus Berlin, wo die Commerzbank bisher kritisiert wurde, kommen nun positive Stimmen: "Es ist sehr zu begrüßen, dass die Commerzbank einen großen Schritt macht und die Staatshilfe deutlich reduziert", sagt Florian Toncar (FDP), der Chef des Gremiums im Bundestag, das den Rettungsfonds Soffin kontrolliert.

Eine Folge der Weg-vom-Staat-Aktion ist, dass Blessings Jahresgehalt nicht länger auf 500000 Euro begrenzt ist. Einige im Haus verdienen mehr als er. "Mein Verständnis ist, dass, wenn wir im Juni die Rückzahlung geleistet haben, die Gehaltsdeckelung aufgehoben ist."

Martin Blessing ist an diesem Glückstag im Stress. Er muss noch in Berlin und London, die Kapitalerhöhung erklären. In Frankfurt bleibt nur kurze Zeit für einen Snack. Die Anspannung ist dem Commerzbank-Chef anzusehen. Erst fällt ihm die Gabel auf den Boden, dann auch noch ein Stück Nahrung. Aber er wischt alles brav wieder auf.

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