Chaos bei der HSH Nordbank:Dr. No und der "Lohn der Angst"

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Das Machtvakuum verhindern - um jeden Preis: Aus Angst hält die Politik an dem umstrittenen HSH-Nordbank-Chef Nonnenmacher fest.

Jens Schneider

In dem Film "Lohn der Angst" aus dem Jahr 1953 übernimmt Yves Montand einen hochgefährlichen Auftrag. Ein Lastwagen Nitroglycerin muss durch den Dschungel transportiert werden. Die Reise ans andere Ende des Urwalds ist ein Himmelfahrtskommando. Deshalb wird den Fahrern eine hohe Belohnung versprochen.

Dirk Jens Nonnenmacher, Chef der HSH Nordbank, hat eine Sonderzahlung von 2,9 Millionen Euro erhalten. (Foto: Foto: ddp)

Dieser Film fällt einem norddeutschen Finanzpolitiker bei dem Namen Dirk Jens Nonnenmacher ein. Auch dieser Finanzpolitiker empört sich über die Millionen-Zahlungen an den Chef der HSH-Nordbank. Aber er erklärt mit dem Film, warum Nonnenmacher 2,9 Millionen Euro Sonderzahlungen erhalten soll. Er bekommt sie, obwohl die Bank nur durch den Einsatz von Milliarden an Steuergeldern aus Hamburg und Schleswig-Holstein überlebt. In Kiel hat der Streit darüber die große Koalition gesprengt, auch der Hamburger Senat steht unter Druck.

Die HSH-Nordbank sei auch so ein Himmelfahrtskommando wie die Fahrt durch den Urwald, erklärt der Finanzpolitiker. Kein geeigneter Banker würde gern das Risiko auf sich nehmen, damit zu scheitern. Wenn er sich auf das Risiko einlasse, fordere er eben einen "Lohn der Angst". Im Interesse der Länder habe man Nonnenmacher dringend halten müssen, obwohl der 46-jährige Mathematiker keineswegs als Überflieger gilt. "Er ist kein Mozart der Finanzwelt", heißt es aus Regierungskreisen. Seine Karriere ist zwar ziemlich dynamisch verlaufen: Nonnenmacher studierte Mathematik und Medizin und promovierte im Alter von 27 Jahren.

Überraschende Ernennung

Später lehrte er an deutschen und amerikanischen Instituten in Deutschland und den USA. Parallel beriet der Mann mit dem intensiv gegelten Haar - früher trug er Zopf - Unternehmen in der Finanzindustrie in Fragen zur Konzernsteuerung, zum Risikomanagement und zur Produktentwicklung. 1998 wurde er Bereichsleiter für die Dresdner Bank in Frankfurt und London. Von 2004 an leitete der hochgewachsene Manager das strategische Risiko- und Financial Controlling der DZ Bank in Frankfurt. Im Oktober 2007 kam er dann zur Nordbank. Damals galt die Bank noch als gesund, Nonnenmacher sollte sie an die Börse bringen.

Dafür schien er als Mann der Zahlen bestens qualifiziert zu sein - ein typischer number cruncher sei er, also ein Mann, der brillant Zahlen analysieren, aber nicht so gut mit Menschen umgehen könne. In der HSH-Nordbank habe er sich in seine Zahlen vergraben, sagt ein führender Hamburger Banker. Nonnenmacher - Spitzname "Dr. No" - habe schwer Kontakt zu Mitarbeitern gefunden. "Wir kennen den Mann nicht", höre man immer wieder von Nordbankern.

Eher überraschend kam deshalb mitten in der Krise seine Ernennung zum Chef der Bank. Hier nun sind die Erklärungen aus der Politik interessant, die diese verblüffenden Zahlungen an Nonnenmacher in ein anderes Licht rücken. Den Politikern sei, so sagt ein an den Entscheidungen Beteiligter, dringend geraten worden, Nonnenmacher zu halten. Die Bank hätte sonst erhebliche Probleme bekommen, einen Ersatz zu finden.

Ein Führungsvakuum kann für Finanzinstitute aber verheerende Folgen haben. So wurde die Politik auch damals gewarnt: Ohne Kontinuität im Vorstand hätten Rating-Agenturen die Bank abgewertet, und Kiel wie Hamburg hätten schon bald vorneuen massiven Finanz-Forderungen gestanden.

Die Grünen sind im Boot - widerwillig

Schließlich bekam Nonnenmacher einen Vertrag, nach dem ihm die hohen Sonderzahlungen auch zugestanden hätten, wenn er die Bank verlassen hätte. Hamburg und Schleswig-Holstein standen deshalb - so ist aus beiden Regierungen zu hören - im Juni vor der Alternative, ihn mit den 2,9 Millionen Euro zu halten oder ihn mit demselben Betrag gehen zu lassen. Und das mit der Aussicht, nur schwer einen Nachfolger zu finden. Nonnenmacher habe nur unter diesen Bedingungen die Deckelung seines Gehalts auf 500.000 Euro akzeptieren wollen.

In Hamburg drängte die GAL als kleiner Koalitionspartner, allerdings erfolglos, darauf, Nonnenmacher im Preis zu drücken. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hatte die Grünen früh einbezogen. Sie tragen die Entscheidung so widerwillig mit wie fast alle Beteiligten. "Ein Wechsel an der Spitze der HSH Nordbank hätte nicht absehbare Folgen für die Bank und die Anteilseigner gehabt", erklärte dieser Logik entsprechend auch in Kiel der jetzt entlassene sozialdemokratische Innenminister Lothar Hay - wie der christdemokratische Finanzminister Rainer Wiegard.

Unmoralisch und verwerflich finden die Beteiligten die Zahlung allesamt. Wie aber geht Nonnenmacher damit um, dass sein Name zum Symbol für Unbescheidenheit wird? Der Vorstandschef gebe keinen Kommentar, heißt es aus der Bank. In den Archiven findet sich ein Satz, den er zu Jahresbeginn angesichts der dramatischen Situation seiner Bank gesagt hat: Jetzt sei wohl Bescheidenheit angesagt.

© SZ vom 22.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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